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David Kross und Kate Winslet in "Der Vorleser"
Der Vorleser stellt wichtige Fragen
Interview: KZ-Wärterin ohne Schuld?
"Der Vorleser" ist einer der erfolgreichsten deutschen Romane. Autor Bernhard Schlink bricht mit der konventionellen deutschen Vergangenheitsbewältigung, dem klassischen Täter-Opfer-Muster über Schuld im Dritten Reich. Hauptfigur Hanna, eine ehemalige KZ-Aufseherin ist zugleich Täter und Opfer. Das Buch löste heftige Reaktionen aus. In Stephen Daldrys Verfilmung spielt Kate Winslet an der Seite von Ralph Fiennes und dem deutschen David Kross. Im Interview gab auch Autor Schlink Antworten auf unsere Fragen.
erschienen am 9. 02. 2009
Central Film
Stephen Daldry
Ricore: Wie war es für sie, Hanna zu spielen?

Kate Winslet: Hanna Schmitz zu spielen war ein sehr komplizierter Prozess. Ich spürte eine große Verantwortung und wollte dem Roman und dem Drehbuch gerecht werden. Ich fand es schwierig, das Gleichgewicht zu finden. Diese unglaubliche Scham, die sie empfindet, weil sie nicht lesen und schreiben kann. Das Schuldgefühl lernt sie erst später, während des Gerichtsprozesses und ihrer Zeit im Gefängnis. Das stellte für mich eine große Herausforderung dar. Auf der einen Seite hatte ich die Angst, dass es falsch wäre, sie menschlicher darzustellen. Doch ich musste sie auch als eine Frau spielen, die in der Lage ist, Wärme zu geben und Liebe zu empfinden. Ebenso musste ich ihre Verletzlichkeit zeigen und die Scham, die sie empfindet. Doch auch das gewisse Maß an Mut gehört zu der Figur.

Ricore: Waren die Liebesszenen mit David Kross schwierig? Er ist ja doch etwas jung.

Winslet: Die Liebesszenen mit David Kross waren überhaupt nicht schwierig. Es wird immer viel über sein Alter gesprochen. Er ist 18. Er ist ein junger Mann und sehr professionell. Ich denke, er spielt seine Rolle brillant. Für mich ging es nur darum sicherzustellen, dass David genau verstand, was passieren würde während wir diese Szenen drehten. Ich war früher selbst in der Situation, dass ich nicht wusste, wie das laufen würde. Wie viele Leute dabei sein würden während wir die Szene drehen. Doch das ist Teil unserer Arbeit. Und es ist ein sehr wichtiger Teil dieser Liebesgeschichte. Wir haben uns sehr amüsiert und zusammen gelacht.
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Kate Winslet
Ricore: Was sagen Sie zu Ihrer Oscar-Nominierung?

Winslet: Darüber bin ich sehr glücklich.

Ricore: Wie sehen Sie den Konflikt, in dem sich Michael befindet?

Ralph Fiennes: Er ist traumatisiert. Michael hat keinen Abstand zu seiner Exgeliebten, kann mit Hanna keinen Kontakt aufzunehmen. Es ist ein einseitiger Kontakt. Es geht darum, inwieweit er sie verurteilt, ob er sie versteht. Doch er möchte diese Intimität nicht. Er möchte nur den Kontakt beibehalten, wie sie das gehabt hatten, während sie ein Paar waren. Indem er vorgelesen hat. Er befindet sich in einem Konflikt. Er möchte keinen intimen Kontakt mit ihr haben, will sie jedoch auch nicht verlieren. Bernhard

Schlink: Es freut mich, dass man in Ralph Fiennes einen Schauspieler gefunden hat, der das, was ich gemeint habe, so gut versteht und so gut ausdrücken kann. Michael Berg ist genau in der Situation, die Ralph beschrieben hat. Er ist von der Beziehung traumatisiert. Er hängt an Hanna, kann nicht von ihr lassen. Da ist auch noch etwas von Liebe. Zugleich ist das, was passiert ist, für Michael so ein Schock, dass er sich ihr nicht in einer engen Kommunikation nähern möchte, nähern kann.
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David Kross
Ricore: David, fühlen Sie sich durch die Medien und den Schulunterricht adäquat über die NS-Zeit gut aufgeklärt? Welche Rollen können Filme dabei speilen?

David Kross: Wir haben das auf jeden Fall intensiv in der Schule behandelt. Ich finde auch, dass man das so beibehalten sollte. In Vorbereitung auf den Film habe ich mich natürlich noch intensiver mit dem Thema befasst. Ich habe eine Verantwortung für die Geschichte gespürt. Ich hoffe, dass viele Menschen aus meiner Generation sich diesen Film ansehen und darüber nachdenken.

Ricore: Empfinden Sie Nacktszenen noch genau so wie vor zehn Jahren?

Winslet: Man findet das nicht besonders gut, es ist kein Vergnügen, sondern Teil meiner Arbeit. Ich habe das Buch zufälligerweise vor sechs Jahren schon gelesen und war tief bewegt. Für mich ist das wirklich eine Liebesgeschichte. Die Intimität, die Hanna und Michael miteinander teilen, hatte Auswirkungen auf beider Leben. Deswegen war es wichtig, dass diese Szenen Teil des Films werden. Sie sind wie gesagt ein Teil meiner Arbeit, die erledigt werden muss.
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Der Vorleser
Ricore: Stört es sie, dass sie eine Rolle mit so viel Tiefe spielen und dann so oberflächlich auf den Titelseiten der Illustrierten gezeigt werden?

Winslet: Ich muss das so hinnehmen. Ich habe diese Zeitschriften nicht zuhause und nehme sie eigentlich nicht wahr. Die Schauspielerei stellt für mich eine so große Leidenschaft dar. Eine Leidenschaft, die ich mit klarem Verstand und offenem Herzen verfolgen möchte. Deshalb kann ich nicht lesen, was andere Leute darüber denken und schreiben. So funktioniere ich in diesem Umfeld.

Ricore: Wie nahe ist der Film an ihrer ursprünglichen Vorstellung?

Schlink: Man darf nicht erwarten, die eigenen Bilder, die man im Kopf hat, im Film wiederzufinden. Man findet im Film andere Bilder wieder. Bilder von Szenen, von Personen. Mit den Bildern in diesem Film bin ich sehr glücklich, sehr einverstanden. Über die Bücher, die Michael Hanna vorliest, haben wir viel geredet. David Hare, Stephen Daldry und ich. Wir sind dann zu der Liste gekommen, die Michael Hanna tatsächlich vorliest.
erschienen am 9. Februar 2009
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