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Stellan Skarsgård
Sex total lächerlich?
Interview: Stellan Skarsgård aus Schauspielerland
Menschen beim Sex sind für ihn kein schöner Anblick. Welch ein Glück, dass er sich seine eigenen Filme so selten ansieht. So wird er die Sexszene in der Tragikomödie "Ein Mann von Welt" nicht oft sehen. Der Dreh hat Stellan Skarsgård dennoch Spaß gemacht. Das vegane Essen am Set hat der Schauspieler aber größtenteils wieder ausgespuckt. Das verrät der gebürtige Schwede im Gespräch mit Filmreporter.de.
erschienen am 13. 12. 2010
Neue Visionen
Ein Mann von Welt
Ricore: "Ein Mann von Welt" enthält einige der witzigsten Sexszenen, die ich je gesehen habe. Wie haben Sie sie erlebt, Herr Skarsgård?

Stellan Skarsgård: Sie haben Spaß gemacht. Sex sollte Spaß machen. Sie lachen doch auch, wenn Sie Sex haben, oder? Wir haben natürlich sehr viel gelacht. Aber die Szenen waren schwer zu drehen. Bei Sex im Film muss man generell immer behutsam vorgehen. Ich habe schon sehr viele Sexszenen gedreht. Es fühlt sich fantastisch an, Sex zu haben, aber es sieht total lächerlich aus. Menschen sind nicht wirklich schön. In den Szenen sollte es deshalb immer darum gehen, etwas über die Figuren zu erfahren. In diesem Fall wollten wir sie zwar grotesk erscheinen lassen, aber gleichzeitig sollte das Publikum ein Gefühl für sie bekommen. Die rhythmischen Bewegungen waren aber sehr einfach. Außerdem hat meine Partnerin sowieso die ganze Arbeit gemacht (lacht).

Ricore: Und sie mussten sehr viel essen.

Skarsgård: Das stimmt. Ich nahm zwei vegane Mahlzeiten am Tag zu mir. Ich kann Ihnen sagen: Vegane Kost ist nicht mit der französischen oder italienischen Küche zu vergleichen.

Ricore: Wie viel haben Sie zugenommen?

Skarsgård: Erstaunlicherweise nicht sehr viel. Ich glaube ich habe heimlich erbrochen, wie ein Bulimiker oder so. Und ich habe versucht, so wenig wie möglich zu essen - so wenig wie möglich herunterzuschlucken.
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Ist Stellan Skarsgård ein Mann von Welt?
Ricore: Wie hat es sich angefühlt, wieder in Norwegen zu drehen?

Skarsgård: Es war ein gutes Gefühl, weil ich zurückgekehrt bin, um mit einem Freund - Hans Petter Moland - zu arbeiten. Wir haben schon zwei Filme zusammen gemacht. Ich genieße die Zeit und das Arbeiten mit ihm sehr. Wegen unserer gemeinsamen Vergangenheit fiel es uns nicht sonderlich schwer, unseren Arbeitsrhythmus wieder zu finden und Probleme schnellstmöglich zu lösen. Irgendwann haben wir einen Punkt erreicht, an dem wir einfach nur noch Spaß hatten. Und das ist schließlich das Wichtigste.

Ricore: Sie haben sowohl in Arthouse-Produktionen als auch in Blockbustern gespielt, auch in den USA. Jetzt drehen sie wieder in Norwegen. Ihre Möglichkeiten scheinen sehr breit gefächert zu sein. Würden Sie sich als erfolgreich bezeichnen?

Skarsgård: Ich kann mich sehr glücklich schätzen. Ich mache diese großen amerikanischen Filme, und dann mache ich zwei oder drei Independent-Filme, von denen die meisten leider keine Beachtung finden, weil es für unabhängige Produktionen immer schwerer wird. Aber ich komme schon zurecht (lacht).

Ricore: Sehen Sie sich ihre Filme auch an?

Skarsgård: Ich habe nicht jeden meiner Filme gesehen. Entweder wusste ich, dass sie schlecht sind, oder ich kam einfach nicht dazu und habe dann das Interesse an ihnen verloren. Meine eigenen Filme interessieren mich nicht mehr als andere Filme auch.

Ricore: Ist es ein komisches Gefühl, sich selbst auf der Leinwand zu sehen? In Filmen, die Sie vor mindestens einem Jahr gemacht haben, zu einem anderen Zeitpunkt in Ihrem Leben?

Skarsgård: Das Gefühl habe ich längst nicht mehr.
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Stellan Skarsgård in "Ein Mann von Welt"
Ricore: Viele Leute sagen, dass eine Komödie viel schwerer zu machen ist als ein Drama. Wie sehen Sie das?

Skarsgård: Das ist schwer zu sagen. Bei dieser Art von Komödie gibt das Drehbuch gar nicht zu erkennen, dass es sich um eine solche handelt. Einige Leute, die es gelesen haben, hielten es für eine Tragödie und störten sich an der düsteren Stimmung. Ich selbst habe sofort gelacht. Aber es ist keine Kalauer-Komödie. Der Humor ergibt sich aus der Figurenkonstellation, ihren gegensätzlichen Träumen, Missverständnissen und der fehlenden Kommunikation. Auch die Gesprächspausen sorgen für komische Momente, die Stille, der Rhythmus - oder besser gesagt: das Fehlen von Rhythmus. Das ist ein sehr eigenartiger Weg, um etwas witzig erscheinen zu lassen. Und es ist ein enorm aufwendiges Unterfangen. Wenn es bei einer Sterbeszene darum geht, traurig auszusehen und zu weinen, muss man nur den Gefühlen freien Lauf lassen. Aber Komik ist Präzision.

Ricore: Sie haben mit vielen Regisseuren gearbeitet. Stimmt es, dass Bo Widerberg Sie am meisten beeinflusst hat?

Skarsgård: Ja, was das Schauspielen angeht. Da hat er mir mehr beigebracht, als irgendeiner sonst. Er hat mir gezeigt, dass die Schauspieltechniken und -methoden, die man am Theater verwendet, vor der Kamera keinen Sinn machen. Ich habe 16 Jahre am Theater gearbeitet. Die ganze Theater-Technik bringt einem aber beim Film überhaupt nichts. Mit seinem südschwedischen Akzent sagte Widerberg einmal zu mir: "Ich weiß, dass du weißt, wie man das macht. Aber ich will nicht deine verfluchten Werkzeuge sehen. Ich will, dass du so gut bis wie die Laien im Film". Ich habe damals verstanden was er meinte. Wenn jemand technisch sehr gut ist, sieht man oft nur noch sein Können und nicht mehr das, was er darstellen soll. Sondern nur noch, wie er es darstellt.

Ricore: In "Thor 3D", der 2010 abgedreht wurde, spielen Sie einen Professor. Wie war die Arbeit mit Regisseur Kenneth Branagh?

Skarsgård: Er ist ein sehr guter Schauspieler und Regisseur, der seine Darsteller sofort versteht. Er weiß, wann und warum sie verschiedene Sachen gerne machen oder ablehnen. Außerdem steckt in "Thor 3D" auf eine besondere Art ziemlich viel William Shakespeare.
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Stellan Skarsgård
Ricore: Sehen Sie sich selbst als internationalen oder eher skandinavischen Schauspieler?

Skarsgård: Ich denke nicht in solchen Kategorien. Ich bin ein Schauspieler, der aus dem Schauspielerland kommt, einem wunderbaren Land.

Ricore: Haben Sie heute noch dieselbe Leidenschaft fürs Schauspielen wie vor 20, 30 Jahren?

Skarsgård: Oja. Ich glaube, dass man diesen Beruf ohne Passion gar nicht ausüben kann, es wäre einfach zu viel, zu harte Arbeit.

Ricore: Spielen Sie lieber in Komödien oder in Dramen?

Skarsgård: Das kommt ein bisschen auf die Umstände an. Wenn ich gerade hintereinander drei düstere Low-Budget-Independentfilme gedreht habe, in denen ich schwierige, psychologisierte Charaktere gespielt habe, macht es Spaß danach "Mamma Mia!" zu drehen.

Ricore: Wie erklären Sie das Phänomen, dass schwedische Schauspieler wie Sie und Peter Stormare im internationalen Filmgeschäft so gefragt sind?

Skarsgård: Es gibt drei oder vier Schweden und drei oder vier Dänen im großen, internationalen Filmbusiness. Ich denke, es kommt daher, dass man uns im Ausland aus schwedischen Produktionen kennt. Über die hat uns der Markt kennengelernt. Und dann haben wir in Schweden einfach gute Schauspieler. Da ist Theater ein großes Thema. Deshalb haben wir tolle Theaterschulen und investieren viel in unsere Darsteller. Die Schauspielausbildung ist die zweitteuerste Schulung in Schweden, nach dem Training zum Kampfpiloten. Was uns außerdem auszeichnet, ist die Understatement-Kultur der Schweden, die ein Gegenentwurf zur südländisch-mediterranen ist. Bei uns geht es um die Ruhe und um das, was hinter den Dingen steht. Dieses Unterstatement kann man schon aus den alten Wikinger-Sagen herauslesen. Das ist zumindest meine Theorie.
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Stellan Skarsgård ist amüsiert
Ricore: Einige Ihrer Kinder sind ihrem Vorbild gefolgt und auch Schauspieler geworden. Was halten Sie davon?

Skarsgård: Solange sie mir folgen, ist das kein Problem. Wenn sie mich überholen wird's kritisch (lacht). Dann werde ich sie stoppen müssen. Drei von ihnen sind schon ziemlich erfolgreich. Ich habe ihnen das Filmbusiness aber nicht empfohlen. Schauspieler zu werden haben sie in Eigenregie entschlossen.

Ricore: Wie hat es bei Ihnen mit der Schauspielerei angefangen?

Skarsgård: Ich wollte gar kein Schauspieler werden. Ich habe einfach geschauspielert, während ich noch darüber nachdachte, was ich eigentlich in meinem Leben machen will.

Ricore: Würden Sie gerne wieder im Theater spielen?

Skarsgård: Letztens habe ich meinen Sohn als Hamlet auf der Bühne gesehen. Da hab ich mir schon gedacht, dass es schön wäre, mit ihm dort oben zu stehen. Es reizt mich. Aber ich habe seit 20 Jahren nicht mehr Theater gespielt. Es ist ein anderer Beruf der sehr viel Technik erfordert. Das schreckt mich ein bisschen ab.

Ricore: Mögen Sie den Roten Teppich?

Skarsgård: Nein, ich mag ihn nicht. Aber er ist Teil meines Berufs. Und es ist schon wichtig, sich auf dem roten Teppich den Kinogängern zu zeigen, die deine kleinen Filme sehen. Das sind die kulturellen menschlichen Ressourcen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 13. Dezember 2010
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2024