NFP marketing & distribution
Herbert Knaup in "Arschkalt"
Dem Schrecken mit Fantasie begegnen
Interview: Herbert Knaup in der deutsche Geschichte
Herbert Knaup kam spät zum Kino. Und er schaffte seinen Durchbruch mit einem Flopp. In Dominik Grafs "Die Sieger" spielte er einen SEK-Beamten und sorgte mit einer umstrittenen Liebesszene für einen Skandal. Seitdem ist der Charakterdarsteller von der Leinwand nicht mehr wegzudenken. Anlässlich seines Films "Arschkalt" hat sich Filmreporter.de mit dem 55-Jährigen unterhalten. In dem Gespräch verriet uns der Schauspieler seine Ansichten über so Banales wie den Verzehr von Tiefkühlprodukten sowie Existenzielleres wie die Abgründe der menschlichen Seele.
erschienen am 21. 07. 2011
NFP marketing & distribution
Freunde im Ungück: Johannes Allmayer, Elke Winkens und Herbert Knaup in "Arschkalt"
Ricore: Die erste Frage ergibt sich von selbst: Wie halten Sie es mit Tiefkühlkost?

Herbert Knaup: Seltsamerweise bereite ich jeden Tag Tiefkühlkost zu. Mein Sohn ist zweieinhalb und liebt Kartoffelpuffer. Weil es heute qualitativ gute Kartoffelpuffer gibt, brauche ich die nicht selber machen. Außerdem muss das Essen schnell zubereitet werden. Man braucht die nur in die Pfanne geben und in zwei Minuten sind sie fertig. Fischstäbchen isst er auch. Erbsen, Karotten usw. - gerade in Zeiten von Virusgeschichten hat man bei Tiefkühlprodukten wenigstens die Sicherheit, dass Mikroben hier nicht überleben.

Ricore: Das gilt aber nur für Keime, Viren überleben das.

Knaup: Das denke ich auch. Es heißt ja, dass sie wieder aktiv werden, wenn sie auftauen.

Ricore: Wenn die Kühlkette unterbrochen wird...

Knaup: (lacht) Das stimmt, wenn die Kühlkette unterbrochen wird, kann es fatal werden.

Ricore: Und doch nehmen Lebensmittelkonzerne keinen finanzielle Schaden angesichts der Virengefahr, weil die Bedrohung schnell aus den Köpfen der Menschen verschwindet.

Knaup: Andererseits mussten die spanischen Gemüsebauern ziemliche Verluste hinnehmen, weil fälschlicherweise behauptet wurde, die Erreger stammten von ihren Gurken.
NFP marketing & distribution
Herbert Knaup in "Arschkalt"
Ricore: Nun zu einem anderen, heißeren Thema. In einer Berliner Zeitung stand heute, dass sie offenbar in einem Pornofilm mitspielen [Laut des besagten Zeitungsberichts soll es sich um eine Produktion mit dem Titel "Hotel Desire" handeln; Anm. der Redaktion). Was hat es damit auf sich?

Knaup: Das habe ich heute auch gehört. Das darf doch nicht wahr sein, was für eine Unverschämtheit (lacht ungläubig). Erstens wusste ich nicht, dass das ein Porno ist. Zweitens ist das kein Porno. Es gibt höchstens eine leidenschaftliche Liebesszene. Die Geschichte handelt von einem blinden Künstler, der sich in ein Zimmermädchen verliebt. Der Film enthält eine leidenschaftliche Szene in einem Hotelzimmer. Meine Rolle ist die eines Hoteldirektors - insofern habe ich nichts mit diesem Part zu tun. Es ist das Projekt eines jungen Schauspielers, mit dem ich bereits bei einem Film zusammengearbeitet habe. Er hat nebenher schon ein, zwei Filme als Regisseur inszeniert. Es sind witzige und provokante Filme. Jetzt arbeitet er an diesem 'Pornofilm' (lacht). Nein, es ist ein tolles Drehbuch, das auch viele Gesangseinlagen enthält. Es ist ein Film, der eher an Woody Allen erinnert, als an einen Pornofilm.

Ricore: Sex sells - das gilt weiter. Daher diese aufgebauschte Falschmeldung?

Knaup: Klar. Ein Finanzierungsversuch eines Filmprojekts. Vielleicht haben sie diese Nachricht selber lanciert, um die Aufmerksamkeit der Leser zu erregen. Ein Pornofilm ist das jedenfalls nicht. Es gibt höchstens eine heiße Sexszene. So etwas habe ich schon in "Die Sieger" gedreht. Damals hatte ich eine Nacktszene mit Katja Flint und die ganze Öffentlichkeit regte sich darüber auf. Die Szene zeigte einen SEK-Beamten und eine Politikerin, die ihm irgendwann in einem Hotelzimmer verspielt an die Nudel fasst. Das verursachte einen Riesenskandal. "Sauerei", hieß es damals von allen Seiten.

Ricore: Ist das eine Doppelmoral seitens der Medien?

Knaup: Ja, schließlich passiert das jeden Tag in Hotels. Obwohl ich das selbst noch nicht erlebt habe - nur im Film (lacht).
NFP marketing & distribution
Herbert Knaup in "Arschkalt"
Ricore: Ist man als deutscher Schauspieler heute auf Filme angewiesen, um sich finanziell über Wasser zu halten?

Knaup: Absolut. Ein Film wie "Arschkalt" ist aber eine Low-Budget-Produktion, da wird nicht viel bezahlt. Man hat falsche Vorstellungen, dass deutsche Schauspieler Unsummen verdienen. Das mag vielleicht im Verhältnis zu anderen Berufen ein wenig zutreffen. Aber man muss doch Filme drehen, um über die Runden zu kommen.

Ricore: Wenn Sie also Low-Budget-Produktionen annehmen, dann nicht wegen des Geldes?

Knaup: Nein, solche Filme macht man, weil einem das Thema gefällt. Es steckt viel Liebe und viel Know-how in diesen Projekten. Weil hier Leute genau überlegen, wie man soziale Themen mit einer bestimmen Lebensphilosophie über einen Film stülpt. "Arschkalt" fragt danach, worum es im Leben geht. Wie verbringen wir unsere Zeit? Nutzen wir unsere Zeit richtig? Was ist wichtig im Leben? Muss man andere Menschen unbedingt überzeugen, dass man jemand ist?

Ricore: Was reizte Sie an der Geschichte?

Knaup: Ein interessantes Motiv ist die Auseinandersetzung meiner Figur mit dem Alter. Damit konnte ich mich durchaus identifizieren. Ich bin jetzt 55 Jahre alt. Auch wenn ich mich nicht in der gleichen Situation wie Rainer Berg befinde. Trotzdem fand ich es interessant, einen 'eingefroren' Menschen darzustellen, der in seinem Leben nicht mehr weiterweiß. Der Mann hatte einige Enttäuschungen im Leben erfahren und steht irgendwann vor der Wahl, ob er sich verkriechen oder es nochmal versuchen soll. Das war die besondere Herausforderung an dieser Rolle. Außerdem reizte mich die Tatsache, dass er am Anfang ein ziemlicher Stinkstiefel ist, und im Laufe der Handlung immer mehr auftaut.
Concorde Film
Herbert Knaup ("Die Geschichte vom Brandner Kaspar")
Ricore: Ist es schwerer, einen unglücklichen oder einen glücklichen Menschen zu spielen?

Knaup: Ich würde sagen, es ist leichter, einen unglücklichen Menschen darzustellen. Vielleicht weil man das Unglück selber erfahren hat. Wer ist schon glücklich (lacht)? Glückliche Menschen oder Gutmenschen, Christus-Figuren darzustellen ist schwer, weil es nicht leicht ist, sie überzeugend zu spielen. Da muss man als Schauspieler sehr weit sein.

Ricore: Als Schauspieler ist man doch immer auf der Suche nach sich selbst, der inneren Mitte, nach dem Glück im Leben, oder?

Knaup: Ja, wobei es unterschiedliche Motivationen gibt. Meine Motivation war, dass ich keine Sprache hatte. So absurd das jetzt klingen mag: ich war eher schüchtern und mundfaul. Meine Schüchternheit kam daher, dass ich vom Elternhaus ein bisschen traumatisiert war. Ich hatte einen dominanten und lauten Vater. Wir waren eine Arbeiterfamilie und eben nicht ganz so eloquent. Das heißt, es entwickelte sich bei mir instinktiv eine Sehnsucht nach mehr. Dann machte ich die Theaterprüfung und wurde irgendwann aufgenommen. Durch die Arbeit mit Texten habe ich meine Mundfaulheit verloren. Heute könnte ich den ganzen Tag ohne Punkt und Komma reden. Früher war das undenkbar. Da war ich komplett zu.

Ricore: Zuletzt haben Sie Adolf Eichmann gespielt, alles andere als einen Gutmenschen. Gibt es wesentliche Unterschiede zwischen der Verkörperung einer fiktiven und einer historischen Persönlichkeit?

Knaup: Auf jeden Fall. Die Rolle Eichmanns habe ich deshalb angenommen, weil das authentisches Material war. Das Besondere dabei war, diesen Nazi in seiner Komfortzone zu erleben. Er lebte nach dem Krieg unbescholten in Argentinien, wo er über das Dritte Reich reflektiert und Fragen von ehemaligen SS-Männern beantwortete. Dabei hat er akribisch genau über die Judenvernichtung berichtet und sich als eitel und größenwahnsinnig gebärdet. Es waren sehr merkwürdige Äußerungen. Unter anderem sagte er, dass er als Deutscher versagt hätte, seine Mission sei gescheitert. "Wenn wir alle damals in Europa Existenten 10,3 Millionen Juden getötet hätten, dann hätten wir es geschafft und unsern Auftrag erfüllt". Es ist ein Wahnsinn, was er da erzählt hat. In so einen Stoff einzutauchen, ist natürlich etwas anderes, als sich mit einer fiktiven Geschichte auseinanderzusetzen.

Ricore: Schränkt es einen Schauspieler in seiner Kreativität ein, wenn man eine historische Figur verkörpert?

Knaup: Auf jeden Fall. Man ist bemüht, die Figur so authentisch und realistisch wie möglich darzustellen. Doch irgendwann merkt man, dass sich die Darstellung mit dem Vorbild nicht decken kann. Ich kann nicht einfach Willy Brand sein, sondern mich ihm nur annähern. Eine historische Persönlichkeit darzustellen, heißt nicht, dass man sich optisch an die Figur angleicht. Wichtig ist, dass man ihren Charakter auslotet. Das ist das Entscheidende. Oft sind diejenigen Schauspieler, die der historischen Figur gar nicht so ähneln besser, als die, die dem Vorbild optisch gleichen.
ZDF/Erika Hauri
Katja Flint und Herbert Knaup in "Liebe und andere Gefahren"
Ricore: Haben Sie schon mal Rollen gespielt, die Sie verändert haben?

Knaup: Bestimmt war das in den Anfängen so. Im Verlauf der Jahre hat sich das verändert. Durch das ständige Verwandeln schafft man es irgendwann, die Rolle nach dem Spielen einfach abzulegen und sein Leben weiterzuleben. Selbst einen Eichmann oder noch größere Kriegsverbrecher nimmt man nicht mehr mit nach Hause, sondern legt sie wie einen Mantel ab. In den Anfängen ist das sicher noch anders. Die Berge von Texten beschäftigen einen noch lange nach der Aufführung. Da geht man schon mal durch den Park und spricht den Text vor sich her, weil einen die Rolle einfach nicht loslässt.

Ricore: Da gibt es sicher auch Unterschiede, ob es sich dabei um eine fiktive oder eine historische Figur wie Eichmann handelt.

Knaup: Klar, sicher. Bei Figuren wie Eichmann kann es einem schon gruselig werden. Es ist schwer darzustellen, was man nicht begreifen kann. Man kann höchstens seiner Fantasie nachspüren und das Unbegreifliche und Schreckliche erahnen, was so einen Menschen antreibt.

Ricore: Dennoch ist das Thema Drittes Reich etwas, das Sie gereizt hat. Warum?

Knaup: Ich habe tatsächlich eine kleine Affinität zum Dritten Reich. Nicht, weil mich das Thema glücklich macht, sondern weil meine Familie diese Zeit auf besondere Weise miterlebt hat. Mein Vater war bei Kriegsausbruch um die 22 Jahre alt. Dennoch war der Krieg niemals ein Thema bei uns. Meine Eltern haben nichts davon erzählt, die Zeit wurde mehr oder weniger totgeschwiegen. Und wenn man nachgefragt hat, dann haben sie keine genauen Auskünfte gegeben. Je mehr sie sich geweigert haben, unsere Fragen zu beantworten, umso mehr wollte man als Kind wissen. Wir hatten viele Fragen, die uns interessierten. Was war da eigentlich genau? Wie konnte es dazu kommen, dass so viele Menschen auf Befehl einfach umgebracht wurden? Dieser Eroberungs- und Größenwahn der Deutschen - all das aufzuschlüsseln ist etwas, das mich sehr interessiert.

Ricore: Und je beharrlicher man nachbohrt, umso grausamere Entdeckungen macht man.

Knaup: Ja, leider. Vor kurzem kam das Buch "Soldaten: Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben" heraus. Es versammelt authentische Aussagen von deutschen Kriegsgefangenen in amerikanischen Gefangenenlagern. Die Lager wurden verwanzt, so dass man die Offiziere miteinander sprechen hören konnte. Es war erschreckend festzustellen, wie begeistert sie zum Teil über Tötungsaktionen sprachen. Am Anfang fanden sie die Ermordung von unschuldigen Menschen und Kindern noch schockierend, später wurden sie immer abgehärteter und fanden nichts Schlimmes mehr daran. Wenn man so etwas liest, fragt man sich unwillkürlich, wie man selbst in solchen Situationen gehandelt hätte. Schließlich waren das keine Elitesoldaten, die auf das Töten trainiert wurden. Es waren ganze normale Menschen, die in ihrem bürgerlichen Dasein ganz normalen Berufen nachgingen. Man kommt da schon ins Grübeln.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 21. Juli 2011
Zum Thema
Herbert Knaup ist aus dem zeitgenössischen, deutschen Film nicht mehr wegzudenken. Dabei kam er erst nach 15-jähriger Bühnentätigkeit in Heidelberg, Basel, Bremen, Wien und Köln zum Filmgeschäft. In seiner langjährigen Bühnenkarriere hat er von der Komödie bis zum Polizeifilm alle Genres gespielt. Dominik Graf drehte 1994 mit "Die Sieger" einen deutschen Actionfilm, der trotz herausragender Besetzung (Hannes Jaenicke, Katja Flint, Natalia Wörner) vom Publikum verschmäht wurde. Herbert Knaup..
Arschkalt (Kinofilm)
Ein vom Leben enttäuschter Tiefkühlkost-Lieferant hat sich von der Welt zurückgezogen, um emotionalen Verletzungen aus dem Weg zu gehen. Seine Lebensauffassung gerät ins Wanken, als er einen neuen Kollegen zugewiesen bekommt und er sich in seine Vorgesetzte verliebt. André Erkaus "Arschkalt" ist ein die Muster des Feel-Good-Movies bedienende Tragikomödie, die allerdings zu konventionell geraten ist. Allenfalls in der Charakterisierung der Hauptfigur erreicht der Film eine gewisse Tiefe. In den..
2024