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Tomas Alfredson am Set von "So finster die Nacht"
Wichtig, Dinge auszulassen
Interview: Tomas Alfredson fokussiert auf Emotionen
Seit seinem Vampirfilm "So finster die Nacht" hat die Filmindustrie den schwedischen Regisseur auf der Rechnung. Mit "Dame, König, As, Spion" bekommt Tomas Alfredson nun die Möglichkeit, seinen eigenen Regiestil dem internationalen Publikum vorzuführen. Im Interview mit Filmreporter.de erzählt er, dass es ihm beim Filmemachen vor allem um Emotionen geht. Auch wenn der Spionage-Thriller ein großer Erfolg geworden ist, möchte der Schwede lieber in Europa bleiben als dauerhaft nach Hollywood zu gehen.
erschienen am 1. 02. 2012
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Dame, König, As, Spion
Ricore Text: Wie sind Sie an die Verfilmung dieses komplexen Romans von John Le Carré herangegangen?

Tomas Alfredson: Es war sehr kompliziert, das ganze auf zwei Stunden Erzählzeit zu reduzieren. Aber das ist immer so, wenn man einen Roman verfilmt. Man muss das Filet finden und herausschneiden und sich darauf konzentrieren. In diesem Fall dachten wir, dass wir uns auf den emotionalen Part der Geschichte konzentrieren sollten.

Ricore: Was war komplizierter, die Handlung neu zu strukturieren oder die Atmosphäre des Kalten Krieges in Bilder zu fassen?

Alfredson: Das ist eigentlich das Schönste am Filmemachen, Bilder zu schaffen.

Ricore: Zuvor haben sie nur in Schweden gearbeitet. Zögerten Sie, als man Ihnen die Regie für ein so großes internationales Projekt anbot?

Alfredson: Nachdem "So finster die Nacht" abgeschlossen war, lies ich mir 18 Monate Zeit zu entscheiden, was ich als nächstes tun wollte. Ich wollte gerne etwas in englischer Sprache versuchen. Aber so etwas ist ein großer Sprung, auch wenn man schon erwachsen ist. Ich bin sehr froh, dass mir so etwas nicht passiert ist, als ich Anfang 20 war. Man muss sehr sorgfältig sein. Man muss bei einem so großen Projekt schließlich die gleichen Entscheidungen treffen wie sonst auch. Dabei darf man sich von den großen Namen und dem Budget nicht einschüchtern lassen. Man sollte weiter mit dem Herz bei der Sache bleiben.

Ricore: Waren Sie nervös, als Sie wussten, dass Sie mit Gary Oldman und Colin Firth zusammen arbeiten werden?

Alfredson: Anfangs war ich etwas nervös, weil ich dachte, was soll ich sagen und was werden sie von mir denken. Aber wenn man zu arbeiten beginnt, ist das weg. Sie sind großartige Schauspieler und freundliche Personen.
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Colin Firth in "Dame, König, As, Spion"
Ricore: Waren Sie in den Casting Prozess eingebunden?

Alfredson: Ja. Vor allem in Großbritannien ist die Figur des George Smiley sehr eng mit Sir Alec Guinnes verbunden. Daher fand ich, dass wir wirklich einen anderen Typ mit einer anderen Energie brauchen würden. Ich wollte jemanden, der als Schauspieler sehr erfahren ist, der aber nicht mit solchen Rollen assoziiert wird. Gary hat schon so viele Rollen gespielt, aber niemals den ruhigen, unscheinbaren Typen.

Ricore: Warum haben Sie die Geschichte nicht in die heutige Zeit verlegt?

Alfredson: Für mich ist Film ein sehr emotionales Medium. Man kann einen Film in einem Raumschiff spielen lassen und ihn dadurch interessant machen, dass man sich auf die Emotionen und das Menschliche bezieht. Das gleiche gilt für einen Film, der im 15. Jahrhundert spielt. Wenn es um Liebe oder Hass geht, wird man von der Geschichte eingenommen.

Ricore: Worum geht es in Ihrem Film?

Alfredson: In "Dame, König, As, Spion" geht es um grundsätzliche Werte wie Loyalität und Freundschaft. Die Spione bewegen sich in einem Umfeld, in dem jeder ihr Feind sein könnte. Im Krieg begegnet man dem definierten Feind Seite an Seite. Aber in dieser Welt könnte jeder ein Feind sein, sogar der eigene Vater. Das macht das ganze persönlich, gleichzeitig dürfen sie ihre Gefühle nicht zeigen. Das ist es, was mich an der Geschichte interessierte. Das ist etwas sehr Filmspezifisches, dass eine Figur noch eine versteckte Seite hat.

Ricore: War es Ihre Idee, John le Carré eine kleine Rolle zu geben? Wie weit war er in das Projekt involviert?

Alfredson: Als ich mich zu Beginn mit ihm traf, sagte er etwas sehr Ermutigendes: Wenn Sie mich brauchen, werde ich alle ihre Fragen beantworten. Aber ich werde mich nicht in ihre Arbeit einmischen. Tatsächlich habe ich ihn wegen vieler kleiner Details angerufen. Einmal fragte ich ihn, ob er Agent 009 bei der Weihnachtsparty spielen möchte. Er sagte sofort zu.
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Tomas Alfredson und Gary Oldman am Set von "Dame, König, As, Spion"
Ricore: War es schwierig die 1970er Jahre wieder zum Leben zu erwecken?

Alfredson: Ich wurde 1965 geboren, also habe ich selber noch ziemlich gute Erinnerungen an die 70er. Ich reiste 1973 zum ersten Mal nach England. Ich versuchte also, meine eigenen Erinnerungen nachzubilden.

Ricore: Im Gegensatz zu heutigen Agentenfilmen wirkt der Film etwas altmodisch.

Alfredson: Der Film ist auf seine Art modern. Wenn wir in 1974 gedreht hätten, hätte das Publikum erwartet, dass wir einen politischen Standpunkt beziehen. Zu jener Zeit war alles sehr polarisiert. Mittlerweile haben wir eine historische Distanz zu der Zeit des kalten Krieges. Man kann jetzt also über andere Aspekte als nur die politischen sprechen. In filmischer Hinsicht versuche ich, anderen Filmen aus dem Weg zu gehen. Ich hoffe, meine Inspiration anderweitig zu finden.

Ricore: Interessieren Sie sich für Spionage?

Alfredson: Nicht wirklich. Natürlich ist es eine interessante Welt, vor allem wenn man die persönliche Seite betrachtet. Es wurde sehr langsam und sorgfältig gearbeitet. Es ging gerade nicht darum, Risiken einzugehen, sondern sie zu vermeiden. Es ging nicht darum, Menschen auszuschalten, sondern sie für die eigene Seite einzunehmen. Man wollte sie korrumpieren und kaufen.

Ricore: Im Roman wird der Figur Jim Prideauxs mehr Raum gegeben. Warum entschieden Sie sich, den Fokus auf Smiley zu legen?

Alfredson: Herr le Carré sagte zu Beginn des Projekts: Verfilmt nicht einfach das Buch, es existiert bereits. Es ist ein gutes Buch und ich bin stolz darauf. Und wenn es ein schlechter Film wird, ist das Buch immer noch gut. Bitte machen Sie etwas eigenes. Wenn man einen Film macht, geht es darum, eine Geschichte abzuliefern, auf dem einen Weg oder dem anderen. Aber man muss dem Grundgefühl des Romans gegenüber wahrhaftig bleiben. Im Vergleich zu einem Buch bleibt ein Film oft oberflächlich. Beim Filmemachen geht es darum, Dinge auszulassen. Es geht darum, was man nicht im Bild zeigt. Wenn man das Publikum zur Teilnahme ermutigen will, zeigt man nicht alles.
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Gary Oldman in "Dame, König, As, Spion"
Ricore: Werden die anderen zwei Romane mit Smiley, "Eine Art Held" und "Agent in eigener Sache" auch verfilmt werden?

Alfredson: Wir haben darüber gesprochen. Herr le Carré hat vorgeschlagen, beide Romane in einen Film zu packen. Ich denke, man sollte eine Fortsetzung aus den richtigen Gründen machen, nicht nur weil es erwartet wird. Ich möchte es machen, weil ich davon überzeugt bin. Wir müssen uns also zusammensetzen und überlegen, ob die Geschichte für einen guten Film ausreicht. Ist das nicht der Fall sein, sollte man den Film auch nicht drehen.

Ricore: Wie ist ihr Ansatz beim Filmemachen?

Alfredson: Mir geht es um Emotionen. "So finster die Nacht" wurde von vielen als Horrorfilm bezeichnet. Ich finde das aber nicht. Für mich ist es eher eine Liebesgeschichte oder eine Coming-of-Age-Story. Filmen ein Etikett aufzukleben ist nicht Ziel der Regisseure, das machen die Marketing-Leute gerne.

Ricore: Wie ist die Schlusssequenz des Films entstanden?

Alfredson: Die Weihnachtsparty gehört zu den Dingen, die wir erfunden haben. Im Roman kommt sie nicht vor. Aber sie gibt den einzigen Rahmen, in dem die Figuren nicht wegen ihrer Arbeit zusammenkommen. Ich fragte Herr le Carré, ob so etwas möglich sei. Und er sagte, dass sie jedes Jahr eine Weihnachtsfeier hatten. Die seien sogar ziemlich wild gewesen. Die Party kommt im Film an drei Stellen vor. Jedes Mal hat sie eine andere Funktion und wird von einer anderen Musik untermalt. Ich habe mir fast tausend Songs aus der Zeit angehört. Ich wollte nicht das typische nehmen, was jeder kennt. Das Schlusslied ist alles, was der Film nicht ist. Es soll dem ganzen einen ironischen Unterton geben.

Ricore: Führt Sie Ihre Karriere nun nach Hollywood?

Alfredson: Mir geht es sehr gut damit, in Stockholm zu leben. Wäre ich noch 20 Jahre alt, wäre es eine Überlegung. Aber jetzt möchte ich Europäer bleiben.
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So finster die Nacht
Ricore: Mögen Sie das Remake von "So finster die Nacht"?

Alfredson: Ich habe es nicht gesehen. Ich denke nicht, dass es Sache eines Regisseurs sein sollte, eine Meinung über die Filme anderer Regisseure zu haben.

Ricore: Aber finden Sie es in Ordnung, das Hollywood ständig Remakes von skandinavischen Filmen macht?

Alfredson: Sie meinen zum Beispiel "Verblendung"? Die Welt ist ein seltsamer Ort, in vielerlei Hinsicht. Es sieht so aus, dass die Filmindustrie nach Sicherheit strebt. Sie wollen keine Experimente machen. Aber vielleicht ist die Filmindustrie auch in einem Stadium angekommen, an dem sie anfängt, sich selbst neu zu erfinden. So war es auch beim Theater vor ein paar hundert Jahren, als auf einmal Shakespeare und Molière neu aufgeführt wurden. Ein Effekt der Globalisierung ist, dass man etwas finden möchte, das ein wenig exotisch ist. Aber nicht zu exotisch. Sie grasen verschiedene Länder ab und aus irgendwelchen Gründen ist der aktuelle Geschmack skandinavisch.

Ricore: Gab es die Überlegung, den Film wie einen Bond-Film zu inszenieren?

Alfredson: Man kann "Dame, König, As, Spion" nicht mit "James Bond" vergleichen. James Bond ist ein Märchen und hat wenig mit der Realität zu tun.

Ricore: Würden Sie gerne mal einen Bond-Film drehen?

Alfredson: Die Frage ist wohl eher, ob irgendjemand ein Interesse daran hat, mich das machen zu lassen. Das würde wohl ein sehr langsamer und seltsamer Bond-Film werden (lacht).

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch!
erschienen am 1. Februar 2012
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Als Sohn eines Regisseurs und Comedians ist Tomas Alfredson schon früh Objekt öffentlicher Aufmerksamkeit. So bekommt er bereits als Kind Rollen in den Filmen seines Vaters Hans Alfredson und dessen Comedy-Partners Tage Danielsson. Seine ersten eigenen Gehversuche als Regisseur macht er im Laufe der 1990er Jahre im schwedischen Fernsehen. 1995 gibt er mit der Jugendbuchverfilmung "Bert, die letzte Jungfrau" sein Kinodebüt. Seit 2000 arbeitet Alfredson als Regisseur mit der Comedy-Gruppe..
Nachdem bereits 1979 John Le Carrés Roman "Dame, König, As, Spion" als Fernsehmehrteiler adaptiert wurde, hat sich nun Tomas Alfredson an den Stoff gewagt. In der Verfilmung des schwedischen Regisseurs übernimmt Gary Oldman die Rolle des alternden Agenten George Smiley, der einen Verräter in den Reihen des britischen Secret Service ausfindig machen soll. Dabei liefert der Schauspieler mit seinem präzisen Spiel eine hervorragende Leistung. Ebenso brillant ist die wohldurchdachte Inszenierung,..
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