Neue Visionen
Hans Petter Moland
Bitte keinen unnötigen Streit
Interview: Friedlicher Hans Petter Moland
Kinder zu schlagen ist für Hans Petter Moland ebenso abwegig, wie Komödien, in denen Menschen von oben herab behandelt werden. Sein Humor ist ein anderer. Beim Drehen ist der Filmemacher ganz Humanist. Er verbreitet am liebsten eine Atmosphäre in der sich alle wohlfühlen. Das berichtet uns der Regisseur im Gespräch anlässlich der Vorstellung von "Ein Mann von Welt" auf der Berlinale 2010. Seinem Freund und Lieblingsdarsteller Stellan Skarsgård vetraut Moland ganz und gar. Trotzdem kommt es zwischen beiden zu Diskussionen am Set.
erschienen am 10. 12. 2010
Neue Visionen
Ein Mann von Welt
Ricore: Was macht die Zusammenarbeit mit Darsteller Stellan Skarsgård so besonders, was teilen sie?

Hans Petter Moland: Wir haben beide viele Kinder, ich habe sechs - er sieben. Nein, Scherz beiseite - er ist einer, mit dem man wunderbar ein Thema erkunden. Wir wollen beide immer tiefer in die Projekte einsteigen. Auch während des Drehs teilen wir dieselbe intellektuelle Neugier. Wir haben rausgefunden, dass wir einander vertrauen können. Ich mag das Gefühl, dass ich mich mit ihm zusammen bei der Arbeit vergessen kann. Wenn ich mit ihm zusammenarbeite, bin ich mir über das, was ich mache, nicht immer bewusst. Wir sind gute Freunde und ernsthafte Menschen und haben Spaß dran, zusammen ernsthaft zu sein.

Ricore: Was für ein Schauspieler ist Stellan Skarsgård?

Moland: Er ist einer der besten Schauspieler der Welt. Und ich habe schon mit einigen großartigen Darstellern gearbeitet.

Ricore: Gibt es mit ihm Streitereien am Set?

Moland: Ich mag das Filmemachen, also suche ich Leute, die wie ich mehr am Projekt, als an Streit interessiert sind. Das Leben ist dafür zu kurz. Das heißt aber nicht, dass wir nicht diskutierten. Ich glaube aber, dass eine Sache besser wird, wenn man sie mit Leidenschaft und Freizügigkeit macht. Ich weiß, dass es Menschen gibt, die man antreiben und härter anfassen muss, um sie zu motivieren. Als Angehörige der menschlichen Rasse reagieren wir positiver auf gut gemeinten Anschub. Wir fühlen uns in einer vertrauensvollen Umgebung wohl, wo man auch mal einen Fehler machen darf. Jeder der Kinder hat, wird feststellen, dass man Kindern viele Fehler durch Schläge austreiben kann - aber dann hat man keine glücklichen Kinder mehr.
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Stellan Skarsgård in "Ein Mann von Welt"
Ricore: Hatten sie Stellan Skarsgård von Anfang an für die Rolle im Kopf?

Moland: Ja, ich habe gleich mit ihm gesprochen und dann hat er das Drehbuch gelesen. Er war froh, dabei sein zu dürfen, hatte Zeit und wir haben angefangen.

Ricore: Ist es riskanter mit guten Freunden wie hier mit Stellan Skarsgård zusammenarbeiten, oder macht es vieles leichter?

Moland: Es ist wahrscheinlich beides gleich riskant. Aber du vergisst, wie riskant es ist, weil du Spaß hast, während du mit ihnen arbeitest. Einen Film zu machen ist eine mühevolle Aufgabe. Man versucht soviel Energien und Ressourcen wie möglich in das Projekt zu stecken, versucht ein gutes Skript mit Leben zu füllen. In diesem Prozess vergisst man sich selbst ein Stück weit. Das gut so, weil man dann nicht gehemmt ist. Man vergisst, dass man weit über dem Boden tanzt.

Ricore: In dem Film geht es manchmal recht komisch zu.

Moland: Das war in der ursprünglichen Drehbuchversion nicht vorgesehen. Viele Dinge haben sich anders entwickelt, als vorgesehen. Einen Film zu machen bedeutet ihn andauernd zu bearbeiten. Drehbuchautor Kim Fupz Aakeson und ich haben neue Szenen ausgearbeitet. Außerdem hat der Film ein neues Ende bekommen und weitere kleine Änderungen. Die Basis des Films blieb der original Dialog. Das ist geblieben, weil Aakeson ein wunderbarer Autor ist. Das Skript ist das Rückgrat des Films, aber es ist nicht seine Bibel. Das Schicksal des Drehbuches ist es, weiter bearbeitet zu werden. Bei den Dialogen und dem Erzählton mussten wir bei der Überarbeitung mit großer Behutsamkeit vorgehen, weil da es leicht was schief gehen kann. Das war ein delikater Aspekt.
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Hans Petter Moland freut sich
Ricore: Sie haben dem ernsten Thema komische Szenen beigestellt. Sehen sie ihren eher als Komödie oder als Tragödie?

Moland: Ich halte den Film für eine Komödie. Es ist wie unser eigenes Leben: nicht immer ist alles zwangsläufig voller Spaß und Spiel. Wir sehen aber von außen betrachtet sicher alle sehr amüsant aus, wenn wir versuchen, unsere Aufgaben als menschliche Wesen auf dieser Erde zu erfüllen. Im Film gibt es große Dilemma, eine schreckliche Vergangenheit, aber auch diese Dinge können in einer Komödie vorkommen. Außerdem ist die Komödie als Genre vielseitig, sie kann tragisch sein, absurd, es gibt die Mittel der Situationskomik und des Slapstick. Ich glaube, dass der Film alle diese Aspekte der Komödie enthält. Aber er basiert natürlich auf einem ernsten Thema, das aus dem Leben gegriffen ist.

Ricore: Gibt es einen Komödientyp, die sie nicht mögen?

Moland: Ich mag es nicht, wenn Komödien auf Menschen herabschauen. Es ist leicht, sich über andere lustig zu machen. Aber es ist viel schöner, einfach einen humorvollen Blick aufs Leben zu nehmen. Außerdem ist eine herablassende Haltung keine angemessene Art, andere zu behandeln.

Ricore: Gab es bei ihnen eine bewusste Entscheidung für die Komödie?

Moland: Nein, eigentlich nicht. Für jeden Filmemacher gibt es ein paar Sachen, an denen er sich mal versuchen möchte. Auch ich probiere gerne neue Dinge aus. Schließlich ist das der Luxus des Filmemachers, sich die Sachen aussuchen zu können, die man gerne einmal machen würde. Da kann man in etwas eintauchen, das man nicht unbedingt vorher gekannt haben muss. Ich würde gerne nochmal eine Komödie machen. Aber wenn jemand mit einem Thriller ankäme, würde ich das auch machen.
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Ist Stellan Skarsgård ein Mann von Welt?
Ricore: Was ist ihnen am Drehbuch ins Auge gesprungen? Was hat Ihnen am besten gefallen?

Moland: Das Tempo, der Rhythmus, die Dialoge, die Art wie die Geschichte erzählt wird und die vielen wunderbaren Charaktere. Auf dem Papier wirken sie nicht glaubwürdig und es ist eine Herausforderung für einen Regisseur sie für die Leinwand glaubwürdig zu machen.

Ricore: Ihe Filme werden mit denen von Aki Kaurismäki verglichen. Ist das von ihnen beabsichtigt?

Moland: Ich kenne Kaurismäkis Werk nicht. Zu der Zeit als er viele Filme machte, hatte ich viele Kinder.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 10. Dezember 2010
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2024