Robert Brecko
Clemens Schick
Militäreinsatz und Gewalt okay?
Interview: Friedlicher Clemens Schick
Als Zwölfjähriger will Clemens Schick Zirkusartist werden. Mit 22 geht er für acht Monate ins Kloster. Schließlich wird Schick jedoch Schauspieler und tritt in Filmen wie "James Bond 007: Casino Royale" und "Duell - Enemy at the Gates" auf. Auch in "Largo Winch 2" spielt er eine actionbetonte Rolle. Als Bösewicht macht er dem Protagonisten die Hölle heiß. Gegenüber Filmreporter.de erläutert Schick, weshalb er als überzeugter Pazifist manchmal gewalttätige militärische Einsätze befürwortet. Außerdem erklärt er, welche Politiker er schätzt und wie er seinen Glauben praktiziert.
erschienen am 6. 10. 2011
Sunfilm
Largo Winch 2
Ricore: Sie haben schon viele Bösewichte gespielt. Was reizte sie an Dragan Lazarevic?

Clemens Schick: Es war eine riesen Freude mit Schauspielern wie Tomer Sisley, Ulrich Tukur und Sharon Stone in einem Ensemble zu spielen. Außerdem konnte ich mir nicht entgehen lassen, den Stunt im finalen Showdown selber zu drehen. Das war eine große Herausforderung.

Ricore: Haben Sie alle anderen Stunts auch selbst gemacht?

Schick: Wir haben insgesamt fünf Monate gedreht, die letzten beiden Wochen ausschließlich am Showdown. Von diesem Kampf haben wir ungefähr 95 Prozent live in der Luft gedreht. Davon wiederum habe ich ungefähr die Hälfte übernommen.

Ricore: Ging dabei alles gut?

Schick: Leider nicht ganz. Ich habe mir während der Dreharbeiten das Bein gebrochen. Dies wurde allerdings erst später festgestellt. Ich kam damals in Frankreich ins Krankenhaus, und die Ärzte haben mich nicht geröntgt, sondern lediglich mit der Hand untersucht. Absurd - aber so war's. Sie meinten, dass ich eine Muskelverletzung hätte. Danach habe ich noch rund 20 Sprünge gemacht. Ein paar Wochen später, auf dem Filmfest in München, haben mich die Schmerzen dann so geplagt, dass ich erneut ins Krankenhaus gefahren bin und mein Bein röntgen ließ. Da wurde dann festgestellt, dass das Wadenbein gebrochen ist.

Ricore: Wie lange waren Sie außer Gefecht gesetzt?

Schick: So dramatisch war es nicht. Ich bin auch nicht so schmerzempfindlich. Die Ärzte meinten "Schonen Sie sich". Damit konnte ich nicht so viel anfangen. Ich musste deshalb auf jeden Fall kein Projekt absagen.
Tiberius
Tomer Sisley in "Largo Winch 2"
Ricore: Haben Sie Thailand über die Dreharbeiten hinaus kennengelernt?

Schick: Ja, es war ganz fantastisch. Wir haben in Nord-Thailand gedreht, an der Grenze zu Burma. Ich hatte einmal das Glück, dass ich zwischen zwei Drehblöcken zwei Wochen frei hatte. Ich blieb in dieser Zeit im Dschungel und habe das Land alleine mit dem Motorrad erkundet. Ein wunderschönes Land.

Ricore: Wie liefen diese zwei Wochen konkret ab?

Schick: Kurz nach Ende der Dreharbeiten hatte ich einen Auftritt in Los Angeles mit meinem Solo-Stück "Windows". Die Einsamkeit in der Natur dort war der perfekte Ort, um mich Vorzubereiten.

Ricore: War der Spielfilm "Being John Malkovich" Vorbild für Ihr Bühnenprogramm "Windows"?

Schick: Das Stück ist eine Mischung aus Traum und Alptraum, der in meinem Kopf beziehungsweise dem des Zuschauers stattfindet. Insofern ist der Zusammenhang mit "Being John Malkovich" gar nicht so abwegig. Beim Proben von "Windows", hatte ich den Film aber nicht präsent.

Ricore: Was hielten die in Afghanistan stationierten Soldaten von ihrem Bühnenstück?

Schick: Afghanistan war ein großes Abenteuer und eine große Herausforderung. Die Soldaten waren mir und dem Theaterstück gegenüber sehr offen. Ich war absolut positiv überrascht. Die fanden vor allem gut, dass da überhaupt jemand kommt und sich mittels eines Theaterabends mit ihnen beschäftigt. Das war auch mein Ziel: Es war mein Anliegen zu zeigen, dass man sich mit den im Einsatz befindlichen Soldaten ernsthaft auseinandersetzt. Denn nur so kann man meiner Meinung nach über Lösungen nachdenken.
Tiberius
Clemens Schick in "Largo Winch 2"
Ricore: Von wem kam die Idee für ein Afghanistan-Engagement?

Schick: Das war meine Initiative. Ich habe Kontakt zu Reinhold Robbe aufgenommen, dem Wehrbeauftragten des deutschen Bundestages. Er fand die Idee so gut, dass er sie unterstützt hat. Schon rund sechs Wochen später, war ich schließlich in Afghanistan.

Ricore: Fühlten Sie sich vor Ort sicher?

Schick: Ich wurde von der Bundeswehr immer sehr gut beschützt. Sie haben alles dafür getan, dass mir nichts passiert. Trotzdem habe ich dort eine Angst kennengelernt, die ich vorher so noch nicht kannte.

Ricore: Sind Sie privat zurückhaltend oder draufgängerisch?

Schick: Wenn man mir sagt, dass ich etwas nicht machen soll, da es zu gefährlich sei, muss ich ausprobieren, ob es wirklich gefährlich ist. Mich reizt es, Grenzen zu testen und diese auch mal zu überschreiten.

Ricore: Wie verbringen Sie Ihre Freizeit? Testen Sie da auch Grenzen aus?

Schick: Egal wo ich bin, meine Laufschuhe sind immer bei mir. Je nach Möglichkeit, versuche ich jeden Morgen zumindest eine Stunde zu joggen. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, schwimme ich auch gerne. Wenn man wie ich viel unterwegs ist, ist es jedoch einfacher zu laufen. Denn joggen kann man wirklich überall auf der Welt. Ansonsten arbeite ich momentan sehr viel und bereite unter anderem einen Theaterabend für Berlin mit einem neuen Solo-Stück vor.
av medien penrose, Alina Bader
Clemens Schick in "Cindy liebt mich nicht"
Ricore: Möchten Sie in Zukunft wieder öfters auf der Theaterbühne stehen?

Schick: Ich bin offen für alles. Ich genieße die Arbeit beim Film aber sehr. Für mich ist der Beruf eine Mischung aus Abenteuer und Leidenschaft. Es gibt nichts schöneres, als mit einem Filmteam umher zu ziehen. Mir gefällt das Ambiente am Set mit den Trailern sehr gut. Das erinnert mich stark an die Siedler aus Amerika. Das Ganze kommt mir vor wie ein Abenteuerunternehmen, bei dem man umher zieht und Geschichten erzählt.

Ricore: Welche Voraussetzungen muss ein Drehbuch erfüllen, damit Sie eine Rolle annehmen?

Schick: Das ist unterschiedlich. Manchmal liegt es am Regisseur, manchmal an den Kollegen, manchmal am Skript und so weiter. Ich muss letztlich das Gefühl haben, dass es um etwas geht, dass etwas erzählt werden muss.

Ricore: Woran liegt es, dass Sie in internationalen Produktionen meist actionbetonte Charaktere spielen, in Deutschland hingegen oft in kammerspielartigen Filmen mitwirken?

Schick: Ein Film der Größe von "Largo Winch" ist nur international produziert möglich, oder zumindest koproduziert. Für mich ist es sehr reizvoll so unterschiedliche Charaktere zu spielen. Das ist doch das tolle an diesem Beruf. Egal ob am Theater oder beim Film.

Ricore: Sie haben mal gesagt, dass ein Schauspieler nicht zu viel Geld verdienen darf, weil es ansonsten den Charakter verderbe. Sind Sie immer noch dieser Ansicht?

Schick: Das habe ich gesagt? Daran kann ich mich nicht erinnern.
Rolf Kuratle
Clemens Schick in "Largo Winch 2"
Ricore: Wie war Ihre Kindheit mit Ihrem Zwillingsbruder?

Schick: Ein schöner Traum mit Hauen und Stechen. Mein Zwillingsbruder ist immer noch einer der mir vertrautesten Menschen.

Ricore: Wie unterscheidet sich Ihr Verhältnis zu Ihrem Zwillingsbruder im Verhältnis zu Ihren anderen Geschwistern?

Schick: Natürlich ist die Art des Umgangs miteinander verschieden. Alleine schon, weil ich die ersten neun Monate meiner Existenz meinem Bruder so nahe war, wie man einem Mensch überhaupt nah sein kann. Natürlich prägt das sehr. Ich würde uns aber nie als symbiotisch bezeichnen.

Ricore: Was hielt Ihre Familie am Anfang von Ihrem Beruf?

Schick: Ich komme aus einer Juristenfamilie. Am Anfang hielt sich ihre Begeisterung in Grenzen. Mittlerweile haben alle ein sehr entspanntes Verhältnis zu meinem Beruf.

Ricore: Sie waren vor mehreren Jahren für einige Monate im Kloster. Wie praktizieren Sie Ihren Glauben heute?

Schick: Mein Glaube hat sich sehr verändert, weil ich nicht mehr so viele Begriffe brauche wie früher. Das bedeutet, dass ich meinen Glauben weder in einem kirchlichen Rahmen konkretisieren muss, noch muss ich Personen oder Dinge an die ich glaube mit einem Namen benennen. Heute glaube ich an innere und äußere Werte.
Tiberius
Tomer Sisley in "Largo Winch 2"
Ricore: Welche Werte sind für Sie wichtig?

Schick: Mut und Wahrhaftigkeit sind wichtige Werte für mich. Ebenso Ehrlichkeit und Eintreten für Gerechtigkeit. Großzügigkeit und das Kämpfen für Freiheit sind auch wichtige Sachen.

Ricore: Wie stehen Sie demnach zum Krieg in Afghanistan?

Schick: Als der Afghanistan-Einsatz begann, gab es gute Gründe dorthin zu gehen. Das dürfen wir heute nicht vergessen. Mittlerweile befinden wir uns in einer 'No Win-Situation'. Das macht die Situation gerade so kompliziert.

Ricore: Bezeichnen Sie sich als Pazifist?

Schick: Ich bin absolut ein Pazifist. Aber ich bin der Meinung, dass man das Recht hat, Angreifer in die Schranken zu weisen, wenn jemand anderes bedroht ist.

Ricore: Als letzte Lösung sind also militärische beziehungsweise mit Gewalt einhergehende Einsätze möglich?

Schick: Ja. Wenn man merkt, dass Gewalt gestoppt werden kann, dann sind auch militärische Mittel gerechtfertigt, um Frieden wieder herzustellen.

Ricore: Provoziert die Gewalt in Afghanistan und im Irak nicht auch Gegengewalt?

Schick: Das ist ein äußerst heikles sowie kompliziertes Thema. Sie haben natürlich Recht. Ich bin nicht naiv. Ich weiß, dass in Libyen auch aus wirtschaftlichen Gründen einmaschiert wird. In Afghanistan ist die Lage nochmals komplizierter. Noch geht es da zwar nicht um Bodenschätze, jedoch um die geografische Hoheit. Natürlich sagt die Nato: wir marschieren irgendwo ein, um Menschenrechte zu retten. Teilweise ist das ein wahrhaftiger Grund, teilweise ein vorgeschobener, weil in Wirklichkeit andere Interessen im Vordergrund stehen. Heute sind die Dinge so miteinander verwoben, dass es schwierig ist, sich eine richtige Meinung bilden zu können. Deswegen allerdings nicht mehr zu handeln wäre genauso fatal. Leider gibt es heute keine klaren, einfachen Antworten mehr.

Ricore: Glauben Sie, dass sich die deutsche Bundesregierung in solchen Fragen angemessen verhält?

Schick: Ehrlich gesagt halte ich von der aktuellen Bundesregierung nichts. Es ist schon ein peinliches Bild, das wir international beziehungsweise innenpolitisch abgeben. Es gibt wenige positive Ausnahmen, wie Verteidigungs-Minister Thomas de Maizière und Wolfgang Schäuble. Ich denke es war ein riesiger Fehler sich bei der Abstimmung zu Libyen zu enthalten.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 6. Oktober 2011
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2024