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Tierische Liebe

Tierische Liebe

Originaltitel
Tierische Liebe
Regie
Ulrich Seidl
Darsteller
Gerti Zieger, Christina Yildiz, Erich Wögerer, Gabi Tairi, Ernst Schönmann, Herbert Scholz
Kinostart:
Deutschland, am 29.08.1996 bei Ventura Film
Genre
Dokumentarfilm
Land
Österreich
Jahr
1995
FSK
ab 18 Jahren
Länge
114 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
7,0 (Filmreporter)
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"Homo homini lupus" - der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Und der Hund sein bester Freund. Nein, es geht nicht um Thomas Hobbes' Naturzustand, sondern um das Leben in der Großstadt. Wien, fünf Jahre vor dem neuen 21. Jahrhundert. Zwei Rentner teilen sich eine 18-Quadrat-Wohnung mit einem Hund. Seit Jahren warten sie auf eine Erbschaft, die ihnen aus ihren finanziellen Schwierigkeiten helfen soll. Die Zeit schlagen sie sich mit Ratgeber über das Dressieren tot. In Unterhemden sitzen sie nebeneinander und studieren ein Hunde-Handbuch. Auf der Straße versuchen zwei obdachlose Bettler, Schillinge mit einem Zwergkaninchen und einem Hund zu erbetteln. In seiner Predigt lobt ein Priester die schützenden Instinkte und die Treue von Hundedame Lady. Ihr Kadaver wird eingeäschert, die Erinnerung an das Tier wird aber die einsame Rentnerin weiter begleiten. In der Gerontologie vegetieren ältere Damen vor sich hin. In ihrem vergitterten Bett hüpfen neugierige Zwergkaninchen. Grausige Bildersammlung vom unwürdigen Altern, der Einsamkeit und sozialer Ausgrenzung.
"Noch nie habe ich im Kino so geradewegs in die Hölle geschaut", beschreibt Regisseur Werner Herzog die Wirkung von Ulrich Seidls grausiger, inszenierter Dokumentation über das Leben in der Großstadt. Wie der Österreicher selbst bekundet, lag dem Projekt eine radikale Idee zugrunde. Er wollte zunächst eigentlich einen Haustierhalter und sein Haustier im ganz normalen Ehealltag zeigen. Am Ende präsentiert er mehrere solche Symbiosen: manchmal sind Ehepaare dabei, die nur durch und über ihr gemeinsames Haustier kommunizieren. In der Regel verstummen die Protagonisten jedoch. Seidls Bildkomposition betont die erschreckende Stille zwischen den Menschen. Frau und Mann stehen mit dem Gesicht zur Kamera, der eine blickt stumm in den Rücken des anderen. Schweigen, Tristesse und Langeweile als Zeichen der gesellschaftlichen Außenseiter. Der Zusammensturz der Kommunikation wird diagnostiziert, ohne Erklärungen zu suchen. Es ist grausam, diesen Menschen zuzuschauen. Kein einziger Lichtblick, selbst die Farben sind matt, ungesättigt, kalt. Seidl zeigt die soziale Kälte mit allen Mitteln des Films. Genau wie seine unglücklichen Protagonisten schweigt der Autor, "Tierische Liebe" ist wie ein Standbild einer fatalen Entwicklung.
Tzveta Bozadjieva, Filmreporter.de
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Tierische Liebe
2024