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Daniel Radcliffe in München
Aus der Zauber...
Interview: Daniel Radcliffe blickt nach vorn
Daniel Radcliffes Lehrjahre in Hogwarts' Zauberschule sind vorbei. Nach dem Ende der "Harry Potter"-Reihe muss sich der britische Schauspieler neuen Herausforderungen stellen. Den Anfang macht er mit "Die Frau in Schwarz". In dem Horrorfilm spielt Radcliffe einen jungen Anwalt, der es mit furchteinflößenden Geistererscheinungen zu tun bekommt. Im Interview mit Filmreporter.de spricht der 22-Jährige über den Druck, an die immensen Erfolge von "Harry Potter" anzuknüpfen. Zudem verrät er uns, ob und wie er trotz des Hypes um seine Person auf dem Boden bleibt und wie die Jahre in Hogwarts sein Leben verändert haben.
erschienen am 28. 03. 2012
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Die Frau in Schwarz
Ricore Text: Mit "Die Frau in Schwarz" haben Sie einen furchteinflößenden Film gedreht. Wovor haben Sie im wahren Leben Angst?

Daniel Radcliffe: Ich habe keine wirklichen Phobien. Was ich wirklich hasse, sind Kakerlaken. Doch eigentlich habe ich eher vor grundlegenderen Dingen Angst, etwa davor, zu versagen.

Ricore: Ein zentrales Thema des Films ist die Frage nach einem jenseitigen Leben. Wie stehen Sie dazu?

Radcliffe: An ein Leben nach dem Tod oder Geister glaube ich nicht. Ich glaube, das gilt auch für den Regisseur und die Autorin des Films, weshalb es irgendwie ironisch ist, dass wir so einen Film gedreht haben.

Ricore: Haben Sie sich viele Gedanken darüber gemacht, welche Rolle Sie nach "Harry Potter" als nächstes annehmen werden?

Radcliffe: Ja, absolut. An diesem Punkt meiner Karriere geht es in erster Linie um die Entscheidungen, die man trifft. Wobei das im Grunde für jeden Abschnitt meiner Karriere zutrifft. Es gab noch einige andere Drehbücher, die sehr gut waren. Doch als ich das Drehbuch zu "Die Frau in Schwarz" erhielt, wusste ich, dass es genau das Richtige ist. Es war sehr aufregend und las sich zum Teil wie ein Roman. Es kommt sehr selten vor, dass ein Drehbuch mit so wenig Dialog und so vielen Regieanweisungen beim Lesen so zugänglich ist. Ich denke, es ist ein guter erster Schritt nach "Harry Potter", da ich darin ganz anders aussehe. Zudem ist die Geschichte sehr gut. Auch die Leute, die bloß sehen wollen, was Harry Potter als nächstes macht, sind bereits nach den ersten zehn Minuten vor allem vom Inhalt gefesselt.

Ricore: Welche Rolle spielt das Feedback der "Harry Potter"-Fans bei Ihrer Rollenauswahl?

Radcliffe: Ich lasse mich nicht von dem beeinflussen, was andere Leute von mir erwarten. Wenn die Fans meine Rolle in "Equus" akzeptiert haben, akzeptieren sie auch alles andere [lacht]. Das war sozusagen der Härtetest für die Fans.

Ricore: Nutzen Sie Internetseiten wie Twitter und Facebook?

Radcliffe: Facebook nutze ich gar nicht und Twitter nur gelegentlich. Die Twitter-Seiten mancher Leute sind aber sehr witzig.
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Daniel Radcliffe bei der Premiere von "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - 1"
Ricore: Wann haben Sie sich das letzte Mal selbst auf Google gesucht?

Radcliffe: Ich gebe meinen Namen ziemlich häufig bei Google ein, aber ich drücke nie Enter [lacht]. Ich schaue mir bloß die empfohlenen Suchbegriffe an, die neben meinem Namen auftauchen. Momentan sind die ersten vier: Twitter, schwul, Alkoholiker und IMDB. Dabei bin ich weder schwul, noch habe ich einen Twitter-Account [lacht]. Es gibt allerdings mehrere Versionen von mir bei Twitter. Manchmal treffe ich Leute, die sagen, dass sie mit mir über Twitter gechattet hätten. Denen sage ich, dass sie mit einem Lügner gesprochen haben und dass man mit mir nicht im Internet reden kann.

Ricore: Sie nehmen das offenbar ziemlich gelassen.

Radcliffe: Nun, ich denke, dass die Nutzung von Twitter für Schauspieler gefährlich sein kann. Oft wird es als Werbemittel genutzt, was ich gut nachvollziehen kann. Doch sobald man anfängt, den Fans alles was man macht mitzuteilen, erwarten sie das für den Rest deines Lebens. Das macht es dann sehr schwer, darauf zu bestehen, dass man auch ein Recht auf Privatsphäre hat. Es ist einfach auch krank [lacht]! Ich denke nicht, dass die Dinge aus meinem alltäglichen Leben interessant genug sind, um sie jedem mitzuteilen. So eine hohe Meinung von mir selbst habe ich nicht [lacht].

Ricore: Sind Sie selbst Fan irgendwelcher Stars, die Sie gerne näher kennen lernen würden?

Radcliffe: Ich habe gelernt, dass es nur selten eine gute Idee ist, seine Helden persönlich zu treffen. Vor allem, wenn es sich dabei um Musiker handelt. Ich werde natürlich keine Namen nennen. Es war eine amerikanische Band, mehr verrate ich nicht. Und die haben sich schließlich als Arschlöcher entpuppt [lacht]. Das ist natürlich sehr desillusionierend. Auf der anderen Seite ist es natürlich wundervoll, wenn man eine Band trifft, die man mag und auch im wahren Leben tolle Menschen sind. Dadurch weiß man deren Musik noch mehr zu schätzen.

Ricore: Können Sie eigentlich noch ganz normal in den Supermarkt gehen, ohne von Fans erkannt zu werden?

Radcliffe: Ja, überraschenderweise schon. Ich bin ziemlich klein, ich ziehe also einfach meine Kapuze an und halte meinen Kopf gesenkt, so dass mich niemand bemerkt. Wenn ich in der Öffentlichkeit mit meiner Freundin spaziere, vermeide ich Augenkontakt. Ich schaue also nach unten und folge einfach ihren Füßen. Das sieht ziemlich witzig aus. Wenn Sie jemanden so rumlaufen sehen, bin ich das vermutlich [lacht].
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Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - 2
Ricore: Wie groß ist Ihre Angst, dass Sie trotz anderer Filme immer wieder auf Harry Potter reduziert werden?

Radcliffe: Ich hoffe, dass jeder Film, den ich von nun an mache, eine andere Seite von mir zeigen wird. Das hängt auch vom äußeren Erscheinungsbild ab. Offensichtlich assoziiert man mein Gesicht mit einem Charakter, den ich sehr lange Zeit gespielt habe. Daher ist es schwer, als jemand anderes wahrgenommen zu werden. Doch ich denke, dass ich ein ziemlich wandelbares Gesicht habe. Bei "Die Frau in Schwarz" war es aufregend, ganz anders aussehen zu können.

Ricore: Beunruhigt es Sie, mit Ihren zukünftigen Rollen möglicherweise nicht mehr an den immensen Erfolg von "Harry Potter" heranzukommen?

Radcliffe: Nicht wirklich. Bislang war ich auch mit meinen anderen Rollen relativ erfolgreich. Zwar war "December Boys" ein kleiner Independentfilm, den kaum einer gesehen hat, doch das ist okay, so ist das manchmal eben. Doch ansonsten lief es mit meinen anderen Rollen gut.

Ricore: Wann werden wir eine Komödie mit Ihnen sehen?

Radcliffe: Ich würde sehr gerne eine Komödie machen. Es wäre toll, mit Will Ferrell, Steve Carell oder Paul Rudd zu drehen.

Ricore: Inwiefern hat "Harry Potter" rückblickend betrachtet Ihr Leben verändert?

Radcliffe: Im Nachhinein betrachtet, habe ich durch "Harry Potter" eine immense Liebe zur Filmindustrie und zur Arbeit am Set entwickelt. Vor kurzem wurde ich gefragt, warum ich trotz des vielen Geldes, das ich verdient habe, nach wie vor arbeite. Nun, ich arbeite bereits seit meinem zehnten Lebensjahr und zwar nahezu jeden Tag. Ich wüsste nicht, was ich stattdessen machen sollte. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie mein Leben ohne diese Arbeitsstrukturen aussehen würde. Offenbar habe ich dieses Arbeitsethos von meinen Eltern, die beide sehr hart arbeiten. Was immer ich mache, mache ich so gut ich nur kann. Gerade von jungen Schauspielern hat man heutzutage den Eindruck, dass sie zu sehr verwöhnt werden und ich möchte zeigen, dass das auf die meisten Schauspieler gar nicht zutrifft.

Ricore: Wie haben Sie es angesichts des immensen Hypes um "Harry Potter" geschafft, über all die Jahre auf dem Boden zu bleiben und sich auf die Arbeit zu konzentrieren?

Radcliffe: Ich weiß es nicht. Ich liebe einfach meine Arbeit, sie ist das einzige, was für mich zählt. Alles andere ist zweitrangig. Die Premieren sind toll, doch das einzige, was ich an den Premieren wirklich schätze, ist die Möglichkeit, mit den Fans auf eine sehr unmittelbare Weise in Kontakt zu treten. Dadurch hat man die Möglichkeit, sich für die Unterstützung zu bedanken. Das ist toll. Ich hasse es allerdings, mich selbst auf der Leinwand zu sehen. Ich konzentriere mich lieber allein auf die Arbeit. Zudem ist das System in Großbritannien ganz anders als in den USA. In den USA behandelt man Kinderdarsteller in erster Linie als Darsteller, während man sie in England in erster Linie als Kinder behandelt, was eindeutig der richtige Weg ist.
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Daniel Radcliffe und Rupert Grint in "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - 1 (3D)"
Ricore: Wie verbringen Sie Ihre Zeit, wenn Sie mal nicht arbeiten?

Radcliffe: Ich lese viel und habe in den letzten Jahren Tanz- und Gesangskurse genommen.

Ricore: Haben Sie sich von dem vielen Geld, das Sie für "Harry Potter" verdient haben, auch etwas ganz ausgefallenes gekauft?

Radcliffe: Ich bin nicht annähernd so extravagant wie Rupert Grint. Er hat das Geld für Dinge ausgegeben, die wir uns alle kaufen wollten, als wir fünf Jahre alt waren. Rupert hat sich sein Traumhaus auf dem Land gebaut. Und dann seine Tiere. Ich werde keine Zahlen nennen, aber er hat Katzen, Hunde, Pfaue, Schweine, Esel, Pferde und - das ist wirklich wahr - 14 Lamas. Zudem hat er einen Eiscremewagen. Wenn man Rupert trifft, ist er dieser ruhige, zurückhaltende Typ, von dem man nie erwarten würde, dass er so exzentrisch ist [lacht]. Bei mir ist es ganz langweilig. Meine Mutter hat das Geld investiert.

Ricore: Schauen Sie sich selbst gerne Horrorfilme an?

Radcliffe: Ja, wobei man bei Horror heutzutage an Folterpornos denkt, an Filme wie "Saw". Ich mag dagegen Filme wie "Shining", das ist mein Favorit. Das Werk ist eines der besten Beispiele dafür, wie ein Regisseur dich förmlich dazu bringen kann, in den Verstand seines Protagonisten einzutauchen. Die Auswahl der Sets, die Kostüme, alles daran ist brillant. Jack Nicholson ist ebenfalls herausragend, doch der Film trägt zu jedem Zeitpunkt die Handschrift von Stanley Kubrick. Einfach großartig!

Ricore: Engagieren Sie sich nach wie vor das Trevor Project [US-Telefonseelsorge für jugendliche Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender, die selbstmordgefährdet sind, Anm. d. Red.]?

Radcliffe: Ja, es ist eine wundervolle Organisation, die immer besser wird. Ich denke, dass unsere Generation immer wieder als eine gleichgültige Generation wahrgenommen wird, der alles egal ist. Beim Trevor Project gibt es aber so viele junge Leute, die sich an einem Wochenende in New York zusammenfinden und ihre Gedanken und Ideen austauschen. Daraufhin gehen sie zurück in ihre Gemeinden, um das anzuwenden, was sie gelernt haben. Es ist ungemein inspirierend, von 30 leidenschaftlichen und einfühlsamen Leuten umgeben zu sein, die in meinem Alter oder noch jünger sind.
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Daniel Radcliffe auf der Concorde Tradeshow in München anlässlich von "Die Frau in Schwarz"
Ricore: Machen Sie sich als politisch engagierter Mensch auch Gedanken darüber, wie Sie mit Hilfe Ihres enormen Reichtums die Welt verbessern könnten?

Radcliffe: Ja, doch ich denke, dass man mit Leidenschaft dabei sein muss. Man kann sein Geld nicht an jede Organisation spenden. Wenn man nicht leidenschaftlich engagiert ist und wirklich etwas dazu zu sagen hat, fließt das Geld zwar trotzdem in die Organisation, doch die Absichten wären unaufrichtig. Ich habe natürlich mehr Geld, als ich je werde ausgeben können und ich hoffe, dass meine Familie und die kommenden Generationen davon profitieren werden.

Ricore: Wollen Sie auch selbst einmal Kinder haben?

Radcliffe: Ich kann es gar nicht erwarten, Vater zu werden. Ich weiß nicht, wann es mal soweit sein wird, momentan jedenfalls nicht. Während meiner Zeit bei "Harry Potter" konnte ich miterleben, wie Freunde von mir Väter wurden. Die Veränderungen, die damit einhergehen, sind sehr inspirierend. Ich freue mich also darauf, irgendwann Vater zu werden. Zumal ich denke, dass meine Kinder übergeschnappt sein werden, was ein großer Spaß werden wird [lacht].

Ricore: Sie spielen demnächst den Poeten und Sänger Allen Ginsberg. Waren Sie schon zuvor mit seiner Poesie vertraut?

Radcliffe: Ja, wobei ich eigentlich nie viel für freie Verse übrig hatte. Ich habe immer Metrik und Reime bevorzugt. John Keats und Lord Byron gehören zu meinen Favoriten. Bei der Recherche über Ginsberg lerne ich eine Menge über ihn. Seine Poesie gab ihm die einzige Möglichkeit, konfrontativ zu sein, da seine Mutter eine tiefe Persönlichkeitsstörung hatte, so dass er immer versucht hat, ein ruhiges Umfeld für sie zu schaffen.

Ricore: Würden Sie sagen, dass Sie inzwischen ein ruhigeres Leben führen und Ihre wilden Partytage während der "Harry Potter"-Zeit vorbei sind?

Radcliffe: Die wilden Tage haben nicht zwangsläufig etwas mit "Harry Potter" zu tun. Die Frage ist, was 'wild' bedeutet. Das Trinken wäre wohl auch ohne "Harry Potter" so gekommen. Ich habe festgestellt, dass ich damit ein Problem hatte und habe das inzwischen in Ordnung gebracht. Darüber bin ich sehr glücklich.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 28. März 2012
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2024