Harald Hoffmann.com/Paramount Pictures
Tim Fehlbaum
Zur Hölle mit der Erde
Interview: Tim Fehlbaums Apokalypse
Tim Fehlbaum mag es düster, "Hell" ist sein Spielfilmdebüt. Der junge Regisseur zeichnet in seinem Erstling ein finsteres Endzeit-Szenario, in dem die Sonne mit unerbittlicher Hitze die Erde verbrennt. Im Gespräch mit Filmreporter.de erläutert Fehlbaum die Hintergründe seines Thrillers, die Zusammenarbeit mit Roland Emmerich und seine Faszination für die Apokalypse.
erschienen am 21. 09. 2011
Paramount Pictures
Hell - Die Sonne wird euch verbrennen
Ricore: Woran liegt es, dass es Genre-Filme in Deutschland so schwer haben?

Tim Fehlbaum: Das ist schwierig zu beantworten. Als wir mit der Entwicklung von "Hell" angefangen haben, hat man uns hin und wieder davon abgeraten. Es hieß, dass wir nicht gefördert würden und sich keiner den Film anschauen wolle. Es wurde uns auch nahegelegt, auf Englisch zu drehen, aber ich wollte unbedingt, dass der Film seine Identität behält. Das macht ihn schließlich anders.

Ricore: Hat Sie Roland Emmerich bei der Umsetzung beraten?

Fehlbaum: In dem Film spielt der Staub im Hintergrund eine wichtige Rolle. Vor dem Dreh hatten wir für den Staub eine Person eingeplant. Roland Emmerich hat gesagt, dass der Staub die ganze Zeit mit Hilfe von großen Propeller-Wind-Maschinen wehen müsse, um die gewünschte Atmosphäre zu erzeugen. Dafür bin ich ihm unglaublich dankbar, das hat dem Film sehr geholfen.

Ricore: Die bedrückende Endzeit-Atmosphäre erinnert an "The Road". Wurde "Hell" von dem Buch beziehungsweise der Verfilmung beeinflusst?

Fehlbaum: Ich habe den Film nie ganz gesehen, ich habe mir jedoch viele Ausschnitte im Internet angeschaut. Ich weiß natürlich, dass es viele Parallelen gibt. Als das Buch herauskam, arbeiteten wir bereits an unserem Stoff. Das Buch habe ich gelesen und finde es ganz toll. Als der Film erschien, haben wir kurz überlegt, ob wir aufhören sollen. Aber wir haben weitergemacht und am Ende hat es sich als nicht allzu dramatisch erwiesen, weil es trotz der Parallelen sehr verschiedene Filme sind.
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Tim Fehlbaum auf der Deutschland-Premiere zu "Hell"
Ricore: "Hell" geht mehr in die Richtung eines Backwood-Horrorfilms. War das von Anfang an beabsichtigt?

Fehlbaum: Es war von Anfang an beabsichtigt, dass es immer brutaler wird. Aber dieser Genre-Wechsel, auf den ich schon mehrfach angesprochen wurde, war so nicht beabsichtigt.

Ricore: Durch welche anderen Werke wurde Ihr Film beeinflusst?

Fehlbaum: Da gibt es sehr viele Werke beziehungsweise Filme, da ich sehr Filmaffin bin. Dass ich mich durch andere Filme inspirieren lasse, sieht man. Die Palette ist groß und umfasst B-Movies aus den 1970ern, die frühen Sachen von John Carpenter sowie "Deliverance". Backwood-Filme dienten uns auch als Inspiration.

Ricore: Fasziniert Sie das phantastische Genre?

Fehlbaum: Ich mag vor allem düstere Sachen. Woran das liegt, weiß ich nicht. Ich gucke aber auch gerne Komödien.

Ricore: Wie schwer war es, Hannah Herzsprung von dem Film zu überzeugen?

Fehlbaum: Ich habe sie in Hof in "Vier Minuten" gesehen. Schon damals hatte ich mich mit der Idee zu "Hell" beschäftigt. Ich war sofort begeistert von ihr und war der Ansicht, dass sie die Rolle spielen müsste. Nachdem wir das Drehbuch geschrieben hatten, dachten wir aber, dass sie dieses Genre nicht interessieren würde. Also haben wir zunächst ein reguläres Casting gemacht und dabei ganz tolle Schauspielerinnen gesehen. Aber dann haben wir Hannah das Buch doch geschickt und zu unserer Überraschung fand sie es gut.
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Hannah Herzsprung, Tim Fehlbaum und Lisa Vicari auf der Deutschland-Premiere zu "Hell"
Ricore: Wie wichtig war es Ihnen, dass Ihr Film eine weibliche Heldin hat?

Fehlbaum: Das war mir auf jeden Fall ein starkes Anliegen. Es gab zwei Grundpfeiler, die von Anfang klar waren. Zum einen sollte es ein apokalyptisches Setting geben und zum anderen eine weibliche Hauptfigur, also eine weibliche Perspektive. Die Heldin steht in Horrorfilmen ja immer in einer gewissen Tradition, zu Beginn ein Opfer zu sein und dann immer mehr zur Heldin zu werden und über sich hinauszuwachsen.

Ricore: Ganz typisch für das Genre ist auch das Verhältnis von Gewalt und weiblicher Sexualität. Hatten Sie diesen Aspekt bei der Szene im Hinterkopf, als Hannah Herzsprungs Charakter sich in Unterwäsche gegen ihren Angreifer zur Wehr setzen muss?

Fehlbaum: Ich habe das nicht bewusst reingebracht. Das resultierte aus der dramaturgischen Frage, warum der Angreifer über sie herfällt. Darüber hinaus war es wichtig, dass sie hinterher das Kleid anzieht. So ergab sich das. Aber ich weiß, was Sie meinen. Das habe ich im Nachhinein auch festgestellt. Das gibt es ganz oft, etwa in "Blutgericht in Texas", wo Frauen knapp bekleidet durch den Wald rennen und von einem Motorsägen-Mann verfolgt werden.

Ricore: In Genre-Filmen könnte es ohnehin mehr komplexe Frauen-Rollen geben. Ist das ein Punkt, auf den Sie in Ihrem filmischen Schaffen bewusst fokussieren wollen?

Fehlbaum: Ich glaube, das geschieht nicht so bewusst. Aber ich beobachte auch, dass gerade in Genre-Werken, im Horror- und Actionfilm Frauen oft nur nettes Beiwerk sind. Ich mag dagegen starke Frauenfiguren. Es gibt ja auch andere Beispiele wie Jodie Foster, Sigourney Weaver in "Alien" oder ein Film wie "Rosemaries Baby".

Ricore: Woher kommt Ihrer Ansicht nach der Reiz von apokalyptischen Geschichten?

Fehlbaum: Ich weiß es nicht, aber mich reizen sie auch. Der Film ist im Grunde ein 'Was wäre wenn'-Spiel, kein realistisches Szenario. Der Film spielt mit der Prämisse. Vielleicht kommt die Faszination daher, dass der Weltuntergang alles andere unbedeutend macht. Ich habe viel über die Apokalypse gelesen. Heutzutage würden wir sagen, dass wir gerade in einer Zeit leben, in der viele apokalyptische Szenarien entworfen werden. Aber wenn man zurückblickt, sieht man, dass es diese Faszination in jeder Generation gab.
Harald Hoffmann.com/Paramount Pictures
Tim Fehlbaum
Ricore: Haben Sie bei Ihrer Recherche auch mit Wissenschaftlern über das Szenario in "Hell" gesprochen?

Fehlbaum: Ja, wir haben uns mit Wissenschaftlern unterhalten und die haben uns gesagt, dass das Szenario nicht realistisch sei [lacht]. Das war uns aber egal. Es sollte deutlich werden, dass es nicht um Realismus geht, sondern dass es einfach die Prämisse des Films ist. Es geht nicht darum, wie es genau zur Katastrophe gekommen ist, sondern was mit den Figuren in einer solchen Situation passiert. Das ist wie bei Zombie-Filmen, in denen es oft nicht um die Zombies geht, sondern um die zwischenmenschlichen Beziehungen der Überlebenden. Wenn es aber doch zu einer solchen Situation kommen würde, hat man uns gesagt, dass man wohl wie im Film in den Bergen nach Wasser suchen würde.

Ricore: Auf dem Filmfest München wurden Sie für "Hell" mit dem Förderpreis Deutscher Film ausgezeichnet. Was war das für ein Gefühl?

Fehlbaum: Zu dem Zeitpunkt konnte ich das noch gar nicht richtig realisieren. Ich wurde direkt nach der allerersten Vorführung des Films abgeholt, um zur Preisverleihung zu gehen. An einem Abend war die ganze Arbeit von vier Jahren mit einem Schlag beendet.

Ricore: Wie wichtig ist Anerkennung generell für Sie?

Fehlbaum: Ich denke, die ist für jeden wahnsinnig wichtig. Gerade bei Test-Screenings war ich nervös. Wie der Film bei anderen ankommt ist entscheidend, denn man macht das nicht für sich selbst.

Ricore: Welcher Film ist als nächstes geplant?

Fehlbaum: Bislang ist noch nichts Konkretes in Planung. Ich kann nur sagen, dass es wieder etwas Düsteres werden würde.

Ricore: In jedem Fall viel Erfolg und vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 21. September 2011
Zum Thema
Zwischen 2002 und 2009 studiert Tim Fehlbaum an der Wo ist Freddy?" und "Für Julian" beweist der 1982 in Basel geborene Filmemacher handwerkliches Geschick. Für letzteres Werk wird der junge Regisseur im Jahre 2004 mit dem Thomas Wöbke, der Fehlbaums Spielfilmdebüt "Hell" produziert. Auf dem Filmfest München 2011 erhält er für den apokalyptischen Thriller den Förderpreis Deutscher Film.
Hell (Kinofilm)
Die Erde hat sich in ein Ödland verwandelt, die von der alles verbrennenden Hitze der Sonne heimgesucht wird. Auf ihrer verzweifelten Suche nach Wasser stoßen Marie (Hannah Herzsprung), ihre Schwester Leonie (Lisa Vicari) und ihr Freund Phillip (Lars Eidinger) auf den mysteriösen Tom (Stipe Erceg). Gemeinsam müssen sie sich gegen eine Gruppe blutrünstiger Gegner zur Wehr setzen. "Hell" weckt Erinnerungen an John Hillcoats Endzeitszenario "The Road", ohne dessen Tiefe zu erreichen. Stattdessen..
2024