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Stellan Skarsgård
"Es bringt nichts, auf Sicherheit zu spielen"
Interview: Stellan Skarsgård spricht Klartext
Stellan Skarsgård ist groß, aber nicht einschüchternd. Der Schwede fühlt sich gleichermaßen in Hollywoodblockbustern wie nordischen Independent-Produktionen wohl. Das Interview bereichert er mit einigen Anekdoten. So erfahre ich, dass er in der mittelalterlichen Unterwäsche die er für "Der Medicus" tragen musste, seine Genitalien kaum wiedergefunden hat. Außerdem wird das Geheimnis gelüftet, warum Krieger Cerdic, den Skarsgård 2004 in "King Arthur" spielte, mit texanischem Akzent spricht.
erschienen am 25. 12. 2013
20th Century Fox
Stellan Skarsgård beim kurzen Austausch mit seinen Fans
Windeln wechseln als Kraftsport...
Ricore Text: Sie haben einen kräftigen Händedruck, Herr Skarsgård!

Stellan Skarsgård: Wissen Sie, ich habe im Laufe der Jahre so viele Windeln gewechselt, das hilft!

Ricore: Auch der Bader, den Sie in "Der Medicus" spielen, ist stark. Mochten Sie ihn?

Skarsgård: Natürlich. Er ist eine starke Figur, gleichzeitig aber auch kindlich, kaum zu bändigen, einfach so menschlich. Die meisten Menschen sind im Inneren große Kinder, nur verstecken sie das. Aber der Bader macht das nicht. Er wechselt von brutal zu Selbstmitleid, zu dumm oder nett. Vor allem seine nette Seite kann er selbst nicht leiden. Sie bringt ihn nicht weiter.

Ricore: Tom Payne hat von ihrer gemeinsamen Zeit während der Dreharbeiten geschwärmt.

Skarsgård: Wir hatten wirklich eine tolle Zeit. Ich denke, das wird man dem Film auch ansehen. Wir haben eine innere Verbindung gefunden. Er spielt übrigens den schlaueren von uns. Und ich spiele den Typ, der ihm niemals sagen würde, dass er ihn liebt.

Ricore: Wie unterscheidet sich dieser Film von den Hollywoodproduktionen, in denen Sie sonst oft spielen?

Skarsgård: Es stand weniger Geld zu Verfügung.

Ricore: Woran merken Sie das?

Skarsgård: Na, mein Wohnwagen ist viel kleiner. Es waren fürchterliche Arbeitsbedingungen (lacht). Nein, im Ernst. Wenn weniger Geld da ist, laufen auch weniger Banker am Set herum, die versuchen ihre Investition zu schützen. Das ist gut, denn dann hat der Regisseur mehr Freiheiten das zu tun, was er für richtig hält. Andererseits fühlt sich auch manchmal ein Hollywoodfilm wie ein Independentfilm an. Mit Gore Verbinski bei "Pirates of the Caribbean - Am Ende der Welt" fühlte es sich wie ein kleiner Film an, weil man tun konnte, was man wollte.

Ricore: Wirkt sich das Finanzielle nicht auch aufs Setdesign aus?

Skarsgård: Also das Produktionsdesign und die Requisiten bei "Der Medicus" waren unglaublich toll, besser geht es nicht. Haben Sie meinen Planwagen gesehen? Er ist fantastisch! Alles Handarbeit. Auch die ganzen Werkzeuge, die der Bader mit sich schleppt. Die könnten aus einem Museum stammen. Ich musste sogar mittelalterliche Unterwäsche tragen. Da fragte ich mich allerdings, ob das wirklich sein musste.
20th Century Fox
Stellan Skarsgård und Tom Payne in "Der Medicus"
Stellan Skarsgård: Diskussion über Toleranz nie beenden
Ricore: Ach...

Skarsgård: Das war gar nicht toll. Es fühlte sich an, als wären meine verdammten Genitalien in einen Turban eingewickelt. Man konnte nichts darin wiederfinden (lacht)!

Ricore: Was gefällt Ihnen an der Geschichte des Romans?

Skarsgård: Ich mag die Idee, die dahinter steckt. Im Herzen ist es eine Geschichte über Menschen und Toleranz. Es geht um den Konflikt zwischen Wissenschaft und Kirche, um Toleranz und Intoleranz. Ich denke, dass das eine Diskussion ist, die wir niemals beenden dürfen.

Ricore: Kommt es Ihnen bei der Rollenauswahl eher auf Ihre Figur oder die gesamte Geschichte an?

Skarsgård: Das ist unterschiedlich. Ich habe mich schon mal in einen Charakter verliebt, dachte aber gleichzeitig, dass das ein ziemlich bescheuerter Film werden könnte. Aber ich wollte den Typ unbedingt spielen. Manchmal ist das Drehbuch so gut, dass ich, auch wenn mein Part nicht so toll ist, ein Teil davon sein will. Oder weil ich mit dem Regisseur und den anderen Schauspielern arbeiten will. Oder es ist eine besonders provokante Rolle ist... Manchmal ist auch die extrem gute Bezahlung ein Grund eine Rolle anzunehmen

Ricore: Bereuen Sie manche Filme, die Sie gemacht haben?

Skarsgård: Nein, ich denke eher, ach, was soll's und mache weiter. Manchmal muss man auch blöde Filme machen. Es bringt nichts, auf Sicherheit zu spielen. Ich habe oft mit Regisseuren gearbeitet, die ihren ersten Film drehten. Da weiß man vorher nicht, ob sie sich in diesem Medium ausdrücken können. Manchmal begibt man sich auf diese Reise und es geht absolut in die Hose oder es entsteht etwas Wunderbares.

Ricore: Ist der Roman "Der Medicus" in Schweden bekannt?

Skarsgård: Viele Leute haben es gelesen. Es ist eines der Lieblingsbücher meiner Schwester.

Ricore: Haben Sie den Roman gelesen?

Skarsgård: Nein. Vielleicht werde ich ihn lesen, aber ich weiß nicht, ob ich die Zeit dafür finde, ich habe zwei kleine Kinder. Ich habe einmal ein Buch gelesen, das dann auch verfilmt wurde. Ich hasste das Buch, aber liebte das Skript. Bei einem Interview wurde ich jedoch gefragt, was ich von dem Autor halte. Ich antwortete ehrlich, dass ich ihn absolut schlecht finde. Da waren eine Menge Leute verärgert.
20th Century Fox
Philipp Stölzl stellt in Berlin "Der Medicus" vor
Stellan Skarsgård: Tourette-Syndrom ziemlich gesund!
Ricore: Im Film geht es auch um Tabus, vor allem um religiöse. Hat sich in dieser Hinsicht viel verändert?

Skarsgård: Es gibt unterschiedliche Tabus. In jeder Gesellschaft gibt es Leute, die die Ausdrucksmöglichkeiten der Menschen einschränken wollen. Und das ist etwas, wogegen man ankämpfen sollte. Also wenn es darum geht, etwas zu verstecken oder jemandem zu nehmen, der andere unterdrückt. Deswegen halte ich Tourette-Syndrom für eine ziemlich gesunde Krankheit.

Ricore: Haben Sie Filmangebote aus moralischen Gründen abgelehnt?

Skarsgård: Ja. Aber ich bin flexibel. Manchmal wehre ich mich aber auch dagegen, wenn ich etwas absolut nicht richtig finde. In "King Arthur" sollte ich den Krieger Cerdic mit deutschem Akzent sprechen. Das fand ich bescheuert. Zwar kam er aus Sachsen, aber ich finde, es gab schon genug Filmbösewichte mit deutschem Akzent. Darauf sagten die Produzenten, aber wir haben schon Til Schweiger als deinen Sohn gecastet, du musst deutsch sprechen. Und ich sagte, ist mir egal, dann mache ich den Film eben nicht. Da gaben sie auf und meinten, es sei ihnen egal, mit welchem Akzent ich spreche. Zu der Zeit marschierten die Amerikaner gerade im Irak ein, also sprach ich meine Rolle mit einem leichten texanischen Akzent, so wie Bush.

Ricore: Wie ist Philipp Stölzl als Regisseur?

Skarsgård: Ich mag ihn. In gewisser Weise ist er etwas seltsam, aber sein Kopf steckt voller Kunst. Das führt zu interessanten Diskussionen. Er liebt das Bild und das tue ich auch. Andererseits macht es mir aber auch Spaß, so ein Bild kaputt zu machen, damit zu spielen. Und er hat mir das erlaubt, ich fühlte mich von ihm nicht eingeschränkt.

Ricore: Wie fühlen Sie sich als Schwede in der internationalen Filmwelt?

Skarsgård: Schweden ist ein Land, in dem es wenig hierarchische Strukturen gibt. Das ist in Amerika oder in Indien ganz anders. Ich behandele immer alle Menschen gleich, egal ob es sich jetzt um den Produzent eines Films handelt oder um einen Laufburschen.

Ricore: Glauben Sie, dass der "Der Medicus" ein internationaler Erfolg wird?

Skarsgård: Das ist schwer vorherzusagen. Er hat auf jeden Fall das Potential. Doch das Distributionssystem ist in den letzten Jahrzehnten zu einem Service für die großen Blockbuster verkommen, dessen Ziel es ist, das Geld in drei Wochen wieder einzuspielen. Es bleibt zu hoffen, dass dieses System unserem Film gerecht werden kann.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch!
erschienen am 25. Dezember 2013
Zum Thema
Bekannt wird Stellan Skarsgård durch die Fernsehserie "Bombi Bitt och jag" (1968). Ab 1972 arbeitete der Schwede am August Strindbergs Drama "Ein Traumspiel" zu sehen war. Ab den frühen 1990er Jahren spielt Skarsgård auch in internationalen Filmproduktionen, so in "Jagd auf roter Oktober" (1990) und "Good Will Hunting" (1997). Er ist auch für die Hautrolle von "Schindlers Liste" im Gespräch, die dann aber doch an Liam Neeson geht. Mit Hans Petter Moland hat er 2010 die Tragikomödie "Ein Mann..
Der Medicus (Kinofilm)
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