Constantin Film
Mickey Rourke in "Krieg der Götter"
"Ich habe mehr Fehler gemacht als jeder andere"
Interview: Bittere Erkenntnis: Mickey Rourke
Mickey Rourke war längst abgeschrieben. Zwölf Jahre war der Hollywood-Rebell in der Versenkung versunken und reagierte seine Aggressionen als Profiboxer ab. Rourke sieht sein Karrieretief weniger als selbstzerstörerischer Lebensabschnitt, sondern vielmehr als Schule fürs Leben. Das behauptet Rourke zumindest heute, nachdem er mit "The Wrestler" wieder auf einer Erfolgswelle schwimmt. Anlässlich seiner Rolle in "Krieg der Götter" hat sich Filmreporter.de in Beverly Hills mit dem 59-Jährigen unterhalten. Darin ließ der Geläuterte die Höhe- und Tiefpunkte seines Lebens Revue passieren.
erschienen am 13. 08. 2012
Kinowelt Filmverleih
Mickey Rourke in "Angel Heart"
Mickey Rourke ist zurück
Ricore Text: Mr. Rourke in "Krieg der Götter" spielen Sie einen Bösewicht. Wenn Sie so eine Rolle verkörpern, neigen Sie eher zu Über- oder Untertreibungen?

Mickey Rourke: Wenn ich einen Bösewicht verkörpere, suche ich immer die andere Seite seines Wesens. Das führt zwar immer zu Auseinandersetzungen mit Regisseuren und Studiobossen, aber ich möchte nun mal nicht immer der Böse sein. Ich bin kein schlechter Mensch.

Ricore: Sie glauben an das Gute im Menschen?

Rourke: Früher kannte ich einige Verbrecher, die sogar Menschen getötet haben. Ich hätte diese Leute ohne zu Zögern meiner Mutter und meiner Freundin vorstellen können. Es waren nette Menschen, solange man nichts Falsches gesagt hat. Auch sie hatten ihre guten Momente.

Ricore: Bei Ihnen hat man oft den Eindruck, dass Sie hinter die Oberfläche Hollywoods schauen. Ist das das Geheimnis ihres Comebacks?

Rourke: Ich habe in meiner Karriere mehr Fehler gemacht als jeder andere in Hollywood. Ich war über zwölf Jahre ohne Engagements. In dieser Zeit hatte ich einige gute Ratschläge bekommen, was ich anders machen und wie ich mein Leben ändern solle.

Ricore: Was war der Grund, dass Sie Ihre Illusionen über Hollywood verloren haben?

Rourke: Als ich jung war, wollte ich nur schauspielern. Ich sah Al Pacino, Harvey Keitel und Christopher Walken und wollte wie sie sein. Dann kam ich nach Hollywood und merkte, dass sich alles ums Geld dreht. Und darum, wie gut man aussieht. Das hat es mir verdorben.

Ricore: Aus diesem Grund entschlossen Sie sich, der Branche den Rücken zu kehren und Profiboxer zu werden?

Rourke: Ja, das war der Grund. Ich brauchte den Sport, um wieder runterzukommen. Hier gab es keine Lügen. Wenn man nicht vorbereitet war, wurde man k.o. geschlagen. So einfach war das. Das mochte ich.

Ricore: Viele Menschen dachten, dass Sie verrückt geworden seien, weil Sie sich Ihr hübsches Gesicht malträtieren ließen.

Rourke: Jeder hat mich dafür kritisiert. Alle sagten, dass das selbstzerstörerisch sei. Das war es aber nicht, es war eine gute Sache. Es ging nur um Konzentration und darum, vorbereitet zu sein. In gewisser Weise hat das Boxen mich gerettet. Und der Mann da oben hat auch dazu beigetragen.
Paramount Pictures
Mickey Rourke
Mickey Rourke: Leben auf die harte Tour
Ricore: Heute sind Sie Golde Globe-Preisträger. Wie war es, als Schauspieler zwölf Jahre abgeschrieben zu sein?

Rourke: Vielleicht brauchte ich diese zwölf Jahre. Ich musste das Leben auf die harte Tour kennenlernen. Heute bin ich dafür dankbar.

Ricore: Gaben Sie anderen die Schuld?

Rourke: Nein, das tat ich nicht. Ich wusste, dass das meine Fehler waren. Ich musste in den Spiegel blicken und mir eingestehen, dass ich selbst für das Chaos in meinem Leben verantwortlich war.

Ricore: Waren Sie jemals faul?

Rourke: Als Student habe ich härter gearbeitet als jeder andere, um in dem was ich tat, gut zu sein. Dann machte ich einen Kopfsprung vom Berg, noch bevor ich dessen Spitze erklommen hatte. In den 1980er Jahren fing ich an zu arbeiten und hörte damit in den 1990ern auf. Auf diese Weise lernt man das Leben kennen.

Ricore: Was war die mutigste Entscheidung Ihres Lebens?

Rourke: Ich denke die Veränderung, die ich in mir selbst vorgenommen hatte. Ich musste mich entwaffnen. Heute bin ich nicht mehr so wütend wie noch vor 20 Jahren. Mit vielen Dingen konnte ich nicht umgehen. Heute geht es mir viel besser.

Ricore: Was ist ihre Lebensphilosophie?

Rourke: Es geht im Leben um alles oder nichts. Man darf keine Angst vor mutigen Entscheidungen haben. Wenn man mutige Entscheidungen trifft, erregt man die Aufmerksamkeit seiner Mitmenschen. Man darf auch keine Angst davor haben, dass die Entscheidung falsch sein könnte. Mit dem Leben verhält es sich wie mit einem Krebsgeschwür. Man kann nicht nur ein Stück entfernen, man muss alles herausschneiden.

Ricore: Haben Sie heute Ihr Gleichgewicht gefunden?

Rourke: Ich bin auf dem richtigen Weg. Ich habe immer noch so meine Schwierigkeiten mit autoritärem Verhalten. Andererseits bin auch kompromissbereit. Die Menschen kennen mich heute. Sie wissen, was sie bekommen, wenn sie bei mir einen bestimmten Knopf drücken. Engagiert mich nicht, um mit mir zu spielen. Dafür ist das Leben zu kurz.
20th Century Fox
9 1/2 Wochen (Nine 1/2 Weeks, 1986)
Mir sind Schauspieler egal
Ricore: Haben Sie Ihre beste Arbeit schon angeliefert?

Rourke: Nein, das habe ich nicht. Ich arbeite zurzeit daran. Ich bereite einen Film über einen schwulen Rugby-Spieler vor. Es ist eine Herausforderung und ein Herzensprojekt. Ich möchte, dass das die beste Rolle meines Lebens wird.

Ricore: Brauchen Sie solche Herausforderungen, um im Filmgeschäft zu bleiben?

Rourke: So lange ich solche Herausforderungen habe und alles für ein Projekt geben kann, fühle ich mich wohl. Wenn ich scheitere, weiß ich wenigstens, dass ich alles gegeben habe. Darum geht es doch im Leben, oder nicht?

Ricore: Sie sind Schauspieler, umgeben sich aber überwiegend mit Menschen außerhalb der Branche. Mögen Sie keine Schauspieler?

Rourke: Mir sind Schauspieler egal. Es gefällt mir nicht, wie sich die meisten verhalten.

Ricore: Schauen Sie sich manchmal Ihre alten Filme im Fernsehen an? Etwa "9 1/2 Wochen".

Rourke: (lacht). Diesen Film habe ich zum ersten Mal vor ungefähr fünf Jahren gesehen. Ich mag es nicht, mich im Fernsehen zu sehen. Vor allem deshalb nicht, weil ich früher viel besser ausgesehen habe. Es deprimiert mich. Dafür sah Kim Basinger in "9 1/2 Wochen" besonders heiß aus.

Ricore: Haben Sie Angst vor dem älter werden?

Rourke: Früher sah ich besser aus. Es ist scheiße, sich selbst beim Verwelken zusehen zu müssen. Ich frage mich, wie andere Menschen damit umgehen.

Ricore: In "Krieg der Götter" hat Ihr Charakter viele Narben. Glauben Sie, dass Narben gut aussehen?

Rourke: Ich weiß es nicht. Ich habe die meisten meiner Narben entfernen lassen (lacht). Äußere Narben können durchaus gut aussehen. Anders verhält es sich mit den inneren Narben. Das sind wichtige Narben.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch
erschienen am 13. August 2012
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