News: Festivalticker
Senator Film Verleih
Beim Dreh von "Die geliebten Schwestern"
"Die geliebten Schwestern" und "Monuments Men" auf der Berlinale
Dominik Grafs und George Clooneys Zeitfilme
Mit Dominik Grafs Liebesdrama "Die geliebten Schwestern" über eine Dreiecksbeziehung um den Dichter Friedrich Schiller ist am vergangenen Samstag, den 8. Februar 2014 der zweite deutsche Film im Wettbeweb der Berliner Filmfestspiele gestartet. Wärhend der Regisseur sich auf furiose Weise in ein wichtiges Kaptitel deutscher Kulturgeschichte vertieft, dient der Zweite Weltkrieg George Clooney in "Monuments Men - Ungewöhnliche Helden" lediglich als Folie für ein pathosgeschwängertes Helden-Rührstück.
10. Feb 2014: Es dreht sich alles in Grafs "Die geliebten Schwestern" um Friedrich Schiller, und doch ist der deutsche Dichterfürst nicht das Zentrum des Kostümdramas. Die Geschichte beginnt im Sommer 1788 im thüringischen Rudolstadt. Charlotte von Lengefeld (Henriette Confurius) wird zu ihrer Tante Frau von Stein (Maja Maranow) geschickt, wo sie zu einer Dame von Welt erzogen werden und durch Heirat mit einer guten Partie den sozialen Abstieg der Familie abwenden soll. Wie das geht, hat ihre ältere Schwester Caroline (Hannah Herzsprung) bereits vor fünf Jahren vorgemacht, als sie die Ehe mit einem Adel einging. Seit dem kann die Familie immerhin ein Flügel ihres einstigen Anwesens bewohnen und sich eine handvoll Bedienstete leisten.

Statt sich für einen Adel zu entscheiden, verliebt sich Lollo, zum Ärger ihrer Mutter (wunderbar: Claudia Messner), ausgerechnet in den bürgerlichen und dazu mittellosen Intellektuellen Friedrich Schiller (Florian Stetter), der gerade mit seinem Drama "Räuber" die Theaterwelt erschüttert hat und seither als Aufrührer gilt. Auch Line findet an dem charismatischen jungen Mann Gefallen und so wagen die drei eine Dreiecksbeziehung, die sie vor der Welt geheim halten. Selbst als Lollo mit Schiller die Ehe eingeht, halten sie misstrauisch beäugte Verhältnis aufrecht. Spannungen entstehen erst, als Line schwanger wird. Plötzlich steht der Vorwurf im Raum, Geheimnisse voreinander gehabt zu haben - trotz des Schwurs, alles miteinander zu teilen.

Er habe einen Film über Worte machen wollen, verriet Graf im Presseheft, und gesprochene sowie geschriebenen Worte sind es denn auch, die sein Drama dominieren. Wenn in "Die geliebten Schwestern" nicht unentwegt geredet wird, wobei sich der direkten Rede der Protagonisten die Stimme eines Erzählers aus dem Off zugesellt, dann wird geschrieben und gelesen. Selten hat das Kino einen Film hervorgebracht, in dem der briefliche Austausch, das Verfassen und das Lesen, das Aushändigen und Empfangen, das Versiegeln, Auspacken und Verschnüren von Briefen Bild und Erzählung derart dominiert haben.

Und wer hätte gedacht, dass das Schreiben und das Lesen derart filmisch umgesetzt werden können? Graf lässt sich einiges einfallen, um diesen Akten formal gerecht zu werden. Er belässt es nicht beim einfachen Zeigen einer schreibenden Hand und einer lesenden Person. Das Geschriebene und Gelesene ertönt mal im Off, dann sprechen die Figuren in die Kamera oder Graf positioniert sie so zueinander, als würden sie sich in selben Raum befinden. Einmal mehr erweist sich der Filmemacher dabei als Meister der zügigen Erzählens. Das Tempo, das Graf anschlägt, um Zeiten und Räume mittels Montagesequenzen zusammenzuziehen, die Bewegung der Kamera, die für ihn typischen Reißschwenks, die schnellen Szenenwechseln, haben nicht nur einen zum Dargestellten anachronistischen Charakter. Sie verleihen dem Film auch eine Dynamik, dass einem beim Zuschauen schier schwindlig wird - aber auch Bewunderung für die verspielte Virtuosität des Regisseurs weckt.

Ebendiese Virtuosität ist immer Grafs größtes Manko gewesen. Die Vielfalt der formalen Mittel und das überbordende Erzählen sprengten seine Filme oftmals, stellten sich der Geschichte in den Weg, legten sich wie ein Schleier über die Figuren. Im Kopf des Zuschauers blieb nicht selten Chaos, Ratlosigkeit und der Vorwurf zurück, da stelle sich ein Regisseur intellektuell über seine Zuschauer. Man beachte vor diesem Hintergrund die Vorwürfe, die sich Graf gefallen lassen musste, als er die "Tatort"-Episode "Aus der Tiefe der Zeit" vorlegte.

Bei "Die geliebten Schwestern" ist dies nicht der Fall. Auch weil sich Graf vergleichsweise merklich zugunsten seiner Figuren und dem, was sie bewegt, zurückgenommen hat. So sehr für ihn die Träger von Gefühlen, die Worte und Briefe, wichtig sind, so sehr geht es ihm auch um die Gefühle selbst. "Die geliebten Schwestern" ist ein Film über starke und kluge Frauen, die nicht nur intensiv empfinden, sondern sich auch mit aller Hingabe in Gefühle stürzen, die dafür kämpfen und dafür auch im besten Sinne intrigieren. Auch darüber handelt der Film: Über die Berechnung zugunsten des Gefühls. In diesem Punkt erweisen sich die Frauen als wahre Meisterinnen. Die Männer, die großen Denker jener Zeit, stehen in diesem Schlachtfeld am Rande. Schiller, sagt er selbst im Film, ist für das praktische Leben ungeeignet. Und Goethe? Auch er spielt im Film eine Rolle. Wie Graf den zweiten Großen der deutschen Klassik ins Bild setzt oder vielmehr: ihn nicht ins Bild setzt, ist schlicht und einfach großes Kino.

Die Festivalversion von "Die geliebten Schwestern" beträgt 170 Minuten - und ist doch keine Minute zu lang. Bringt man Geduld und Bereitschaft mit, sich auf die Sprache der Fuguren und die des Regisseurs einzulassen, wird man mit einem meisterhaften Film belohnt. Ganz anders dagegen George Clooneys Geschichtslektion. Ausgehend von wahren Begebenheiten, handelt sein "Monuments Men" von einer Sonderheinheit des britischen und US-Militärs, die während des Zweiten Weltkrieges die Aufgabe zugeteilt bekommt, von den Nazis gestohlene Kunst aufzusprüren, zu sichern und möglichst an ihren Ursprungsort zurückzuführen. Keine Frage, die Leistung dieser Männer war 'monumental' und für Kunst und Kultur von unschätzbarem Wert. Doch in Clooneys Händen verkommt der Stoff zu einer unerträglich pathetischen Herldenverehrung.

Der Schauspieler-Regisseur wird nicht müde, auf das Große der Leistung dieser Männer hinzuweisen. Sie werden zu Helden stilisiert, noch bevor sie überhaupt das erste Kunstwerk ausfindig machen. Sie sind Gebeutelte eines grausamen Krieges, doch wo in diesem Film ist die behauptete Grausamkeit des Krieges? Clooney zeigt seine Experten in Tainingscamps, wo herzlich über ihre militärische Unzulänglichkeit gelacht werden kann (überhaupt gibt es hier viel zu viele comic reliefs). Der Kontakt mit dem Feind findet in einem Park statt, wo zusammen geraucht wird und in einer Schlacht werden sie von einem Kind beschossen.

Clooney dreht sich in seiner fünften Regiearbeit vor allem ums Kino und schwälgt in Zitaten. Es finden Anspielungen auf Steven Spielbergs "Gefährten" und "Der Soldat James Ryan" sowie auf Steven Soderberghs "Ocean's"-Trilogie statt, während die naiv-unschuldige Erzählweise an das Kino der 1940er Jahre erinnert. Natürlich dürfen bei solchen Referenz-Mätzchen auch Anspielungen auf Clooneys Haare, Aussehen und Alter nicht fehlen. Demut gegenüber der Geschichte und ihren Gestaltern sucht man dagegen vergebens. Und als reichte es nicht, dass Clooney ausgiebig vor den 'monuments Men' auf die Knie fällt, lässt er diese immer wieder selbst über ihre große Leistung reden. Respektbekundung sieht anders aus.
Weiterführende Infos
Stars
Steven Soderbergh Steven Spielberg Florian Stetter Claudia Messner Hannah Herzsprung Maja Maranow Henriette Confurius George Clooney Friedrich Schiller Dominik Graf
2024