Majestic Filmverleih
Anna Maria Sturm in "Beste Chance"
Hang zur Unabhängigkeit
Interview: Umtriebige Anna Maria Sturm
Anna Maria Sturm gehört zu den vielversprechenden Nachwuchsschauspielerinnen. Die Bayerin zeichnet zudem eine besondere Zielstrebigkeit aus, die sich mit einem Drang nach Unabhängigkeit paart. Die begehrte Rolle in der Krimireihe "Polizeiruf 110" schmeißt Sturm mit der Begründung hin, dass sie sich nicht auf eine Rolle festlegen wolle und Zeit für andere interessante Projekte brauche. Andererseits lässt sie sich mit Marcus H. Rosenmüllers "Beste"-Trilogie an ein Langzeitprojekt binden. "Beste Chance" startet sechs Jahre nach dem zweiten Teil der Heimatreihe in den deutschen und österreichischen Kinos. Im Gespräch mit Filmreporter.de erklärt Anna Maria Sturm, warum ihr Freiheitsbedürfnis mit dem ehrgeizigen Projekt nicht kollidierte.
erschienen am 26. 06. 2014
Constantin
Anna Maria Sturm (in "Beste Zeit")
Heimkehr zur Freundin
Ricore Text: Wie war es, nach sechs Jahren Pause wieder die in die Rolle Katis zu schlüpfen?

Anna Maria Sturm: Es war wie eine Art Heimkehr zu einer Freundin. Obwohl so viel Zeit vergangen war, konnte ich schnell wieder in die Rolle hineinfinden. Und das mit den ganzen Erfahrungen, die ich in der Zwischenzeit gemacht habe.

Ricore: Worauf gründet die Vertrautheit mit Kati?

Sturm: "Beste Zeit" war mein erster Film und meine erste große Rolle, was für mich eine sehr intensive Erfahrung war. Ich empfand die Drehzeit als körperlich sehr anstrengend. Wir mussten jeden Tag früh aufstehen und außerdem verlangt einem Rosi beim Drehen immer sehr viel ab. Das alles hatte sich in meinem Körper eingebrannt. Ziemlich bald danach drehten wir "Beste Gegend". Auch das war eine sehr intensive Zeit. Die ersten Erfahrungen im Beruf vergisst man nicht so schnell.

Ricore: Die erste große Rolle in einem Film wie "Beste Zeit" ist ein perfekter Einstieg ins Berufsleben.

Sturm: Ja, das war toll - auch wenn mir damals nicht bewusst war, was diese Rolle für mich bedeutet. Ich war mehr aufs Theater ausgerichtet und dachte noch nicht an eine Kinokarriere. Ich hatte mich auch überhaupt nicht um Filmrollen bemüht. Das war ein Zufall.

Ricore: Muss man die ersten beiden Teile gesehen haben, um "Beste Chance" zu verstehen?

Sturm: Nein, der Film steht für sich alleine. Es ist aber gut, die anderen Teile zu kennen. Der Charme der Trilogie liegt in der Entwicklung der Hauptfiguren.

Ricore: Eigentlich spräche nichts gegen einen vierten Teil, auch wenn die Reihe von Anfang an auf eine Trilogie angelegt wurde.

Sturm: Ich fände die Idee schön. Zumal es im deutschen Kino ein solches Experiment noch nicht gegeben hat. Schauspielerisch ist es ein Privileg, eine Figur über einen längeren Zeitraum spielen zu dürfen.
Paramount
Beste Gegend
Anna Maria Sturm: Heute zum Glück anders
Ricore: Sie sagten einmal, dass Sie als Schauspielerin ungebunden bleiben wollen. Das war auch der Grund, wieso Sie aus der Krimiserie "Polizeiruf 110" ausgestiegen sind. Ist die Beteiligung an einem Langzeit-Projekt wie der "Beste"-Trilogie nicht auch verbindlich?

Sturm: Nein, überhaupt nicht. Die Verbindlichkeit bei dieser Trilogie ist von ganz anderer Art als bei einer Fernsehreihe wie "Polizeiruf 110". So lagen zwischen dem zweiten und dem dritten Teil ganze fünf Jahre. Sollte es mit dem Projekt weitergehen, wer weiß, wann der nächste Film gemacht wird. Bei "Polizeiruf" wurden zwei Filme im Jahr gedreht, sodass ganze Zeiträume gesperrt waren. Das bedingte eine viel strengere Terminplanung und versperrte mir viele andere interessante Projekte.

Ricore: Der Konflikt zwischen Heimatverbundenheit und Fernweh zieht sich wie ein roter Faden durch die "Beste"-Reihe. Ist Ihnen dieser Konflikt vertraut?

Sturm: Ja, ich komme auch aus einer kleinen Stadt, nämlich aus Schwandorf in der Oberpfalz. Dort hatte ich eine feste Clique, beste Freundinnen und eine gute Bindung an meine Eltern. Das ist ein sehr beschaulicher und übersichtlicher Ort. Irgendwann musste ich raus in die Welt und das vertraute Umfeld verlassen. Es ist immer schwierig, das Gewohnte für etwas Neues hinter sich zu lassen.

Ricore: In den Filmen geht es unter anderem um Heimat-Verbundenheit. Leiden Sie an Heimweh, da Sie nun in Berlin leben?

Sturm: Als Kind hatte ich immer unfassbares Heimweh. Ich konnte nicht einmal im Kindergarten übernachten. Auch im Jugendheim heulte ich die ganze Zeit, weil ich zwei Tage von zu Hause weg war. Heute ist es zum Glück anders. Ich habe die Angst vor Neuem stärker im Griff.

Ricore: Fühlen Sie sich in der Stadt oder im Land wohler?

Sturm: Ich habe eine große Toleranz gegenüber jedem Lebensstil. Ich schätze sowohl das Stadt- als auch das Landleben. Ich liebe die Natur, wo ich gerne allein bin. Gleichzeitig finde ich Berlin toll, wo man vieles unternehmen kann. Die Stadt hat auch ihren Reiz, hier ist immer was los. Wenn ich nach Schwandorf reise und feststelle, dass jemand aus meinem Freundeskreis eine Familie gegründet hat, dann freue ich mich sehr darüber. Bei mir ist das ganz anders. Ich reise viel herum, was den Vorteil mit sich bringt, dass man viel von der Welt sieht.
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...ins warme Indien (Anna Maria Sturm mit dem kleinen Muskaan Khan in "Beste Chance")
Heimat auch ohne mia san mia
Ricore: Für mia san mia können Sie sich also nicht begeistern...

Sturm: [abwehrende Bewegung] Ach Gott! Ich kann es gar nicht leiden, wenn sich jemand über seine Herkunft definiert. Warum muss man sich über seine Stadt oder sein Viertel definieren, wenn sich sowieso alles ändert?

Ricore: Sie selbst fühlen sich in Berlin offenbar wohl. Hat Berlin Sie denn als Bayerin angenommen?

Sturm: Ich habe mir das Leben dort erkämpfen müssen. Natürlich merkt man manchmal Ressentiments, aber da sind die Bayern auch nicht besser (lacht). So etwas kümmert mich nicht. Ich habe mich in Berlin eingelebt und fühle mich dort sehr wohl, zumal viele meiner Freunde dort leben.

Ricore: Dagegen dürfte die Eingewöhnung an ein Land wie Indien schwerer sein. Welche Eindrücke hatten Sie von dem Land?

Sturm: Indien ist stark im Wandel begriffen. Die Armut vieler Menschen hat mich tief getroffen. Die Menschen in Delhi leben wie in einem Bienenstock. Teilweise liegen sie auf der Straße, weil sie rein gar nichts haben. Auch die Umweltverschmutzung hat mich sehr mitgenommen. Es gibt in Indien keine Sensibilität für Naturschutz. Andererseits gab es viele Dinge, die ich toll fand: die alte Kultur, den Stolz der Frauen, die Schönheit der Menschen, vor allem der Kinder, die Mentalität der Inder usw. Es ist eine ganz andere Welt als Deutschland.

Ricore: Als Europäer muss man sich auch erst an die klimatischen Bedingungen gewöhnen.

Sturm: Ja, so ziemlich jeder im Team war krank, hatte Magen-Darm-Grippe oder fühlte sich schlecht. Mir war ziemlich übel, als wir die Zugszene drehten. Ich hatte furchtbare Schmerzen und musste trotzdem an die acht Stunden Zug fahren. Das war nicht einfach.

Ricore: Ein auffälliges Motiv in der "Beste"-Trilogie ist auch der Zusammenhalt vor allem zwischen den Frauen. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, dass Frauenfreundschaften tiefer sind als die von Männern.

Sturm: (lacht) Nein, es ist Zufall, dass sich die Reihe um Frauen dreht. Die Filme hätten auch von Männern handeln können. Aber Sie haben Recht, es geht um Freundschaft und darum, dass man den Wert eines Menschen erkennt, wenn man ihn aus den Augen verliert. Ich habe auch eine sehr gute Freundin, die ich seit einer halben Ewigkeit kenne. Wir sind zusammen aufgewachsen und haben immer noch Kontakt. Wenn es ihr schlecht geht, dann helfe ich natürlich gerne. Man schämt sich nicht, einer Freundin in einer Notsituation zu sagen: Du musst jetzt vorbeikommen. Bei einer richtigen Freundschaft fällt die Maske ab, die man als Mensch oft aufgesetzt hat.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 26. Juni 2014
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Beste Chance (Kinofilm)
In "Beste Chance" erzählt Marcus H. Rosenmüller die Geschichte der Freundinnen Jo (Rosalie Thomass) und Kati (Anna Maria Sturm) zu Ende. Jo schafft es, sich von ihrer bayerischen Heimat zu lösen und bricht nach Indien auf. Kati bleibt zurück, sie will ihr Studium abschließen. Trotz der räumlichen Distanz bleiben die beiden miteinander verbunden. Bald reist Kati aus Sorge der Freundin hinterher, während Jo aber schon wieder auf dem Weg nach Hause ist. Der Abschluss von Marcus H. Rosenmüllers..
Anna Maria Sturm entdeckt schon während der Schulzeit ihr Schauspieltalent. Dennoch studiert sie nach dem Abitur zunächst Pharmazie. Sie bricht das Studium jedoch ab und wechselt 2004 zur Beste Zeit", dem Auftakt von Marcus H. Rosenmüllers "Beste"-Trilogie, gelingt Sturm der Leinwand-Durchbruch. Auch in den Fortsetzungen, "Beste Gegend" und "Beste Chance", ist die Bayerin an der Seite von Rosalie Thomass zu sehen. Die tragende Rolle einer Ermittlerin in der Krimireihe "Polizeiruf 110" schmeißt..
2024