Universum Film
Andrea Sixt
Das Leben diktiert ihre Geschichten
Interview: Autodidaktin Andrea Sixt
Andrea Sixt ist die Autorin des Erfolgsromans "Eine ganz heiße Nummer", der nun unter der Regie von Markus Goller verfilmt wurde. Im Interview mit Filmreporter.de bekennt die Autorin, dass die Idee zur Geschichte im Grunde von ihrem Mann stammt. Außerdem erfahren wir von der Autodidaktin, was sie mit den Frauen aus "Eine ganz heiße Nummer" gemein hat. Sixt erklärt zudem, weshalb sie für ihre inzwischen überwundene Krebserkrankung dankbar ist und welche Rolle dabei ihr Glaube spielt.
erschienen am 27. 10. 2011
Universum Film
Eine ganz heiße Nummer
Ricore: Wie kamen Sie von einem Unternehmen für Haustechnik zum Telefonsex?

Andrea Sixt: In meinem damaligen Job war ich sehr unglücklich. Es war echt das Falsche, was ich da gemacht habe. Ein Nachbar hat mir schließlich bei einem Glas Rotwein empfohlen, ein Drehbuch zu schreiben. Ich war zunächst irritiert, doch er meinte nur: "Probier's doch mal!". Am nächsten Tag, lag vor meiner Tür ein Fachbuch in dem es darum geht, wie man ein Drehbuch schreibt. Ich habe es gelesen und es hat mich gefesselt. Daraufhin habe ich mir meinen ersten Laptop gekauft und abends heimlich das Drehbuchschreiben geübt.

Ricore: Sie haben also keine professionelle Drehbuchausbildung genossen?

Sixt: Ich bin eher Autodidaktin und habe die ganzen amerikanischen Drehbuchfachbücher gelesen. In Workshops habe ich anschließend bei verschiedenen amerikanischen Drehbuchautoren gelernt. Glücklicherweise habe ich einen guten Script-Consultant gefunden, der bereits mehrfach mit amerikanischen Regisseuren wie Francis Ford Coppola zusammengearbeitet hat. Diesem habe ich meine Drehbuchentwürfe zukommen lassen. Nach dem ersten Lesen, bot er mir an, mir das Handwerk beizubringen.

Ricore: Wie hieß der Mann?

Sixt: Juan Santiago. Aber den kennt man nicht so, weil er sich mehr im Hintergrund aufhält. Er war für Storyboards zuständig und hat unter anderem bei "Das Boot" mitgearbeitet.

Ricore: Wie ist die Idee zu "Eine ganz heiße Nummer" entstanden?

Sixt: Die Geschichte ist zunächst im Kopf meines Mannes entstanden. Ich hatte ihn gefragt, was drei Frauen aus Niederbayern machen könnten, die katholisch und prüde sind, um Geld zu verdienen. Außerdem sagte ich ihm, dass es den Damen superpeinlich sein müsse. Mir ging es um das sich überwinden müssen. Dann ist mein Mann auf Telefonsex gekommen. Ich wusste sofort, dass das genau die richtige Idee ist. Die Geschichte habe ich daraufhin einem Verlag angeboten.
Universum Film
Rosalie Thomass und Gisela Schneeberger in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Wie hat der Verlag reagiert?

Sixt: Sie haben schnell zugesagt das Buch zu verlegen. Auf Seite 30 hatte ich jedoch eine Schreibblockade, als es an das Thema Telefonsex ging. Es war schwierig diese ganzen Schweinereien aufzuschreiben. Ich habe dann erst einmal etwas fürs Fernsehen geschrieben, um danach wieder zur Geschichte zurückzukehren. Allerdings hatte ich nur noch vier Wochen bis zum Abgabetermin, weshalb ich das Buch eigentlich absagen wollte. Ich hatte schon zum Telefonhörer gegriffen, als ich auf meinem Laptop bei amazon sah, dass sie das Buch schon im Handel angeboten haben. Samt dem Cover. Da dachte ich: "Oh Gott. Jetzt muss du das Ding tatsächlich schreiben!"

Ricore: Durfte der Verlag das Buch so früh denn schon online anbieten?

Sixt: Ja, schließlich hatte ich mit denen einen Vertrag. Sie wussten, dass ich in vier Wochen abgeben würde, weshalb sie sich ausrechnen konnten, wann sie es online stellen können. Es ist ja auch Werbung, wenn es erst im Herbst erscheint, aber trotzdem schon Bilder online sind. Heute bin ich dafür dankbar, dass sie damals so schnell gearbeitet haben. Im Prinzip war es bei mir, wie bei den Damen von "Eine ganz heiße Nummer": Das, was zunächst wie das große Unglück aussieht, stellt sich wenig später als das große Glück heraus. Auch, weil jetzt ein so toller Film entstanden ist.

Ricore: Wie wichtig war es, das Drehbuch selbst zu schreiben?

Sixt: Für mich war völlig klar, das Drehbuch selbst zu verfassen, da ich die Rechte eines Romans immer behalte.
Universum Film
Rosalie Thomass in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Haben Sie zuerst einen Roman oder ein Drehbuch geschrieben?

Sixt: Das Erste, was ich geschrieben habe, war das Drehbuch zu "Workaholic" mit Tobias Moretti. Mit dem Roman-Schreiben, habe ich nur nach Druck von außen angefangen. Man sagte, ich solle wegen meinem Krebsleiden meine Biografie schreiben. Es wurde ein Sachbuch in Romanform namens "Noch einmal lieben". Hätte ich damals nicht die Krankheit gehabt und diesen Roman nicht geschrieben, dann würde es heute auch keine Geschichten wie "Eine ganz heiße Nummer" geben. Ich wäre nie darauf gekommen, ein Drehbuch zu schreiben.

Ricore: War es eine Katharsis während Ihrer Krankheit?

Sixt: Nein, das war was anderes. Mein damaliger Drehbuchlehrer war sehr spirituell. Als ich ihm von meiner Krankheit erzählte, sagte er mir, dass ich es hinnehmen und als Geschenk Gottes betrachten solle. Ich dachte zunächst: "Was redet der für einen Schmarrn?" Ich ging damals wegen einer relativ harmlosen Geschichte ins Krankenhaus. Er sagte mir vorher, dass ich das Leiden vieler Frauen auf mich nehmen würde, um Vielen helfen zu können. Als ich dann im Krankenhaus lag und Brustkrebs hatte, musste ich immer wieder an seine Worte denken. Deswegen habe ich die Krankheit als Geschenk angenommen und bin nicht daran verzweifelt. Am Ende war der Brustkrebs tatsächlich das größte Geschenk meines Lebens.

Ricore: Weshalb?

Sixt: Ansonsten wären sehr viele Sachen nicht passiert. Ich hätte nie diese Autobiografie geschrieben, die dann wie gesagt auf Druck von Außen entstand. Dadurch, dass ich das so angenommen habe, ging es mir komischerweise sehr gut. Ich habe auch einen anderen Weg, als andere Patienten gewählt. Ich habe keine Chemo- oder Strahlen-Therapie gemacht. Stattdessen habe ich mein Leben komplett umgestellt und die Homöopathie- sowie die Misteltherapie gemacht. Ich habe versucht das Immunsystem aufzubauen, anstatt es zu zerstören. Ich hatte beschlossen alles aus meinem Leben rauszuschmeißen, was mich negativ belastet. Zudem hatte ich die Prognose nur noch ein Jahr zu leben. Ich hörte auf zu rauchen und trennte mich von vermeintlichen Freunden, die nur meine Energie gezogen haben. Ich wollte in diesem Jahr nur Dinge tun, die gut für mich sind und mich stärken.
Andrea Sixt
Andrea Sixt
Ricore: Was hat gegen die Chemotherapie gesprochen?

Sixt: Zum einen die Logik. Ich wollte mein Immunsystem das schon schwach ist, nicht noch weiter schwächen. Sonst hätte ich ja auch keinen Krebs bekommen. Deswegen wählte ich den anderen Weg. Ich hatte einen ganz tollen Arzt gefunden, der mir alles genau erklärt hat. Außerdem kannte ich Fälle aus meinem Umfeld, wo die Chemo auch nichts genutzt hat. Andere, die auch eine aussichtslose Prognose erhalten hatten, haben den Weg der Homöopathie gewählt und überlebten. Dann habe ich auf mein Gefühl gehört und gemerkt, dass sich bei der Chemo alles in mir sträubt. Bei dem anderen hatte ich hingegen ein gutes Gefühl. Der Kopf ist da ganz wichtig. Wenn ich an etwas ganz fest glaube, dann ist es auch das Richtige für mich.

Ricore: Sie engagieren sich für die Brustkrebs Deutschland e.V. und die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr. Was unterscheidet diese Organisationen?

Sixt: Sie unterscheiden sich insofern, als dass ich Brustkrebs Deutschland e. V. mitgegründet habe. Ich wollte diejenige sein, die das Zünglein ist, welches anzeigt, dass es auch noch etwas anderes als Schulmedizin gibt. Da bin ich die Einzige. Bei der anderen Organisation, geht es ausschließlich um die alternative Medizin.

Ricore: Wie wichtig war es, etwas auf Deutschland gerichtetes zu machen?

Sixt: Als ich an Brustkrebs erkrankt war, war das Thema hierzulande noch stark unterrepräsentiert. Je mehr Prominente mit ihrer Erkrankung an die Öffentlichkeit gehen wie ich, desto besser wird dem entgegengesteuert. Es gibt immer noch Fälle, wo Leute die Straße wechseln, wenn die andere Frau an Brustkrebs erkrankt ist. Dies ist vor allem in Dörfern noch der Fall. Aber heute ist es schon viel besser als vor 15 Jahren. Meine Biografie die damals erschien, war die Zweite zu diesem Thema. Ich habe aber fünf Jahre gewartet, bis ich das Buch schrieb.

Ricore: Warum?

Sixt: Ich wollte wissen, ob die Therapie wirklich funktioniert. Nachher schreibe ich ein Buch über meine Krankheit und bin bei der Veröffentlichung gar nicht mehr da, um über meinen erfolgreichen alternativen Weg zu erzählen. Die Leute, denen das Buch womöglich Hoffnung gegeben hätte, wären dann in ein tiefes Loch gefallen. Ich habe auch keinen Brustaufbau machen lassen, weil es ein wichtiger Einschnitt in meinem Leben war und ich den nicht einfach kaschieren wollte.
Universum Film
Bettina Mittendorfer in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Was sagen Sie Frauen, die nicht zur Brustkrebsvorsorgeuntersuchung gehen?

Sixt: Ich sage Ihnen, dass ich Früherkennung für sehr wichtig halte. Die hat mich ja gerettet. Wenn ich zum Jahresende nicht zu einem normalen Check gegangen wäre, dann wäre es sicher zu spät gewesen. Insofern kann ich nur raten zur Früherkennung zu gehen. Bei einer Diagnose sollte man sich aber nicht dem Druck der Ärzte unterwerfen. Man hat immer noch die Zeit, sich zu informieren und sich in Ruhe für die richtige Therapie zu entscheiden.

Ricore: Manche Ärzte sollen ja dazu neigen, sehr schnell zu schneiden...

Sixt: Bei mir musste geschnitten werden. Der Krebs hatte sich in meiner Brust gestreut und deswegen gab es keine andere Möglichkeit. Heute würde ich es vielleicht anders machen. Mit Hilfe des Arztes den ich erst nach dieser Diagnose kennengelernt habe, der homöopathisch und anthroposophisch ist, wäre es wahrscheinlich anders gelaufen. Mein Glaube und die Krankheit als Geschenk zu akzeptieren, hat mir geholfen.

Ricore: Waren Sie immer gläubig?

Sixt: Ich bin nicht religiös. Aber die Kommunikation mit Gott habe ich schon immer irgendwie gehabt.
Universum Film
Rosalie Thomass und Sigi Zimmerschied in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Wie wichtig ist es, das übernatürliche Wesen mit dem Namen Gott zu personifizieren?

Sixt: Ich nenne es für mich Gott. Damit ist das Wesen für mich greifbarer. Ich bin katholisch aufgewachsen und gehe nicht konform mit der Kirche. Aber Gott ist etwas, dass alle verbindet.

Ricore: Wie praktizieren Sie Ihren Glauben?

Sixt: In die Kirche gehe ich selten - und wenn, dann um sie anzuschauen. Außerdem sind es schöne Plätze, um zu meditieren.

Ricore: Hat das Schreiben von Komödien eine katharsische Wirkung auf Leib und Seele?

Sixt: Ja, total. Vor allem beim Schreiben einer bayrischen Komödie. Ich habe mich sehr amüsiert beim Verfassen der Geschichte. Es war das erste Mal, dass ich einen Roman auf Bayrisch geschrieben habe. Ich habe sehr, sehr oft laut auflachen müssen.

Ricore: Könnten Sie eine Geschichte wie "Eine ganz heiße Nummer" auch für Norddeutschland schreiben?

Sixt: Es kommt darauf an. Es kann sein, dass ich mal in Hamburg bin und denke, dass ich über etwas, das ich dort entdecke eine Geschichte schreiben muss. Geschichten springen mich an. Es ist so, dass ich immer eine Idee haben muss, die mir sagt: "Das muss ich jetzt machen!" Deshalb sind meine Bücher auch so verschieden.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 27. Oktober 2011
Zum Thema
Die gebürtige Regensburgerin Andrea Sixt leitet nach dem Studium in München und ersten Berufserfahrungen im Fürstentum Monaco als junge Diplom-Ingenieurin ein Unternehmen für Haustechnik. 1995 wechselt sie das Fach und etabliert sich als Drehbuch- und Romanautorin. Ihr erfolgreichster Roman ist "Eine ganz heiße Nummer". Dieser wird 2011 von Markus Goller adaptiert. Ihr Drehbuch-Debüt gibt sie mit "Workaholic", in dem Tobias Moretti eine der Hauptrollen spielt. Inspiration für ihre Geschichten..
Waltraud (Gisela Schneeberger), Maria (Bettina Mittendorfer) und Lena (Rosalie Thomass) leben in einem Dorf im Bayrischen Wald. Da die Menschen mittlerweile lieber in der Stadt einkaufen, droht ihrem Lebensmittelgeschäft das Aus. Als Maria einen obszönen Anruf erhält, kommt ihr die rettende Idee. Markus Gollers Adaption von Andrea Sixts gleichnamigen Roman bietet sympathische Protagonistinnen und klischeebehaftete männliche Figuren. Die Thematisierung des Telefonsex gelingt mit viel Humor. Die..
2024