NFP marketing & distribution
Arschkalt

Arschkalt

Originaltitel
Arschkalt
Regie
André Erkau
Darsteller
Johan Gerdts, Nina Kaiser, Anouk Bödeker, Mira Partecke, Heinz Lieven, Peter Franke
Kinostart:
Deutschland, am 21.07.2011 bei NFP marketing & distribution
Genre
Komödie
Land
Deutschland
Jahr
2011
FSK
ab 0 Jahren
Länge
88 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
6,0 (Filmreporter)
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Konventionelles Feel-Good-Movie mit Herbert Knaup
Berg (Herbert Knaup) war einst Firmenbesitzer und glücklich verheiratet. Doch ehe er sich versah, ist ihm alles aus den Händen geglitten. Die Firma seines Vaters hat er heruntergewirtschaftet und auch seine Beziehung ging irgendwann in die Brüche. Nun verdingt er sich als Lieferant von Tiefkühlkost-Produkten - mit der Außenwelt Welt möchte er nichts mehr zu tun haben. Wie die gefrorenen Fische, die er ausliefert, hat auch er seine Emotionen eingefroren. Nur so glaubt er, vor Enttäuschungen des Lebens geschützt zu sein.

Als er einen neuen Kollegen zugeteilt bekommt, gerät seine Lebensstrategie ins Wanken. Moerer (Johannes Allmeier) ist zwar ein etwas naiver und tollpatschiger junger Mann, doch seine liebenswerte Art und lebensfrohe Natur machen auf den griesgrämigen Berg zunehmend Eindruck. Allmählich taut er auf. Als sich mit seiner neuen Vorgesetzten Lieke (Elke Winkens) die Chance für eine neue Liebe auftut, muss er nur noch zupacken.
Mit "Arschkalt" ist André Erkau sicherlich kein bahnbrechender Film gelungen, dennoch ist sein Film eine solide Tragikomödie, die sämtliche Register eines Feel-Good-Movies zieht. Das Muster eines griesgrämigen Charakters, der auf einen trotz erlebter Enttäuschungen lebenslustigen Konterpart stößt und durch diesen wieder ins Leben zurückfindet ist bereits tausendfach erzählt worden - am schönsten wohl von Hal Ashby in "Harold und Maude". Und doch ist der Stoff immer wieder für berührende Geschichten gut. Auch in Erkaus zweitem Spielfilm geht das Konzept streckenweise auf, auch wenn sein Film nicht besonders hohe Wellen schlägt, allzu harmlos daherkommt und zu risikolos konventionellen Erzählmustern nacheifert.

Die Charakterisierung der Figuren bildet nur bedingt eine Ausnahme. Lediglich in der Anlage der Hauptfigur bleibt Erkau im positiven Sinne diffus und zweideutig. Herbert Knaup mimt auf überzeugende Weise zwischen Melancholie und leiser Ironie changierend einen Charakter, der ein vom Leben enttäuschter Mensch ist. Die Beziehung zu seiner Frau scheiterte, das Familienunternehmen wirtschaftete er in den Ruin, sodass er sich seit einigen Jahren als Lieferant für Tiefkühlkost-Produkte verdingt. Um sich gegen weitere Enttäuschungen zu schützen, verschießt er sich gegen die Außenwelt. Keine Erfahrung, keine Reibung am Leben, keine weiteren seelischen Verletzungen. Vielleicht ein wenig zu eindeutig und inflationär setzt Erkau dabei auf die Analogie gefrorener Lebensmittel als Metapher für die Lebenseinstellung Bergs. In gefrorenem Zustand ist die Haut eines Fisches, heißt es an einer Stelle, nahezu undurchdringbar. Der perfekte Schutzpanzer für einen Organismus also. Nur allmählich erkennt Berg, dass auch er zwar ein von Umwelteinflüssen geschütztes Wesen ist, gleichzeitig aber auch eines, an dem das Leben vorbei läuft.

Eine Stufe komplexer wird die Figur Bergs, als Erkau an ihr nicht nur ein Klagelied über die Kompliziertheit des Lebens anstimmt, sondern im nächsten Schritt auch einen Diskurs über die Zeit und die Vergänglichkeit des Menschen. Berg ist nicht nur ein psychisch fragiler Mensch, sondern jemand, der sich allmählich seiner Stellung im Weltganzen bewusst wird. Auch für diese - um es ganz banal zu sagen - Midlife-Crisis seines Protagonisten führt Erkau eine dramaturgische Spiegelung in Gestalt einer weiteren Figur ein. Durch seinen Vater, der alters- und krankheitsbedingt sich mit immer größeren Schritten dem Tode nähert, wird Berg allzu schmerzhaft auch mit seiner Vergänglichkeit konfrontiert.

Im Vergleich zu ihm sind die beiden anderen Figuren des Dreigespanns deutlich plakativer und unausgegorener gezeichnet. Sowohl Moerer als auch Lieke sind keinesfalls die starken und lebensfrohen Naturen, als die sie sich geben. Auch sie tragen ein Kreuz. Moerer steckt bis über beide Schultern in Schulden, bei Lieke wird die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen angedeutet; zu allem Überfluss verliert sie auch noch ihren Job. Auch wenn beide Figuren durchaus ihren Reiz haben - vor allem Moerer übt durch den Zwiespalt seiner inneren Verletzung und der zur Schau getragenen Einstellung ganz nach dem Hemingway'schen Motto "das Leben ist trotz allem schön " eine gewisse Faszination aus - kranken sie letztlich an der mangelhaften Darstellung ihres sozialen Hintergrunds und ihres Problemumfeldes. Sie bleiben blass und können den Zuschauer nicht für sich gewinnen.

Formal ist "Arschkalt" äußerst adaptiv. Vor allem zu Beginn, als Berg in seiner Schwermut zu versinken droht, sind die Bilder unterkühlt und eisig. Vielleicht sind sie ein wenig zu kühl, ihr bläulicher Grundton erinnert zuweilen allzu sehr an die Ästhetik von Werbespotts. Auch die musikalische Begleitung, die die Bilder zusammenhält und ihnen etwas zu aufdringlich einen elegischen Charakter gibt, erinnert an den längst ausgeleierten pathetischen und pseudo-poetischen Soundteppich etlicher Fernsehserien. Das gilt zum Teil auch für die zahlreichen Montagesequenzen. Andererseits wird der Film durch ihre Zeiten und Räume zusammenziehende Funktion auf eine angenehme Weise auflockert. Zudem ist das filmische Mittel der Wahl noch immer die perfekte formale Strategie für den komischen Effekt. Auch "Arschkalt" entfaltet in diesen Momenten seine Komik am besten.
Willy Flemmer, Filmreporter.de
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2024