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Filmkritik zu Die Klasse - 26.01.2009 23:03

Es verwundert, dass statt des nichtssagenden "Die Klasse" nicht der französische Titel "Entre les murs" übersetzt wurde. Er könnte viel besser zeigen, welche Mauern zu überwinden wären, um unterprivilegierten bildungsfernen Kindern Chancen zu geben. Beeindruckend das Mädchen, das am Ende nach aller verlogenen Zensuren-Hype erkennt, dass es objektiv betrachtet gar nichts gelernt hat, trotz aller oder gerade wegen der Selbsttäuschung innerhalb eines Schulsystems, das sich die Mauern aufbaut, die es einzureißen vorgibt. Zwischen welchen Mauern würde es sich nach Abschluss seines Collège wiederfinden? Ein Pflichtfilm für alle Gesamtschul-Sozialoptimisten! Das Thema "Mauern" ist auch filmisch hervorragend umgesetzt - darüber konnte man schon genug lesen. (Ich habe mich gerade an die Romanvorlage gemacht, bin sehr gespannt ...) Fazit: Beste französische Sozialanalyse seit "La Haine"


Filmkritik zu Die große Reise - 20.06.2008 17:25

5000 km in einem alten Peugeot von Frankreich nach Mekka; quer durch Europa und den Orient: Italien, Balkan, Kleinasien, Türkei, Arabien. Ein Abenteuer für einen 18-jährigen? Nicht, wenn auf dem Beifahrersitz der erzkonservative marokkanische Vater sitzt, der Réda mitten aus dem Abitur reißt, bloß weil er den einzigen Führerschein der Familie besitzt und schon auf der ersten Etappe dessen Handy in eine Autobahnmülltonne entsorgt. Ein klassischer Vater-Sohn–Konflikt auf engstem Raum. Zwei Welten auf Konfrontationskurs gen Mekka. Die Welt Rédas ist geprägt durch Schule, Handy, französische Freundin, Führerschein. In der Familie aber herrschen noch patriarchalische Zustände. Durchaus typisch für die Situation der 3. Einwanderergeneration, in Frankreich wie bei uns. Sein Vater spricht nur arabisch, sein Tagesablauf ist durch die Gebetszeiten geregelt. Der Wille des Vaters ist Gesetz, Réda muss sich widerwillig beugen. So beschränkt sich die Kommunikation im Auto zunächst nur auf das Notwendige wie Essen, Trinken, Schlafen. Verständigung zwar, aber noch lange kein Verständnis. Der Konflikt ist programmiert, Sympathien des Zuschauers projizieren sich auf den Sohn, besonders, als der halsstarrige Alte auf der Autobahn fast einen schweren Unfall ausgelöst hätte. Unterwegs kreuzen merkwürdige Gestalten den Weg der Pilger: eine sprachlose Jugoslawin, ein geschwätziger Türke, ein Schwarzmarkthändler in Sofia, eine Bettlerin in Syrien und eine Trost spendende Bauchtänzerin. Immer wieder Anlässe für neue Reibereien und gegenseitiges Unverständnis. Trotz all dieser Abenteuer à la Roadmovie kommen beide ihrem geographischen Ziel immer näher. Der Weg führt vom Abend- ins Morgenland. Minarette, Muezzin, Schafherden - Réda taucht immer mehr in eine Kultur ein, die ihn befremdet, verunsichert. Gerade hier aber ist der Vater verwurzelt. Er handelt jetzt, und das nicht nur um ein Schaf, das am Rande der Piste rituell geschlachtet werden soll. Ein Kulturschock für den Zuschauer, doch Regisseur Ismaël Ferroukhi lässt das arme Tier rechtzeitig entkommen… Hinter Amman passiert es schließlich, dass der Generationskonflikt seinen Höhepunkt erreicht und beide ihren eigenen Weg zu suchen scheinen: Réda zurück nach Europa und sein Vater weiter nach Mekka. In der Wüste aber kommt es auch zur Versöhnung. Réda entwickelt Interesse für die Wurzeln seines Vaters, die auch die eigenen sind. Der Vater respektiert das Anderssein der jungen Generation. So wird der Titel des Films auch mehrdimensional. Die geographische Reise endet in Mekka. Mit Réda wird der europäische Kinobesucher in das geheimnisvolle Treiben der Pilger versetzt. Die religiöse Reise führt letztlich zur Selbstfindung. Réda kehrt als Sohn aus Mekka nach Marseille zurück. Er hat für sich den Konflikt gelöst, den in französischen Vorstädten wie deutschen Problemvierteln viele Jugendliche auszutragen haben. Trotz vermutlich kleinen Budgets und ernsten Themas ist Ismaël Ferroukhi mit seinem ersten Spielfilm ein auch unterhaltsamer Streifen gelungen, der wegen seiner Aktualität im Konflikt der Kulturen gerade auch in Deutschland ein breiteres Publikum verdient hätte. Cinéclub WHG


Filmkritik zu Das Fremde in mir - 20.06.2008 17:21

Tot wirkend und mit Erde bedeckt liegt eine junge Frau mitten im Wald; neben ihr umgestürzte Bäume. Ihr lebloses Gesicht spiegelt ihre Gefühlswelt der letzten Wochen wieder. Die Diagnose: Postnatale Depression, eine psychisch und hormonbedingte Krankheit. Es handelt sich um die 32-jährige Rebecca (Susanne Wolff), die in einem gefestigten sozialen Umfeld lebt, und keinerlei Gefühle für ihr neugeborenes Baby Lukas entwickeln kann. Ihr Mann Julian (Johann von Bülow) verbringt zunächst noch die meiste Zeit in seinem Büro und bekommt dadurch nur wenig von den Annäherungsschwierigkeiten zwischen Rebecca und Lukas mit. Auch Lore, die Mutter der Depressiven, lebt zur Zeit in Toronto und kann ihre Tochter vor Ort nicht unterstützen, wobei diese Hemmungen hat, über ihre Gefühle und Empfindungen zu sprechen. Die Situation spitzt sich zu, als Rebecca den Gedanken verspürt, ihren Sohn umbringen zu wollen; beim Baden taucht sie diesen unter Wasser, bevor sie merkt, dass sie ihn vor sich selbst schützen muss. Sie rennt in den Wald. Nach ihrem Suizidversuch wird sie psychologisch behandelt und vielseitig betreut. Klischeeartig haben alle gutmeinenden Helfer eine andere Erwartungshaltung gegenüber Rebecca und ihrer Krankheit. Ihr Psychiater ist ein älterer Herr, fast schon eine Vaterfigur. Oder auch die feministische Physiotherapeutin, die die Schuld für die Depression bei der egoistischen und rücksichtslosen Männerwelt sieht. Das typische Mutterbild taucht auf, als Lore plötzlich anreist, um ihrer Tochter Beistand zu leisten. Julians Schwester und dessen Vater hingegen haben keinerlei Verständnis für die Probleme der jungen Frau, da sie das eingefleischte Bild der ausnahmslosen Mutterliebe haben. Die Beziehung zwischen Julian und Rebecca bricht trotz guten Willens beider auseinander; Kommunikation ist noch weniger möglich. Entsprechend kurz sind auch die Dialoge, eine Lücke, die vor allem Susanne Wolff durch sehr gute schauspielerische Leistungen ausfüllt. Auf die Hintergrundmusik, die sonst interpretiert, wird fast komplett verzichtet. Unmittelbare, oft mobile Führung der Kamera mit Großaufnahmen auf die Mimik der Protagonistin übernehmen die Orientation des Zuschauers. Der Film spricht ein Thema an, das in unserer Gesellschaft taburisiert ist, obwohl jeder von uns sich im Klaren darüber sein sollte, dass die Krankheit jede Frau treffen kann, unabhängig von sozialer Herkunft und Abstammung. Zehn bis zwanzig Prozent der Mütter in Deutschland spüren „das Fremde“ in sich, ein fremdes Kind und fremde Gefühle… Daniel Muscheid, Janice Thelen (Werner-Heisenberg-Gymnasium Neuwied)


Filmkritik zu Neulich in Belgien - 20.06.2008 17:15

Aanrijding in Moscou – Was ist Glück? Das Leben von Matty ist nun wahrlich kein Zuckerschlecken. Die 43-jährige Frau lebt getrennt mit drei Kindern und droht im Alltagstrott zu versinken. Ihr sehnlichster Wunsch, die Rückkehr in ein normales Leben, erweist sich jedoch als ein großer Hindernisparcours, der sich das Leben nennt. Nach einem Zusammenstoß mit einem LKW auf dem Supermarktparkplatz nimmt Johnny, der Fahrer des LKW einen wichtigen Platz in Mattys Leben ein. Zunächst abweisend versucht sie Johnny, den 14 Jahre jüngeren Verehrer und ihre Gefühle zu ignorieren, zumal sie für Werner, ihren fast Ex -Mann, immer noch etwas empfindet. Das Chaos wird perfekt als Johnny und Werner, der sich ebenfalls wieder für seine Frau interessiert, gemeinsam mit der gesamten Familie am Küchentisch zu Mittag essen und sich ein lautstarkes Wortgefecht liefern. Das ganze findet seine Krönung als nun auch die ältere Tochter anstatt des erwarteten Freundes eine Freundin präsentiert. Und zwischen all dem steht immer noch Matty, die alle Geschmäcke, des Lebens wie der Blutwurst, mit Senf zu verdrängen versucht und immer noch nicht den Ausweg aus ihrem faden Leben gefunden hat. Sie steht zwischen nostalgischer Vergangenheit und ungewisser Zukunft, zwischen Werner, der ein halbes Jahr mit einer seiner Studentinnen zusammen lebte und Johnny, dem Cowboy mit krimineller Vergangenheit. Durch den jungen Johnny gewinnt die ausgelaugte Mutter wieder an Selbstvertrauen und wird innerlich auch selbst jünger, sei es nun in Form neuer knallroter Schuhe oder spontanem Sex im Fahrerhaus des Lkws. Doch auch Johnny schafft es nicht alle Beulen und Kratzer von Matty zu beseitigen, denn auch er kann sich hinter der Fassade des italienischen Charmeurs nicht verstecken, der Matty mit seiner Italienromantik zu verführen versucht. Denn dieser Film ist das Leben, das Leben, wie es ist. Mit seinen Illusionen und Desillusionen, denn nichts ist Fake, das Leben ist echt. Dafür reichen dem Film Alltagsplätze, wie man sie überall findet und Dialoge, die natürlich und tief zugleich sind. So schafft es Matty, Johnny nach dem Unfall knallhart als im „toten Winkel“ lebend zu charakterisieren. Der Film überzeugt durch das glaubhaft dargestellte Leben kleiner Leute und seine oft groteske Situationskomik. Denn das Leben ist kein vorhersagbares Tarotspiel, sondern ein Spiel mit verdecktem Blatt. Janice Thelen, Anaïs Jaenisch (Werner-Heisenberg-Gymnasium Neuwied)


Filmkritik zu Snow - 20.06.2008 17:11

Abgeschieden von der Zivilisation, in einem kleinen Dorf, sitzt eine alte Frau in einem Zimmer und zerschneidet Stoffreste. Ruinen, notdürftig geflickte Häuser, eine eingestürzte Moschee und zerrissene Beziehungen; Kinder ohne Eltern, Frauen ohne Männer: Nachkriegszeit in Bosnien. Eine Gratwanderung zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Erinnerung und Realität: Die Protagonistin Alma (Zana Marjanovic) hat ihren Mann durch den Krieg verloren und lebt bei ihrer Schwiegermutter, eine Kiste mit Gegenständen aus der Vorkriegszeit versteckt sie unter ihrem Bett. Dem Zuschauer werden hart arbeitende Frauen präsentiert, die ihre Existenz durch das Einmachen von Früchten und deren Verkauf sichern wollen. Eindrucksvolle Großaufnahmen der Gesichter zeigen Spannungen, die auf die Kriegserlebnisse zurückzuführen sind. Die alte Frau sitzt in ihrem Zimmer und arbeitet daran, die einzelnen Stoffstreifen miteinander zu verweben. Ein Hoffnungsschimmer kommt auf, als den Bewohnern, von einem Geschäftsmann und ausgerechnet einem Serben, angeboten wird, ihren Besitz zu verkaufen und ein neues Leben zu starten. Fragen beantworten, sich der eigenen Gefühle bewusst werden und Entscheidungen zu treffen; dies wird in diesem Film von den Protagonisten gefordert. Konflikte sind vorprogrammiert, da unterschiedliche Lebenspläne zusammenprallen. Die Zuspitzung tritt ein, als etwas zu melodramatisch inszeniert der Winter einbricht. Trotz vieler verschiedener Motive ist Aida Begic ein geschlossenes Ganzes gelungen: Ruinen und Blumen, Minenfelder und reiche Ernte, Heimat und Fremde, Feindschaft und Vergebung werden durch einfühlsam montierte Bilder verdeutlicht. Nur wenn man es schafft, die "Fetzen" der Vergangenheit zu bewältigen und neu zu ordnen, ist man bereit für eine bessere Zukunft. Das Werk der alten Frau ist fertig. Viele bunte Streifen sind zu einem Ganzen geworden; ein Kelim ist entstanden. Fünf Jahre Arbeit hat die Regisseurin investiert, um ihren Teppich zu weben, ein gelungenes Werk von einer starken Frauenhand, bei dem bei aller Farbenpracht nichts zufällig ist. Julia Hausmann und Janice Thelen (Werner-Heisenberg-Gymnasium Neuwied)

2024