Walt Disney Studios Motion Pictures Germany
Drache Hektor
Michael Mittermeier schizophren?
Interview: "Batman ist doch ein Loser!"
Michael Mittermeier wagt sich als Synchronsprecher auf Neuland. In "Hexe Lilli - Der Drache und das magische Buch" spricht er den kleinen Drachen Hektor. Aufgrund seiner Leidenschaft für Süßes, wird der dicke Hektor bei seinen Flugversuchen allzu oft auf den harten Boden der Realität zurückgeholt. Mittermeier sieht viele Parallelen zu dem grünen Kinohelden. In einem äußerst unterhaltsamen Gespräch legt der Comedian seine tiefgründigen Ansichten zu den wirklich wichtigen Problemen unserer Zeit dar. Außerdem gibt er uns die Antwort auf die Frage aller Fragen: Warum ist Batman eigentlich ein Loser?
erschienen am 20. 02. 2009
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Alina Freund und Michael Mittermeier
Ricore: Wie viel Mittermeier steckt in Drachen Hektor?

Michael Mittermeier: Da steckt einiges an Mittermeier drin. Zuerst einmal die Stimme, die ja sehr markant ist. Die krieg ich ja nicht weg, diese ewige Stimmbruch-Stimme. Dann habe ich mich bei den Tonaufnahmen natürlich viel bewegt. Ich wurde gefilmt und man hat versucht das einzufangen und in die Mimik von Hektor rüberzubringen. Ich glaube in der Seele von Hektor steckt etwas von mir drin. Aber auch in meiner Seele steckt ein kleiner Hektor.

Ricore: Sie sprachen über Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und Hektor. Können Sie das genauer erläutern?

Mittermeier: Wir sind beide sehr kindlich, naiv. Das bewahre ich mir übrigens bewusst. Wenn ich auf der Bühne stehe, hab ich keinen Bock zu denken "Heut muss ich das machen, ich muss die und die Quote erfüllen". Ich will Spaß haben auf der Bühne. Deshalb behalt ich mir das Kindliche. Hektor ist auch so einer. Kindlich-naiv, aber wenn's drauf ankommt, zack, ist er da. Ich kann auch gut gegen das Schienbein treten, verbal. Wie Hektor, wenn er dann doch fliegt und hilft. Das war übrigens die Crème de la Crème der Synchronisation, bei diesen Szenen hatten wir einen solchen Spaß. Ich glaube, alle, die vorbeigekommen sind, haben gedacht: "Die haben komplett Drogen genommen, der Mittermeier dreht jetzt durch". Aber das war auch eine Herausforderung, das zu sprechen. Am ersten Tag war ich nach einer Stunde heiser.
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Hexe Lilli - Der Drache und das magische Buch
Ricore: Wie spricht man eigentlich einen Drachen? Man kann ja nicht unbedingt auf eigene Erfahrungswerte zurückgreifen…

Mittermeier: Wir haben uns viel Mühe gegeben, dass er seine eigene Sprache entwickelt. Wir hingen nicht sklavisch am Drehbuch sondern haben Sätze überdacht. Es war schon schräg. Wir standen im Studio und einer sagte "Ein Drache würde so und so sprechen." Woraufhin jemand anders sagt "Nee! Das würde ein Drache niemals sagen! Den Satz, sagt kein Drache, vergiss es!" Das Projekt an sich hat mich gekickt.

Ricore: Haben Sie überlegt, bevor Sie das Projekt angenommen haben?

Mittermeier: Als erstes muss mir ein Projekt gefallen. Das ist mit allen Sachen so, die ich anfange. Ich bin auch die härteste Kritikersau von mir selbst. Die anderen Kritiker - alles Weichei-Gedöns. Ich bin derjenige, der mich am meisten peitscht. Ich weiß schon, wenn etwas echt schlecht war. Eine Sache muss vor mir bestehen. Wenn ich an etwas Spaß habe, dann haben auch die Leute Spaß. Bei Hektor hatte ich großen Spaß. Ich glaube das überträgt sich auch aufs Publikum.

Ricore: Wieso wollten Sie in einem Kinderfilm mitwirken?

Mittermeier: Bei der Anfrage habe ich schon gestutzt. Hexe Lilli? Ein Kinderbuch? Dann hieß es, dass Stefan Ruzowitzky Regie führen würde. Dazu muss ich sagen: Die Anfrage kam vor zwei Jahren. Es gab also kein "Boa, der hat 'nen Oscar gekriegt, jetzt sag ich da zu". Ich mochte Stefan als Regisseur damals schon sehr gern. Ich fand "Anatomie" großartig. Ich glaube, der Film setzte einen Standard in Deutschland, den sonst nur die Amis haben in Gruselfilmen. Ich mochte auch Stefans ersten Film. Ich finde "Die Siebtelbauern" grandios. Der ist in Deutschland gar nicht so bekannt, der Film lief mehr in Österreich. Als ich ihn gesehen habe, war ich völlig begeistert. Diese zwei Filme hatte ich im Kopf und dachte mir: "Wieso macht der Ruzowitzky einen Kinderfilm?" Das interessierte mich, ich traf mich mit Stefan und dem Produktionsteam. Er erzählte mir, dass er anfangs auch skeptisch war, doch seine Kinder hätten ihn überzeugt. Er wollte den Film aber anders machen. Keinen dödel-blöden Kinderdrachen, er sollte schon ein bisschen mehr haben, eine weitere Dimension. Stefan sagte mir, dass er gerne meine Bewegungen und meine Stimme im Drachen drin hätte. Das hat mich angemacht. Es sollte nie so ein flacher Kinderdrache sein sondern einer mit - sagen wir subversiven Strömungen, was auch ein älteres Publikum lustig findet.
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Drache Hektor
Ricore: Sie spielen im Juli wieder in Wien. Haben die Bayern einen ähnlichen Humor wie die Österreicher?

Mittermeier: Ich denke, dass die Bayern den Österreichern schon sehr nahe sind, allein was die Sprache betrifft. Ich mag den österreichischen Humor. Ich glaube, dass Stefan davon was in den Film hat einfließen lassen, alleine wenn man die Bildsprache sieht. Andererseits, das habe ich oft gesagt, sieht der Film für mich nicht deutsch aus. Dieser Film hat einen internationalen Standard. Vorhin sagte ein Journalist zu mir: "Ich hab den Film gesehen, der schaut überhaupt nicht deutsch aus". Da haben wir erreicht, was wir uns vorgenommen hatten. Doch zurück zum Humor. Im Film ist meiner Meinung nach auch Schwarzer Humor, also österreichischer Humor eingeflossen. Auch tiefgründiger Humor, wenn ich an die Szene in der Fabrik denke. Das hat echt Style.

Ricore: Verstehen Kinder diese Art von Humor?

Mittermeier: Man darf für Kinder keine einfachen, dämlichen Sachen machen. Wenn Erwachsene denken, mit Kindern infantil sprechen zu müssen, ihre Stimme zu verstellen und mit einem putzigen Bär um die Ecke zu kommen, dann haben die keine Ahnung. Die denken zu viel nach, wissen nicht, dass die Kinder den Bär auf dem letzten Kindergeburtstag gefesselt und im See versenkt haben. Mit Kindern kann man weiter gehen, als man glaubt. Sie verstehen, nehmen durchaus Nuancen wahr.

Ricore: Der böse Zauberer Hieronymus strebt in "Hexe Lilli" die Weltherrschaft an. Sie sagten ja auch einmal, Sie wären die bessere Angela Merkel. Wenn Sie die Weltherrschaft inne hätten, welche Probleme würden Sie zuerst angehen?

Mittermeier: Ich würde versuchen ein gutes Team von Politikern zusammenzustellen und dann schauen, wie man gemeinsam etwas ändern kann. Das ist auch eine Message des Films: Allein kannst du nichts ändern. Barack Obama kann allein auch nichts ändern, er braucht ein gutes Team um sich. Genauso eine Regierung in Deutschland. In "Hexe Lilli" tun sich die Kinder zusammen und gehen dann als Team den bösen Zauberer Hieronymus an. Das lässt sich auf die Politik wie auf alles andere übertragen. Miteinander statt gegeneinander. Obwohl ich auch ein Herz für Hieronymus habe.
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Knister, Michael Mittermeier und Alina Freund
Ricore: Sie finden Hieronymus sympathisch?

Mittermeier: Er ist zwar ein Böser, doch ich finde, er ist der geilste Zauberer seit Merlin. Er hat so was von einem Loser-Punk-Zauberer. Wenn Hieronymus Musik hören würde, es wäre etwas zwischen Punk und Ska. Dann aber doch mal eine kleine Ballade von Christina Aguilera. Eine kleine Träne. Ich finde Ingo Naujoks in dieser Rolle übrigens ganz toll.

Ricore: Was war das Lieblingskinderbuch von Michael Mittermeier?

Mittermeier: Puh, keine Ahnung. Ich hatte mal eine Phase, in der ich nur Gespensterbücher gelesen habe. Da war ich voll auf dem Gespenstertrip. Ich habe alles gelesen, wo nur das Wort Gespenst draufstand. Für das "Buschgespenst" von Karl May war ich allerdings viel zu jung, das verstand ich überhaupt nicht. Ich war generell eine Leseratte, habe "Fünf Freunde", "Drei ???", "Die Schwarze Sieben" gelesen. Alles, was es an Kinderabenteuerbüchern gab, habe ich verschlungen. Ich habe manchmal einen ganzen Tag nur mit Lesen verbracht. Als die "Hexe Lilli"-Bücher rauskamen, war ich natürlich zu alt dafür. Doch ich finde den Zugang, den Knister geschaffen hat, schön. Ein Normalo hat plötzlich die Kräfte. Aber nicht immer, sondern nur mit dem Zauberbuch. Das kann schief gehen und es kann wirklich was passieren. Es wäre langweilig, wenn sie die Wahnsinnshexe wär, die immer wenn was passiert ankommt mit "Hey, pass auf, ich bin die Checkerin. Ich kann ja hexen, alles easy".

Ricore: Wollten Sie als Kind auch die Welt retten, heldenhaft durch die Lüfte fliegen?

Mittermeier: Nein, mir hätte Batman schon gereicht. Der kann ja auch nicht fliegen, ist also eigentlich auch ein Loser. Das muss man an dieser Stelle mal sagen. Der Batman kann nicht fliegen, der braucht immer eine Schnur. Nein, Fliegen wär schon geil. Aber mir reicht auch ein Cape und eine schwarze Maske. Aber was heißt Kindheitstraum? Ich war eher jemand, der sich in Filme oder Situationen eingeklinkt hat. Wenn ich Indianer gespielt habe, dann war ich Indianer. Das war kein "Wir spielen ein bisschen Indianer". Ich war Indianer, danach musste man mich wieder rausholen. "Michel, Du… Wigwam ist weg, alles ist wieder gut". So hat es bei mir angefangen. Wenn ich einen Jerry Lewis Film gesehen habe, bin ich die nächsten Stunden wie Jerry Lewis durchs Haus gelaufen. Das war schwierig für alle, die mich in der Zeit getroffen haben. Meine Eltern haben den Leuten dann immer gesagt "Ja, der ist sonst eigentlich ganz okay".
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Drache Hektor
Ricore: Waren Sie in der Schule ein Rebell?

Mittermeier: Nein, ich war eher schüchtern. Wenn mir was eingefallen ist, hab ich schon das Maul aufgemacht, aber ich war nie der zwanghafte Rebell, habe nie im Klassenzimmer randaliert. Ich bin eher schüchtern. Komplette Schizophrenie: eigentlich schüchtern, aber wenn ich nicht nachdachte, was meistens der Fall war, habe ich etwas gesagt, das ich bedauert habe. Was stand in den Zeugnissen… heute sagt man ADS, damals sagte man "Hey, er hat einfach das Maul offen".

Ricore: Würden Sie gerne mal als Schauspieler arbeiten?

Mittermeier: Hallo! Das war große Schauspielkunst, das war eine Charakterrolle. Einen 400-Jahre alten, fast flugfähigen Zauberdrachen zu spielen. Ich habe viele Kinorollen abgelehnt, gesagt "Irgendwann kommt sie, die Rolle, die ich spielen muss". Im nächsten Film zeig ich dann mein Gesicht, in den übernächsten Film bring ich dann Stimme und Gesicht mit rein.

Ricore: Das haben Sie von langer Hand geplant…

Mittermeier: Ja, natürlich. Für die nächsten 50 Jahre ist alles durchgeplant.

Ricore: Aha…

Mittermeier: Klar! Ich hab ja den Deal mit Disney, noch zehn Folgen Hexe Lilli, dafür darf ich in Teil 17 von "Fluch der Karibik" einmal an Johnny Depp vorbeilaufen. Ey, geil. Ich hab noch neun Teile vor mir, kommt alle ins Kino!

Ricore: Vielen Dank für das lustige Gespräch.
erschienen am 20. Februar 2009
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Michael Mittermeier wird am 3. April 1966 in Oberbayern geboren. Der Durchbruch als Comedian gelingt ihm 1996 mit seinem Programm "Zapped", in dem er populäre TV-Sendungen und Werbeclips parodiert. Es folgen die Programme "Back to Life" (2002), "Paranoid" (2004) und "Safari" (2007). Mit "Achtung Baby Live" thematisiert Mittermeier seine Erfahrungen als Vater. Dazu veröffentlicht er das Buch "Achtung Baby". This Prison Where I Live". Das Projekt thematisiert das Schicksal seines burmesischen..
Suchte Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky nach seinem KZ-Drama "Die Fälscher" eine Abwechslung im Kinderfilmgenre? Nein, denn für sein Interesse an der Verfilmung von Knisters "Hexe Lilli"-Kinderbüchern motivierten den Österreicher seine beiden Töchter, die gerade im richtigen Alter für solche Abenteuer sind. In der Hauptrolle ist Alina Freund zu sehen, die ihre Filmfigur mit Liebe und Inbrunst verkörpert. Die farbenreiche Geschichte ist ein Erlebnis für Klein und Groß.
2024