Jean-François Martin/Ricore Text
Pablo Trapero, Martina Gusman
Leonera ist ein Ort des Transits
Interview: Pablo Trapero inhaftiert
Die 25-jährige Julia ermordet ihren Ehemann und wird dafür in einem argentinischen Gefängnis inhaftiert. Die Tat ist umso folgenreicher für ihr leben, da sie hochschwanger ist. Das Baby wird in der Haftanstalt geboren. Die Erziehung ist hier ein hindernisreicher Kampf. Im Gespräch schildert Regisseur Pablo Trapero seine Idee hinter dem Genre-Film "Leonera" und seine eigenen Erfahrungen mit dem gefangen sein. Mit im Gespräch sind auch die Hauptdarsteller Martina Gusman und Rodrigo Santoro.
erschienen am 2. 06. 2009
Jean-François Martin/Ricore Text
Martina Gusman
Ricore: Was bedeutet "Leonera"?

Pablo Trapero: Das Wort hat zwei Bedeutungen. Einerseits steht es für "Transit", für jene Zellen im Gefängnis, wo die Frauen untergebracht sind. Sie machen Witze mit den Männern in den Zellen gegenüber. Jene fünf Jahre, die Julia im Gefängnis verbringen muss, sind jedoch nur eine Zwischenstation. Das ist "Leonera". Die zweite Bedeutung steht nicht im Zusammenhang mit der Welt des Gefängnisses. Es ist der weibliche Löwe, ein Besitzergreifendes Wesen.

Ricore: "Leonera" ist ein Genre-Film. Sie haben bereits Erfahrungen auf diesem Gebiet…

Trapero: Als ich mit der Arbeit zu "Leonera" begonnen habe, dachte ich an Heldenepen. In diesem geht es jedoch um Liebe, um Kampf und die unterschiedlichen Generationen. Der Film konzentriert sich auf die Beziehung zwischen Mutter und Sohn. Das Wichtigste für Julia ist es, glücklich zu sein. Das ist die Aussage des Films.
Jean-François Martin/Ricore Text
Pablo Trapero
Ricore: Warum ist Tomás Plotinsky nicht mit nach Cannes gekommen?

Trapero: Tomás ist nicht unser Sohn. Viele glauben, das sei er. Sie glauben, dass Martina während der Dreharbeiten wirklich schwanger war.

Ricore: Warum hat Sie die Geschichte einer Mutter-Sohn Beziehung interessiert?

Trapero: "Familia rodante - Reisen auf argentinisch", den ich nach der Geburt unseres Sohnes gedreht habe, setzte sich auch schon mit diesem Thema auseinander. Ich wollte einen Film machen, der unterschiedliche Konzepte der Familie zeigt. Die Familie, in die man hineingeboren wird, in der man aufwächst und jene, die man selbst gründet. Ich drehte ja auch "Nacido y criado". Der Hauptdarsteller ist Santiago, der eine Familie gründet und Vater wird. Diesmal wollte ich eine Frau in den Mittelpunkt der Handlung stellen. Frauen und Mütter haben eine exklusive Bindung zu Kindern. Es war außergewöhnlich und sehr schwierig, diese Bindung darzustellen. Eine Beziehung zwischen Vater und Sohn ist ganz anders. Es ist genau das Gegenteil. Das war meine Idee. Ich wollte Martina als Hauptdarstellerin. Daher habe ich sie schon lange vorher gefragt, ob sie mit mir einen Film machen will. Unser erster Versuch war "Nacido y criado". Nach ein paar Jahren hat sie sich mit mir zusammengetan. Aber Martina kann sicher mehr dazu erzählen.

Martina Gusman: Ich arbeite schon seit meiner Kindheit als Schauspielerin. Mein Vater arbeitete in einer Theaterschule. Ich habe viel im Theater gemacht, aber nicht im Film. Als ich dann Film studierte, hab ich begonnen, auf der Produktionsseite zu arbeiten. Als ich Pablo kennenlernte, hat er mich quasi gezwungen, mit ihm etwas zu machen.
Jean-François Martin/Ricore Text
Martina Gusman und Rodrigo Santoro
Ricore: Wollten Sie mit Ihrem Film lateinamerikanische Gefängnisse anprangern?

Trapero: In erster Linie wollte ich mich auf die Liebesgeschichte konzertieren. Es gibt einen sehr wichtigen Satz in "Leonera": "Genieße diesen Platz, denn das ist nicht das Gefängnis." Ich denke, das Verhalten der Wärter verändert sich durch den Umgang mit Kindern. Bei unseren Recherchen bemerkten wir, dass in Gefängnissen mit Kindern eine ganz andere Atmosphäre herrschte. Die Wärter berücksichtigen beispielsweise bei der Unterdrückung eines Tumultes, ob Kinder anwesend sind. Der Film sollte keine Dokumentation über argentinische Gefängnisse sein. Er soll eine Debatte provozieren und eine Analyse sein. Wer die Bedingungen in den Gefängnissen anprangern will, kann das in anderen Medien besser machen. Aber ganz gleich - das Bild eines Gefängnisses wird nie positiv sein.

Ricore: Herr Santoro, Sie sind in nur sehr wenigen Szenen zu sehen. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?

Rodrigo Santoro: Sie haben recht, es sind sehr wenige Szenen. Aber ich hatte das Glück, einen sehr interessanten Charakter zu verkörpern. Er trägt eine große Last, einen großen Schmerz mit sich herum. Er musste sich zwischen seinem eigenen Leben entscheiden und jenem der Frau, die er liebte. Ramiro ist hin und her gerissen. Er lernt das Kind kennen und nimmt es wie sein Eigenes an. Diese wenigen Szenen waren eine wirkliche Herausforderung für mich. Die Beziehung zwischen Ramiro und Julia in so kurzer Zeit glaubhaft darzustellen, war sehr schwierig.
erschienen am 2. Juni 2009
Zum Thema
Löwenkäfig (Kinofilm)
Julia ist hochschwanger und gerade zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. In einer Mutter-Kind-Abteilung lernt sie Martha (Laura García) kennen, die ihr in jeder Lebenslage zur Seite steht. Pablo Traperos Gefängnisdrama beschäftigt sich mit der Situation werdender Mütter hinter Gittern. Den vielen Nahaufnahmen, der eindringlichen Bildersprache und der hervorragenden Mimik von Hauptdarstellerin Martina Gusman ist es zu verdanken, dass der Film nicht in der Masse vieler..
Rodrigo Santoro kommt am 22. August 1975 in der brasilianischen Stadt Petrópolis, nahe Rio de Janeiro zur Welt. In der Stadt am Zuckerhut studiert er an der Päpstlichen Katholischen Universität von Rio de Janeiro Marketing. Nebenher verfolgt er seine Leidenschaft: er tritt mit Straßentheatern der Millionenmetropole auf. Es folgen erste Fernsehrollen in brasilianischen Seifenopern. Für seinen zweiten Spielfilm "O Trapalhão e a Luz Azul" (1999) erhält Santoro zahlreiche Darstellerpreise...
2024