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Tim Roth
Tim Roths große Leidenschaft
Interview: Glück ohne Glamour
Tim Roth gehört zu jenen Schauspielern, die selten auf Festivals gehen, in Zeitschriften oder Talk-Shows zu sehen sind und nur manchmal in die Kinos gehen, um ihre eigenen Filme zu sehen. Tim Roth liest keine Kritiken, keine Reviews und keine Interviews - glücklicherweise gibt er welche. Er bringt seine Kinder in die Schule und wartet geduldig, bis diese ins College gehen, um sich wieder der Regiearbeit widmen zu können. Die Rolle des Bösewichts Abomination in "Der unglaubliche Hulk" nahm er eigentlich nur wegen seiner Kinder an. Warum, das erzählt er uns in einem entspannten Telefongespräch.
erschienen am 5. 07. 2008
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Tim Roth in einer Szene aus "Der unglaubliche Hulk"
Filmreporter.de: Hallo Mr. Roth, wie geht es Ihnen so früh am Morgen?

Tim Roth: Danke, es geht mir gut.

Filmreporter.de: Es ist sehr früh in Los Angeles nicht wahr?

Roth: Ja, ich habe gerade meine Kinder für die Schule fertig gemacht.

Filmreporter.de: Sind Sie eher ein Frühaufsteher oder schlafen Sie auch mal bis spät am Nachmittag?

Roth: Ich mag es eigentlich gar nicht, so früh aufzustehen. Das ist keine gute Eigenschaft für einen Schauspieler, da man sehr oft sehr früh aufstehen muss.

Filmreporter.de: Es sieht so aus, als würden Sie durchgehend arbeiten. Hierzulande starten im Sommer (2008) drei Filme mit Ihnen in der Hauptrolle. Woher nehmen Sie die Kraft, so viel zu arbeiten?

Roth: Manchmal arbeitet man als Schauspieler lange Zeit gar nicht. Derzeit arbeite ich allerdings wieder an mehreren Filmen, die Ende dieses Jahres beendet sein dürften. Und dann habe ich hoffentlich wieder eine Pause. Ich meine, das ist ja meine Arbeit und aus welchen Gründen auch immer, mache ich sie sehr gerne.
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Funny Games
Filmreporter.de: An welchem Projekt arbeiten Sie derzeit?

Roth: Genaugenommen drehe ich derzeit eine Adaption von Jack Londons "Der Seewolf".

Filmreporter.de: Sie haben vor kurzem mit Michael Haneke an "Funny Games U.S." gearbeitet. Haben Sie das Original gesehen?

Roth: Ja, ich habe die erste Version tatsächlich gesehen. Zuvor las ich aber das Drehbuch und wollte daraufhin den Film gar nicht machen. Dann aber zwangen sie mich regelrecht, den Film anzusehen. Erst dann verstand ich, dass hinter dem Ganzen ein Konzept steht und ich einen Grund hatte, die Rolle zu übernehmen. Es ist ein sehr zwiespältiges und schwieriges Thema. Das Problem, das ich als Schauspieler mit dem Film hatte, war neben zahlreichen anderen Schwierigkeiten, eine Aufnahme nach der anderen zu machen. Als Schauspieler hat man sehr wenig Spielraum und man ist sehr unflexibel. Es war sehr schwierig, neue Dinge zu entdecken. Ich versuchte einen gewissen Familiensinn hineinzubringen. Die Familie hat ja eine starke Funktion im Film. Und ich hoffe, dass das Publikum dies bemerkt, bevor alle getötet werden.

Filmreporter.de: Glauben Sie, dass der Film in Amerika funktioniert?

Roth: Ich habe ihn nicht gesehen und kann deshalb auch nicht sagen, ob der Film beim Publikum ankommt oder nicht. Aber definitiv war es ein sehr, sehr schwieriger Film mit einem sehr unangenehmen Thema auch für mich. Lange Zeit wusste ich nicht, wie ich mit dem Thema umgehen sollte. Meine Phantasie reichte streckenweise dafür nicht aus. Wie das Publikum reagiert, kann ich aber nicht sagen, obwohl ich mir schon vorstellen kann, dass das Publikum ungern komplizierte und ungewöhnliche Filme ansieht. Und der Film behandelt in gewisser Weise ja ein neues und sehr ungewöhnliches Thema.
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George alias Tim Roth ist am Ende in "Funny Games U.S."
Filmreporter.de: Sie sehen sich Ihre Filme nie an?

Roth: Das vermeide ich meist. Aber ab und zu kommt es vor, dass ich mir die Filme, in denen ich mitspiele, ansehe. Vor allem dann, wenn ich muss. So habe ich beispielsweise Francis Ford Coppolas Film "Jugend ohne Jugend" gesehen. Ich war in einer Situation, wo ich dem nicht entkommen konnte. Ich werde mir auch "Der unglaubliche Hulk" ansehen, da ich diesen Film speziell für meine Kinder gemacht habe. Ich werde mir das Spektakel gemeinsam mit meinen Kindern im Kino ansehen. Ich hoffe, das wird lustig!

Filmreporter.de: Lesen Sie auch keine Kritiken Ihre Filme?

Roth: Nein, ich habe bestimmte Prinzipien. Ich lese keine meiner Interviews und auch keine Reviews, egal ob gut oder schlecht. Ich kümmere mich auch nicht um den Erfolg an den Kinokassen. Ich will nichts mit dem zu tun haben, und halte alles so weit wie möglich von mir und meiner Familie fern. Die Leute, die mit mir arbeiten, meine PR-Berater und Assistenten haben die strikte Anweisung, alles vor mir geheim zu halten und mir nichts mitzuteilen. Ich will mit dem nichts zu tun haben. So weiß ich auch nie, wie die Filme laufen und wie erfolgreich sie sind.

Filmreporter.de: Gibt es einen Grund dafür?

Roth: Ja, das alles hat nichts mit mir zu tun. Mir ist meine Arbeit sehr wichtig und die Dreharbeiten nehme ich sehr ernst. Aber wenn der Film fertig ist, habe ich nichts mehr mit dem Film zu tun. Weder wie er geschnitten oder vertont wird, noch wie er vom Publikum aufgenommen wird. Das ist nicht mehr meine Sache. Zu diesem Zeitpunkt habe ich meine Arbeit schon längst abgeschlossen!
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Jugend ohne Jugend (Youth Without Youth, 2007)
Filmreporter.de: Leben Sie mit diesem Grundsatz glücklicher als andere Hollywood-Schauspieler?

Roth: Ja, vielleicht. Früher habe ich alles gelesen und mich darum gekümmert. Aber schlussendlich machte mich das sehr traurig und depressiv. Irgendwann entschloss ich mich, damit aufzuhören. Das war sehr viel gesünder und hat mir wirklich sehr geholfen.

Filmreporter.de: Francis Ford Coppolas "Jugend ohne Jugend" ist sein erstes Werk nach zehn Jahren. Fühlten Sie sich geehrt, dass Sie die Hauptrolle spielten?

Roth: Ja natürlich, das war eine sehr außergewöhnliche Zeit. Er ist ein großartiger Regisseur. Aber sobald man zu arbeiten beginnt, vergisst man das Rundherum, Francis wollte auch nicht verehrt werden, er wollte nur ordentlich und hart mit uns arbeiten. Und wir machten diesen sehr seltsamen, komplizierten Film. Ich habe noch nie etwas Vergleichbares zuvor gemacht. Es war für uns alle ein Experiment. Ich habe auch nicht alles verstanden, aber ich denke, Francis behielt den Durchblick. Es ist auch ein Film über Francis und seine Gefühle, wie er zu jenem Moment dachte und lebte. Als Konsequenz ist es natürlich eine interessante Reise fürs Publikum.

Filmreporter.de: Nach Coppola kam "Der unglaubliche Hulk". Diese letzten drei Filme könnten unterschiedlicher nicht sein…

Roth: Ja, nicht wahr?

Filmreporter.de: Wie kam es zu diesen höchst unterschiedlichen Rollen?

Roth: Ich versuche immer, die Freude und das Interessante am Schauspielen aufrecht zu erhalten. Ich übe diesen Beruf nun schon seit rund 25 Jahren aus. Manchmal wird es dann natürlich langweilig. Was ich versuche, so unterschiedliche Rollen wie möglich zu erhalten, manchmal funktioniert es, manchmal eben nicht. Schlussendlich gebe ich natürlich immer das Beste.
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Der unglaubliche Hulk
Filmreporter.de: Bisher gingen sie kommerziellen Rollen eher aus dem Weg. Was inspirierte sie zu "Der unglaubliche Hulk"?

Roth: Ich habe diesen Film vor allem aufgrund meiner Kinder gemacht. Denn er ist so konzipiert, dass auch Kinder ins Kino gehen können. Viele meiner Filme sind natürlich nichts für meine Kinder, vor allem nicht für die jüngeren. Das war eine Möglichkeit, einen Film für sie zu machen. Und ich hoffe er gefällt ihnen. Wir hatten ja schließlich auch viel Spaß bei den Dreharbeiten, das war echt lustig, vor allem auch mit den Stunt-Männern. Ich wollte einfach wieder etwas Spaß bei der Arbeit haben und ich hoffe natürlich, dass der Film funktioniert.

Filmreporter.de: In "Der unglaubliche Hulk" spielen Sie einen Bösewicht. Gefällt Ihnen die dunkle Seite?

Roth: Ja, manchmal schon. Ich habe im Laufe meiner Karriere auch schon viele guten Jungs gespielt. Nur wird darüber nicht soviel geredet. Zwar identifizieren sich die Menschen besser mit den sogenannten "good guys", aber diese werden ebenso schnell wieder vergessen.

Filmreporter.de: Würden Sie gerne mal einen richtigen Superhelden spielen?

Roth: Das hängt davon ab. Was Robert Downey Jr. in "Iron Man" macht, ist unglaublich. Der Film funktioniert nur, weil er freie Hand über das Drehbuch hatte. Er konnte improvisieren und Änderungen durchsetzen und brachte seine eigene Persönlichkeit mit ein. Er hat das dafür nötige Charisma. Ich weiß nicht ob ich das tun könnte, ob ich soviel davon besitze. Robert hat eine außergewöhnliche Gabe. Mich zieht es eher in die Richtung von X-Men, Helden, die etwas düsterer sind, vielleicht…
Sony Pictures
Tim Roth in "Jugend ohne Jugend"
Filmreporter.de: Ihr Regiedebüt feierten Sie 1999. Möchten Sie auch weiterhin als Regisseur arbeiten?

Roth: Ja sehr gerne sogar. Aber nicht, solange meine Kinder noch zur Schule gehen. Wenn sie die High-School beendet haben und ins College gehen, dann können wir darüber reden. Dann hoffe ich, sehr viel und sehr oft als Regisseur arbeiten zu können.

Filmreporter.de: Sie sind seit 1993 glücklich verheiratet. Was ist das Geheimnis ihres Glücks?

Roth: Oh nein, da habe ich ein Copyright drauf, da gebe ich keine Antwort.

Filmreporter.de: Ein kleiner Tipp vielleicht?

Roth: Das wird dann aber teuer! Nein, ich halte mich ganz einfach aus all dem Hollywood-Geschwafel heraus. Das hilft.

Filmreporter.de: Vielen Dank Herr Roth für das nette Gespräch!
erschienen am 5. Juli 2008
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