Universum Film
Rosalie Thomass in "Eine ganz heiße Nummer"
Telefonsex und Altenpflege
Interview: Rosalie Thomass mag Abwechslung
Bekannt wurde Rosalie Thomass mit ihrer Rolle der Jo in Marcus H. Rosenmüllers "Beste Zeit". Unter der Regie von Markus Goller spielt die Münchnerin erneut in einem bayerischen Heimatfilm. Im Interview mit Filmreporter.de verrät sie, wie sie sich auf die Rolle der Telefonsex-Lolita Lena vorbereitet hat und dass der schönste Sexshop auf der Hamburger Reeperbahn ist. Außerdem erzählt sie, wie wichtig es für sie ist, sich in immer neuen Rollen ausprobieren zu können.
erschienen am 19. 10. 2011
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Rosalie Thomass in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Hatten Sie vor dem Film schon Erfahrung mit Telefonsex? Rosalie

Thomass: Null. Ich habe mal versucht, bei Telefonsexhotlines anzurufen, aber die wollen nicht, dass Frauen anrufen. Die legen gleich wieder auf. Ich habe auch versucht herauszufinden, ob es eine Hotline für Frauen gibt, die mit Männern sprechen können, aber so etwas gibt es anscheinend nicht.

Ricore: Das wäre doch eigentlich eine Marktlücke.

Thomass: Finde ich auch. So blieb uns nichts anderes übrig, als wie die Figuren unseren Weg zu finden.

Ricore: Wie sehr können Sie sich mit Lena und ihrer Lolita-Rolle, die sie am Telefon spielt, identifizieren?

Thomass: Das kommt ganz aus der Figur Lena. Ich hab sie zwar sehr gut verstanden, aber sie ist ein ganz anderer Mensch als ich. Zum einen ist sie sehr naiv, aber andererseits ist sie auch sehr bei sich. Das muss sie nur erst lernen. Sie denkt immer, sie muss unbedingt nach München und ihren Traumprinzen finden. Eigentlich liegt ihr Glück vor der Haustür und sie ist mit sich total zufrieden - auch mit dem, was sie in ihrem Dorf hat.

Ricore: Was mochten Sie an Lena?

Thomass: Wir haben ähnliche Sehnsüchte. Ich komme zwar nicht vom Dorf, aber ich wollte immer aus München raus und etwas Neues entdecken. Auch ich wollte die Liebe meines Lebens finden. Ihre Sehnsüchte kann ich gut verstehen. Oft dachte ich allerdings, sie ist noch wie in der Pubertät. Manchmal weiß sie gar nicht, was sie mit ihrem Körper machen soll.
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Rosalie Thomass in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Sie sind also eher der realistische Typ, der die Sachen erst einmal ruhig angeht?

Thomass: Ich bin überhaupt gar nicht ruhig und sachlich, sondern sehr stimmungsabhängig. Ich bin manchmal ziemlich naiv, oft veräppeln mich Leute und ich bemerke es gar nicht. Naivität hört sich immer so nach Schimpfwort an, aber ich denke, dass das eigentlich etwas Tolles ist.

Ricore: Haben Sie versucht, mit Frauen zu sprechen, die ihr Geld mit Telefonsex verdienen?

Thomass: Ich habe es versucht, aber es war sehr schwierig, weil keiner mit mir reden wollte. Und dann dachte ich, dass es sowieso Quatsch ist. Denn schließlich spiele ich ein Mädchen, das so etwas noch nie gemacht hat und auch super verklemmt ist und nicht einen Profi, der das seit zehn Jahren macht. Und so habe ich es lieber für die Rolle genutzt, dass auch ich nicht wusste, wie man am Telefon stöhnt. In meinem nächsten Film spiele ich eine Altenpflegerin und dafür habe ich ein Praktikum in einem Altenheim gemacht. Denn für diese Rolle fand ich es sinnvoll zu lernen, wie man mit alten Menschen umgeht.

Ricore: Sie spielen sehr unterschiedliche Figuren und Genres, wie wichtig ist Ihnen das?

Thomass: Es freut mich, wenn das jemand sagt, weil es mir wahnsinnig wichtig ist. Gerade wenn man jung ist, kann man doch die Weichen stellen. Ich fände es total schade, wenn ich mich auf einen Rollentyp beschränken müsste, etwa nur auf bayerisch oder nur hochdeutsch drehen würde. Je unterschiedlicher, umso schöner ist es doch.

Ricore: Regisseur Markus Goller hat angedeutet, dass er sich eine Fortsetzung vorstellen könnte. Wo könnten die drei hingehen?

Thomass: Das wissen die Macher natürlich besser. Maria geht ja im ersten Teil weg. Vielleicht besuchen die anderen sie dann...
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Rosalie Thomass und Gisela Schneeberger in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Gibt es Rollen, die Ihnen besonders gut liegen und welche, die Ihnen besonders schwer fallen?

Thomass: Jede Rolle hat ihre eigenen Herausforderungen. Manche, die auf den ersten Blick nah an einem dran sind, sind gerade deswegen schwierig, weil man es nicht so gut trennen kann. Andere Rollen, bei denen man sich von sich selbst entfernt, sind schwierig, weil man ein bisschen braucht, um wieder zu sich zu finden. Was ich am Schauspielern so schön finde, ist, dass ich mich nicht entscheiden muss, welchen Beruf ich machen will, sondern ich kann alle probieren, ich kann alle Leben leben.

Ricore: Welche Dialekte beherrschen Sie?

Thomass: Ich behaupte jetzt einfach mal, dass ich jeden Dialekt lernen könnte. Ich kann schon ganz gut schwäbeln, sächseln und auch ein bisschen berlinern.

Ricore: Und welches ist Ihr Mutterdialekt?

Thomass: Ich komme aus München und bin hochdeutsch aufgewachsen. Aber mein Vater (fängt an bayerisch zu reden) kommt richtig vom Land, aus Waging am See, da ist es wunderschön. Jetzt lebe ich aber seit fünf Jahren in Berlin und habe mir sehr zum Ärger der Bayern ein ordentliches Hochdeutsch angewöhnt.

Ricore: Wenn Sie aus München kommen, wie kommt es dann, dass Sie hochdeutsch erzogen wurden?

Thomass: Die meisten Münchner sprechen ja mehr hochdeutsch als Dialekt. Meine Mutter kommt aus einer Familie, wo man keinen Dialekt gesprochen hat.
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Rosalie Thomass in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Die Lena ist sehr gläubig, wie steht es mit Ihnen, Gott und der Religion?

Thomass: Also da unterscheide ich mich sehr stark von der Figur, die ich spiele. Das darf man in Bayern ja fast nicht sagen, aber ich bin nicht getauft. Ich bin konfessionslos. Ich finde das auch gar nicht wichtig, denn ich denke, der Glaube gehört jedem alleine. Das ist individuell, an was man glauben möchte oder nicht und was man dabei spürt. Ich bin für mich mit etwas verbunden und da ist es mir egal, ob das Allah heißt oder Gott. Das Wichtige ist, dass man sich nicht alleine fühlt. Ich hab mich mit Kategorien immer schwer getan. Deswegen finde ich Lenas Reise herrlich. Am Anfang steht sie unter Druck von dieser Kirche, diesen Zwängen und dem Beichtvater. Sie fühlt sich immer schuldig, aber dabei macht sie gar nichts falsch. Und am Schluss löst sie sich davon. Doch sie bleibt bei sich und ihrem Verhältnis zu Gott.

Ricore: Waren Sie schon mal in einem Sex-Shop?

Thomass: Ja.

Ricore: Nur zum Gucken oder auch zum Kaufen?

Thomass: Ich hab da auch schon mal etwas gekauft.

Ricore: Verraten Sie uns was?

Thomass: Nein, das ist doch total intim. Ich finde es überhaupt nicht schlimm, wenn Menschen in Sex-Shops gehen, sondern eher, wenn man nicht darüber reden kann, dieses Verklemmte. Allerdings war ich bisher nur einmal in einem Sex-Shop, der auch schön war. Der ist in Hamburg auf der Reeperbahn. Der Fehler ist, dass die meisten Shops nicht schön gemacht sind.
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Rosalie Thomass und Sigi Zimmerschied in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Was macht denn einen schönen Sex-Shop aus?

Thomass: Der sollte wie eine Boutique eingerichtet sein, mit hellen Farben und sauber. Wir haben ja auch in einem gedreht und das fand ich eklig. Diese Schmuddelpornos und überall diese Riesendinger, wo man nicht weiß... Für mich hat Sexualität mit Ästhetik und Erotik zu tun. Billig mag ich nicht.

Ricore: Gehören Sex und Liebe für Sie immer zusammen?

Thomass: Das soll jeder selber entscheiden. Ich will mir gar nicht anmaßen, da eine Meinung zu haben.

Ricore: Im Film müssen sich die Figuren damit auseinander setzen.

Thomass: In dem Film geht es auf ganz vielen Ebenen darum, sich frei zu machen. Es geht um die Emanzipation aus verschiedenen Zwängen, ob das jetzt die Gemeinschaft oder die Kirche oder die inneren Zwänge sind, die diese Frauen haben. Der Telefonsex ist ja nur der Aufhänger, aber das funktioniert für den Film einfach gut. Die eine denkt, sie muss immer für ihre Tochter da sein, meine Figur denkt, sie müsste unbedingt nach München. Aber sie sollen sich frei machen von diesem Käse und sich wohl fühlen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 19. Oktober 2011
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