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Felix O. Adlon
"Woody Allen in Therapie"
Interview: Felix O. Adlon über das Genie
Obwohl wir das Interview auf Deutsch führen, ist ein singender amerikanischer Accent bei Felix O. Adlon nicht zu überhören. Der gebürtige Münchner lebt abwechselnd in den USA und Deutschland. Gemeinsam mit Vater Percy Adlon inszeniert er, passend zum 150. Jahrestag Gustav Mahlers 2010, das Drama um die Ehekrise des berühmten Komponisten. "Mahler auf der Couch" handelt von einem Treffen Mahlers mit Sigmund Freud. Mit uns spricht der Regisseur über die Bedeutung der Musik im Film, die Zusammenarbeit mit seinem Vater und seinem Mitleid mit Sandra Bullock.
erschienen am 24. 06. 2010
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Mahler auf der Couch
Ricore: Wie kamen Sie auf die Idee, einen Film über Gustav Mahler zu machen?

Felix O. Adlon: Es stehen ja die Jahrestage zu Gustav Mahler an. Und dafür haben wir einen Stoff gesucht. Wir sind beide keine großen Fans von Biopics sind, also von diesen großen Lebensläufen. Mein Vater hat mit seinem Bruder, Thomas Meyerhöfer, darüber gesprochen. Dieser meinte dann, da gäbe es nur eine Möglichkeit, nämlich diesen Brief. Als ich meinen Vater dann traf, erzählte er mir davon und spielte mir auch die Zehnte, also die letzte Sinfonie Mahlers vor. Ich meinte nur, das müssen wir zusammen machen. Da reihen sich die tollen Momente aneinander. Einmal die Musik, dann der Brief und natürlich auch das Treffen zwischen Freud und Mahler. Besser hätte die Materialsammlung nicht sein können.

Ricore: Ist "Mahler auf der Couch" ein Film über Musik, die Psychoanalyse, Ehekrise und Gustav Mahler?

Adlon: Es ist ein Film über Gustav Mahler in der Krise. Es ist kein Biopic, sondern der Film über einen Ehebruch. Es geht um diese Größen, diese Ikonen, die durch eine Krise zu Normalsterblichen werden und leiden.

Ricore: Wie haben Sie die Recherche aufgeteilt?

Adlon: Wir haben sehr gezielt gelesen. Ich habe mich intensiver mit Freud auseinandergesetzt, mit dem, was er um diese Zeit herum geschrieben hat, wobei das auch eher ein Glücksfall war. Schließlich ging es zu dieser Zeit auch bei Freud um die Objektwahl des Mannes. Darum, wie ein Mann sich eine Frau aussucht. Und das hat wiederum sehr gut gepasst. Auch bei den Tagebüchern von Alma ging es um einen sehr bestimmten Zeitraum, nämlich um die junge Alma und die verheiratete Alma. Wir haben uns die Sachen schon gegenseitig zugetragen, mein Vater mehr auf der Alma-Seite und ich mehr auf der Freud-Seite. Zusammen haben wir Mahler gemacht.

Ricore: Was wäre herausgekommen, wäre Alma zu Freud gegangen?

Adlon: Die Frage haben wir uns auch schon gestellt. Ich glaube, dass Freud sich wahnsinnig in sie verliebt hätte (lacht). Nein, ich weiß nicht, ob er sie überhaupt behandelt hätte. Es ist eine komische Situation. Ich glaube Alma hätte ihn wahrscheinlich ziemlich auseinandergenommen. Sie war eine unglaublich starke Frau, eine tolle Frau.
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Barbara Romaner in: Mahler auf der Couch
Ricore: Sie sagen also, Alma wäre Freud überlegen gewesen?

Adlon: Zumindest was diese Selbstanalyse angeht, die sie auch bei sich betrieben hat. Sie hat ja alles in ihrem Tagebuch druchgekaut. Tagebuch schreiben ist ja auch Therapie.

Ricore: Schreiben Sie auch Tagebuch?

Adlon: Nein, ich drücke mich vor der Selbsttherapie (lacht). Ich weiß nicht, ob ich dann damit aufhören könnte.

Ricore: Mit welchen technischen und sonstigen Schwierigkeiten sahen Sie sich bei der Umsetzung des Films konfrontiert?

Adlon: Die Finanzierung für so einen Film ist nie leicht. Eigentlich hätten wir ihn ein Jahr früher drehen wollen. Leider ist dann immer wieder die Finanzierung zusammengekracht. Das war schon sehr, sehr schwer. technisch gab es gar keine Probleme. Wir haben ja das Glück gehabt, Benedict Neuenfels für das Thema begeistern zu können. Er ist ja ein unglaublicher Künstler und bewegt die Kamera wie einen Pinsel. Mit der Kamera erzählt er so dermaßen schön, hat so eine tolle Filmsprache. Es fließt einfach aus ihm raus, ganz toll. Es war alles sehr harmonisch.

Ricore: Welche Wirkung geht von der Musik im Film aus? Was war ihre Absicht?

Adlon: Die Musik ist für uns in diesem Fall wahnsinnig wichtig. In der Zehnten, dem Stück, das er kurz vor seinem Tod geschrieben hat, da ist ja alles drin. Der Ehebruch, die Verzweiflung, die Fähigkeit, ihr zu verzeihen, es nicht zu können, sie anzuschreien, zu versuchen sie zu halten und so weiter. All das steckt da drin, es ist geballte Emotion. Wir hatten dann das Glück mit Esa-Pekka Salonen zusammen arbeiten zu können. Er ist ein alter Freund von meinem Vater. Er hat in Schweden mit uns die Zehnte aufgenommen und uns erlaubt, einzelne Instrumente raus zu picken. Wir haben einfach das rausgeholt, was wir hören wollten. Das war wahnsinnig schön. Es ist die Musik aus Sicht des Komponisten, wie es in Mahlers Kopf war. Nicht zuletzt haben wir das Adagietto aus "Tod in Venedig" drin, was auch wieder zeitgetreu ist. Es stammt aus Mahlers Fünfter, die er geschrieben hat, als Alma mit ihrem ersten Kind schwanger war.
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Karl Markovics in: Mahler auf der Couch
Ricore: Sie sagten einmal, der Film diene auch dazu, Alma wieder ins rechte Licht zu rücken. Wäre dann nicht auch eine Komposition von ihr als Filmmusik in Frage gekommen?

Adlon: Ja, schon, das wurden wir schon häufiger gefragt. Aber sie hatte von Mahler ja Komponier-Verbot. Das ist Ansichtssache. Mit der Musik sind wir voll auf Mahler gegangen. Natürlich hätte man auch was von Alma nehmen können, aber das hätte dann wiederum erklärt gehört. Sobald man anfangen muss, das zu erklären, wäre man vor einem Problem gestanden. Wie erklärt man das? Dazu waren ihre Stücke auch noch nicht ausgereift, als sie aufhörte zu komponieren, das waren erst ihre Anfänge. Insofern hätte es für mich auch nicht gepasst.

Ricore: Inwieweit beeinflusst Sie die Bekanntheit ihres Vaters und stellt Sie in seinen Schatten?

Adlon: Mein Vater beeinflusst mich so oder so, wir sind sehr eng befreundet, sind das schon immer gewesen. Wir arbeiten ja auch schon sehr lange zusammen. Bislang arbeite ich eigentlich mehr im Hintergrund, die Berühmtheit meines Vaters bin ich gewöhnt. Es ist schön und wir teilen uns das irgendwie auch. Eigentlich ist es nicht unbedingt etwas, womit ich mich bewusst auseinandersetze. Der Schatten ist zwar groß, aber er ist genauso toll. Ich sehe mich nicht unbedingt in seinem Schatten, vielmehr fühle ich mich als Teil des Schatten-Werfens.

Ricore: Meinen Sie, dass der Schatten ihres Vaters als eine Art Auffangbecken funktioniert?

Adlon: Nein, das nicht. Ich werfe ja auch einen Schatten. Ich glaube, es hat mit unserer Zusammenarbeit zu tun, die ja eine sehr intime Sache ist. Da gibt es keine Konkurrenz zwischen uns. Das will ich ja auch gar nicht, er ist schließlich der Platzhirsch. Das mag ich auch. So wie wir arbeiten funktioniert das sehr gut, wir sind gerade auch schon am nächsten Projekt dran.

Ricore: Das klingt ja sehr erfreulich.

Adlon: Ja, das ist es auch. Ich meine, ich habe seinen Schatten schon mal gespürt, irgendwann als 20-jähriger. Das ist halt so, der ist einfach da. Und das ist auch schön so.
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Felix O. Adlon und sein Vater Percy Adlon
Ricore: War es durch Ihre Eltern leichter für Sie, in der Filmbranche Fuß zu fassen?

Adlon: Ich habe in der Filmbranche nur in den Projekten Fuß gefasst, die ich zusammen mit meinem Vater gemacht habe. Insofern ist es ein Family-Buisness. Wir haben nie Dinge von anderen Menschen gemacht, ich habe nie für eine andere Firma gearbeitet. Einmal habe ich ein Drehbuch für Cornelia Funke geschrieben, das Fuß fassen außerhalb unserer Familie hat aber nie stattgefunden, weil ich es auch nie probiert habe.

Ricore: Weil Sie es nicht wollten?

Adlon: Ich arbeite wahnsinnig gerne mit meinem Vater zusammen. Wir sind Partner und die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Solange mein Vater noch Lust und Kraft hat, Filme zu machen, werde ich auch da sein und ihm das ermöglichen. Das ist eine Ehrensache für mich. Ich finde mein Vater hat einen wunderschönen Blick auf Dinge.

Ricore: Ist Ihr Vater Ihr Lehrer?

Adlon: Mein Vater ist definitiv mein Mentor.

Ricore: Besteht die Möglichkeit, dass Sie irgendwann in seine Fußstapfen treten?

Adlon: Ja, doch. Irgendwie schon.

Ricore: Was kann ihr Vater von Ihnen lernen?

Adlon: Das müssen Sie ihn fragen (lacht). Ich glaube, dass wir beide ständig voneinander lernen. Das ist auch das Schöne an der Zusammenarbeit mit meinem Vater, dass er nicht glaubt, alles zu wissen. Insofern hören wir einander schon sehr gut zu.

Ricore: Wie dominant ist die Rolle Ihrer Mutter in diesem Vater-Sohn Duo?

Adlon: Eigentlich sind wir ja ein Trio. Meine Mutter bleibt auch gerne im Hintergrund und arbeitet als leise Partnerin. Ohne sie würde das alles überhaupt gar nicht gehen, da würde nichts funktionieren. Sie ist sehr kreativ und intensiv. Zugleich aber auch sehr streng und das ist auch gut so. Sie ist auf alle Fälle mächtig dabei.
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Nina Berten in: Mahler auf der Couch
Ricore: Angenommen Freud würde heute noch leben. Welches Genie aus der heutigen Zeit hätte es nötig, ihn zu besuchen?

Adlon: ich würde ihn ganz gerne mal kennenlernen, aber ich bin ja kein Genie. Die Frage ist ja, was die heutigen Genies sind. Tja, also, Woody Allen. Aber der weiß es eigentlich auch selbst. Wahrscheinlich sind aber auch seine Filme seine eigene Therapie und er hat alles doch ganz gut im Griff. Sonst würde es noch Menschen mit Größenwahn gut tun. Nur wer hat denn Größenwahn? Ich weiß es nicht. Dafür müsste ich mich wahrscheinlich mit den Biografien der Menschen befassen, die heute als Genies gelten. Mahler hat Freud definitiv gebraucht. Die Ureheberatung, wie ich sie nenne.

Ricore: Haben Sie die Geschichten um Sandra Bullock mitbekommen?

Adlon: Ja, oh je. Arme Sandie.

Ricore: Würde Sandie nicht ganz gut auf die Couch passen?

Adlon: Also ich kenne ihn ja. Ich habe mal kurz mit ihm zusammengearbeitet. Sandie hat es nicht verdient, was er verdient hat oder nicht, kann ichschwer sagen. Freud könnte ihm aber wohl nicht helfen. Ich weiß nicht, ob so jemandem überhaupt zu helfen ist. Das bringt es irgendwie nicht, eine Beziehung aus so idiotischen Gründen aufs Spiel zu setzen. Da bin ich zu treu dafür.

B>Ricore: Haben Ehekrisen etwas Universelles an sich?

Adlon: Ich habe das Buch zu "Mahler auf der Couch" geschrieben, während ich in einer Ehekrise steckte. Insofern ist da auch sehr viel von mir, sehr viel Wahres drin, was die Ängste angeht. ich glaube schon, dass Ehebruch, Ehekrise leider schon sehr universell ist.

Ricore: Wie werten sie hierbei die gesellschaftliche Sicht auf sexuelle Offenheit im Vergleich zu damals?

Adlon: Da fragt man sich, was sexuelle Offenheit eigentlich ist. Wer ist denn sexuell offen? Sind denn sexuell offene Menschen tatsächlich in einer Beziehung? Kann man, wenn man sich in einer Beziehung mit jemandem befindet, einem anderen gegenüber auch noch sexuell offen sein?
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Szene aus: Mahler auf der Couch
Ricore: Siehe Jesse James.

Adlon: Siehe Jesse James. Das ist dann eigentlich reiner Zerstörungswahn. Alma hat es nicht mehr ausgehalten. Mahler hat was sie sich von der Ehe mit ihm erhofft hat, schlichtweg nicht erfüllt - das wusste er auch. Er hat ihr in einem Brief mal geschrieben, sie solle von ihm keine Sinfonien erwarten, sonst würden es nur wieder Sätze. Er hat genau gewusst, dass er es im Bett nicht so bringt, dass er sie da nicht befriedigt. So hoffte er, dass er sie mit anderen Dingen befriedigen kann, seiner Egomanie, seiner Musik.

Ricore: Dazu hat sie sich anfangs ja auch hingezogen gefühlt.

Adlon: Oh ja, sehr sogar. Auch später war das noch der Fall. Das was sich für sie nicht erfüllt hat, war ihr zu wichtig.

Ricore: Was für ein Projekt steht als nächstes an?

Adlon: Wir haben gerade angefangen zu graben, es ist aber noch nichts spruchreif.

Ricore: Wo graben Sie denn?

Adlon: Ich kann nur so viel sagen: es hat wieder mit Musik zu tun.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 24. Juni 2010
Zum Thema
Felix O. Adlon wird 1967 in München geboren. Als Sohn des Filmemacher-Ehepaares Eleonore und Percy Adlon erhält der Junge schon ab seinem zwölften Lebensjahr Einblick in die Branche. Unter anderem arbeitet er als zweiter Kamera-Assistent bei den Dreharbeiten zu "Out of Rosenheim" mit. Er studiert in den USA an der American Shrimps" sein Spielfilmdebüt als Regisseur vor.
Als der Komponist (Johannes Silberschneider) der Affäre seiner Frau (Barbara Romaner) mit dem Architekten Walter Gropius (Friedrich Mücke) auf die Schliche kommt, beginnt seine Eifersucht Herr über ihn und sein Schaffen zu bekommen. Den letzten Ausweg sieht das Genie in einem Besuch Sigmund Freuds (Karl Markovics). In ihrer ersten Zusammenarbeit zeichnen Percy Adlon und Sohn Felix die Ehekrise Gustav Mahlers mit viel Sarkasmus. Dennoch gelingt ihnen eine sensible Studie über die Verdrängung.
2024