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Liebe ist kälter als der Tod

Liebe ist kälter als der Tod

Originaltitel
Liebe ist kälter als der Tod
Regie
Rainer Werner Fassbinder
Darsteller
Ulli Lommel, Hanna Schygulla, Katrin Schaake, Liz Soellner, Gisela Otto, Ursula Strätz
Kinostart:
Deutschland, am 26.06.1969 bei Filmverlag der Autoren und Futura Film-Verleih
Genre
Komödie
Land
BRD
Jahr
1969
FSK
ab 18 Jahren
Länge
88 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
8,0 (Filmreporter)
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Rainer Werner Fassbinder in der Münchner Unterwelt
Franz (Rainer Werner Fassbinder) ist Zuhälter und gehört zu Münchens Unterwelt. Seine Freundin Joanna (Hanna Schygulla) schickt er als Prostituierte auf die Straße - kommt mit dem Einkommen aber mehr schlecht als recht über die Runden. Trotzdem weigert er sich, für das große Gangstersyndikat der Stadt zu arbeiten. Der sympathische Bruno (Ulli Lommel) ist ein Berufsverbrecher von größerem Kaliber.

Franz sieht in ihm einen Freund. Er ahnt nicht, dass gerade der vom Syndikat auf ihn angesetzt wurde. Er soll von Bruno in Verbrechen hineingezogen werden, womit das Syndikat ein Druckmittel gegen diesen in der Hand hätte. Nur Joanna merkt, dass mit dem neuen charismatischen Bekannten ihres Freundes etwas nicht stimmt. Sie macht sich Sorgen, da Bruno weder vor Gewalt noch vor Mord zurückschreckt. Als die beiden Männer einen letzten großen Auftrag planen, bleibt Joanna keine andere Wahl. Sie erzählt der Polizei von dem geplanten Banküberfall. Zeitgleich will Bruno die Frau von einem der Killer des Syndikats aus dem Weg räumen lassen.
Mit "Liebe ist kälter als der Tod" dreht das damalige Wunderkind Rainer Werner Fassbinder nach einigen kurzen Übungsarbeiten seinen ersten abendfüllenden Spielfilm und startet so eine der schillerndsten Regiekarrieren der deutschen Nachkriegszeit. Die Hauptrollen besetzt das Genie mit Hanna Schygulla, Kurt Raab und Ulli Lommel, mit denen er in den folgenden Jahren immer wieder zusammenarbeiten wird. Inszeniert nach seinem eigenen Drehbuch, ist "Liebe ist kälter als der Tod" zugleich eines der ersten Beispiele für den Autorenfilm deutscher Prägung und einer der frühen Höhepunkte des Neuen Deutschen Films, zu dessen prominentesten Vertretern Fassbinder neben Regisseuren wie Werner Herzog, Wim Wenders, Alexander Kluge und Volker Schlöndorff Fassbinder heranreifen wird.

Nicht als Handwerker, sondern als selbstbewusster Künstler begreift sich Fassbinder denn auch von Anfang an, indem er mit seinem Debüt nahtlos an die Ästhetik der zehn Jahre zuvor aus der Taufe gehobenen Nouvelle Vague und einiger der profiliertesten Autorenfilmer der 1960er Jahre anknüpft. Fassbinder nennt in diesem Zusammenhang Claude Chabrol und Eric Rohmer als seine direkten Vorbilder, von dessen Kino-Debüt "Im Zeichen des Löwen" er tief beeindruckt ist. Mehr noch als den Stilwillen der französischen Kollegen adaptiert der Deutsche mit seinem Erstling die formal strengen, höchst eigenwilligen Filme Robert Bressons und dem Paar Jean-Marie Straub/Danièle Huillet. Von einer anderen Seite reiht sich Fassbinder mit "Liebe ist kälter als der Tod" in die Tradition des klassischen Erzählfilms ein. Wie er sich später das Melodram einverleibt, schreibt der Regisseur hier die Ikonografie des Gangster- und Westerngenres mit den Ausdrucksmitteln des Autorenfilms radikal um. So sind die Hauptfiguren Variationen der klassischen Gangster- und Detektivgestalten der 1930er und 40er Jahre, während das antagonistische, in Duellen mündende Prinzip ein zentrales dramaturgisches Element des Western aufgreift.

'Es sind Leute, die, um leben zu können, was ihnen lebenswert erscheint, sich halt in Rollen begeben, die eigentlich nicht die ihren sind', sagt Fassbinder über seine Figuren und bezeichnet damit indirekt eines der hervorstechenden Elemente der Postmoderne, die sich im Mainstream-Kino mehr als zehn Jahre später durchsetzen sollte. Andererseits impliziert diese Aussage ein höchst subjektives Gestaltungsprinzip, da der cinephile Fassbinder die eigene Selbstwahrnehmung in seine Protagonisten projiziert. Die Verkörperung der Hauptrolle durch ihn selbst erscheint vor diesem Hintergrund in einem neuen Licht. Als Autorenfilmemacher strebt Fassbinder wie Chabrol, dem er seinen Erstling widmet, eine 'gesellschaftliche Veränderung' (Fassbinder) an. Die kargen, strengen Bilder der Münchner Unterwelt, die spartanische Ausstattung, die extrem langen Kameraeinstellungen sowie die automatenhaft wirkenden Darsteller, die anders als bei Bresson und Straub/Huillet allesamt Profis sind, wirken vor diesem Hintergrund als das sensibel beobachtete Porträt einer ganzen Generation. Der Film wirkt in seiner Machart kühl, weil er eine emotionslose Welt zum Thema hat. 'Liebe ist kälter als der Tod'.

Andererseits kann und muss die eigenwillige Ästhetik Fassbinders als vom Inhalt losgelöst betrachtet werden. Wie Staub/Huillet, Chantal Akerman und andere strukturale Filmemacher der 1960er und 1970er Jahre - zu diesen gehören später auch Rohmer und Jean-Luc Godard - strebt auch er mit "Liebe ist kälter als der Tod" eine Eigenwertigkeit der filmischen Form an. Die Kamera und Lichtführung, die Ausstattung, das Spiel der Darsteller haben vor diesem Hintergrund keinen funktionalen Grund, sondern werden als formale Elemente als solche im besten Sinne sichtbar. 'Das ist nicht Blut, das ist Rot', mit diesem berühmten Ausspruch Godards lässt sich diese ästhetische Maxime am besten fassen. François Truffaut nannte das noch schlichter 'Kinowahrheit'.
Willy Flemmer, Filmreporter.de
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Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum
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2024