Academy of Motion Picture Arts and Sciences
Die goldene Oscarstatuete aus dem Jahr 2004
Vom Elitären zum Publikumsmagnet
Feature: Die Macht der Studios
Die Oscarverleihung gehört zu den glamourösesten Veranstaltungen der Filmbranche. Doch die eigentlichen Bestrebungen der Gründungsväter der "Academy of Motion Picture Arts and Sciences" waren ganz andere. Die Studiobosse wollten mit dem Filmpreis ihre Machtposition sichern.
erschienen am 28. 01. 2007
Academy of Motion Picture Arts and Sciences
Oscarplakat 2007
Ende der 1920er Jahre muss die Filmindustrie aufgrund des Radios und anderer Gründe erstmals einen enormen Zuschauerschwund hinnehmen. Auch der aufgekommene Tonfilm vermag es nicht, die Massen wieder in die Lichtspielhäuser locken. Besonders die Leiter der großen Filmstudios haben es nicht leicht. Durch die Bildung von Gewerkschaften konnten sie sich nicht mehr selbst mit Rekordsummen belohnen und ihre Arbeiter mit Hungerlöhnen abspeisen. Zudem waren die Studios zunehmend in Streitereien mit der Zensurbehörde verwickelt.

Für MGM-Boss Louis B. Mayer ist klar: Es muss etwas passieren! Auf seine Initiative hin treffen sich am 11. Januar 1927 im Ambassador Hotel von Los Angeles die 33 Gründungsmitglieder der "Academy of Motion Picture Arts and Sciences". Dem elitären Kreis gehören Berühmtheiten wie Douglas Fairbanks, Mary Pickford oder Cecil B. DeMille an. Wegen der stärker werdenden Gewerkschaften und der damit verbundenen Forderung der Kreativen nach mehr Lohn und künstlerischer Freiheit, will er durch die scheinbare Neutralität der Akademie, die Macht der Studiobosse nachhaltig sichern. Die Akademie soll die Gewerkschaften und die Zensoren im Zaum halten und sich um weitere Belange rund um die Filmindustrie kümmern. Von einem Preis für schauspielerische oder sonstige Leistungen ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Rede.
Academy of Motion Picture Arts and Sciences
Plakat der 74. Oscar-Verleihung
Am 11. Mai 1927 wird das erste große Bankett der Akademie im Hollywood Roosevelt Hotel abgehalten. Die 250 geladenen Gäste treten der gerade gegründeten Institution bei. Mayer verabschiedete eine von seinen Anwälten sorgsam ausgearbeitete Satzung. Darin wird auch von einem Filmpreis gesprochen. Noch am gleichen Abend entwirft MGM-Art-Direktor Cedric Gibbons erste Skizzen auf einer Serviette. Bis Ende des Jahres 1928 nimmt der Preis seine heutige Form an: Ein goldener Ritter, der auf einer Filmrolle steht. Die erste Verleihung findet am 16. Mai 1929 im Blossom Room des Roosevelt Hotels statt. 270 Gäste komen und bezahlen einen Ticketpreis von fünf Dollar. Anders als bei den heutigen Zeremonien wird hier für keine Spannung gesorgt. Bereits im Vorfeld werden die zwölf Gewinner in der Los Angeles Times bekannt gegeben. Als erster und bisher einziger Deutscher wird Emil Jannings als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet. Der unter dem Namen "Academy Award of Merit" benannte Preis stößt auf keine große Gegenliebe. So sagte die erste beste Schauspielerin Janet Gaynor einige Jahre später: "Über die Begegnung mit Douglas Fairbanks habe ich mich damals viel mehr gefreut als über diesen seltsamen Preis."

Die noch familiäre Veranstaltung bekommt 1930 erstmals mehr Aufmerksamkeit als die Verleihung im Radio übertragen wurde. 1934 wird der Name des Preises in "Oscar" geändert. Erst 1941 kommt den Produzenten die Idee, die Gewinner erst während der Veranstaltung bekannt zu geben. Seitdem sind die Namen der Preisträger in versiegelten Umschlägen. Außer den Notaren der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers weiß bis zur Verleihung niemand, wer gewonnen hat. Dieser Spannungsfaktor und die Tatsache, dass immer mehr Mitglieder der Akademie das Stimmrecht besitzen, machen die Oscars immer bedeutender. Am 19. März 1953 wird ein weiterer Schritt in Richtung glamouröse Veranstaltung getätigt. Der TV-Sender NBC überträgt die von Bob Hope moderierte Zeremonie live in zahlreiche amerikanische TV-Haushalte. Endlich können die Zuschauer ihre Stars sehen und müssen nicht mehr den Dankesreden am Radio lauschen. Gleichzeitig wird durch die gezeigten Filmausschnitte gute Werbung gemacht. Die Verleihung wandelt sich somit über die Jahre von einem kleinen Industrie-Happening zu der heutigen publikumswirksamen Show. Der Oscar ist für die Filmschaffenden gleichbedeutend mit Ruhm, Prestige und Aussicht auf gut dotierte Engagements. Die Studiobosse freuen sich nach jeder Auszeichnung über die Umsatzsteigerungen an den Kinokassen, bei DVD- und Merchandisingverkäufen.
erschienen am 28. Januar 2007
2024