Jean-François Martin/Ricore Text
Sandra Bullock
Keanu tanzt nicht mehr
Interview: Sandra sucht Rollen sorgfältig aus
Sandra Bullock gehört zu den beliebtesten Schauspielerinnen Hollywoods. Die Tochter der verstorbendeutschen Opernsängerin Helga Meyer zeigt sich dennoch nur selten auf der Leinwand. In "Das Haus am See" spielt sie erstmals seit "Speed" wieder an der Seite von Keanu Reeves. Das Drama handelt von einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte. Kate und Alex leben in zeitlich verschobenen Welten, dennoch schreiben sie sich und verlieben sich schließlich ineinander. Neben der Schauspielerei ist Bullock auch als Produzentin tätig. Wir sprachen mit der dynamischen Künstlerin über ihre Pläne und den täglichen Wahnsinn des Showbusiness.
erschienen am 8. 07. 2006
Warner Bros.
Sandra Bullock ist immer wieder bei ihrer deutschen Familie
Ricore: Haben Sie noch Verbindungen zu Deutschland?

Bullock: Meine Familie lebt noch dort.

Ricore: Wie oft kommen Sie zu Besuch?

Bullock: Sie kommen mich diesen Sommer besuchen. Ich werde sie wahrscheinlich nach den Filmfestspielen in Venedig besuchen.

Ricore: Sprechen Sie immer noch fließend Deutsch?

Bullock: Ja.

Ricore: Sie sind haben in Hollywood ihren festen Platz. Dennoch machen Sie nicht sehr viele Filme. Sind Sie wählerischer als ihre Kolleginnen?

Bullock: Glauben sie andere Schauspieler machen wirklich mehr Filme oder zeigen sie sich nur öfter im Rampenlicht, so dass man mehr über sie spricht?

Ricore: Ich denke beides trifft zu. Erstens machen einige Schauspieler wirklich mehr Filme. George Clooney, zum Beispiel, macht drei oder vier Filme im Jahr. Vielleicht steht er deswegen öfter im Rampenlicht und ist ständig in Zeitschriften abgebildet. Aber sie machen nicht so viele Filme. Gehört das zu ihrer Strategie?

Bullock: Ich weiß nicht ob es eine Strategie ist. Keanu und ich sind uns in einer Sache sehr ähnlich. Wir legen großen Wert auf unsere Privatsphäre. Wenn wir nicht arbeiten, wollen wir unser Privatleben genießen. Was ich sehr an Keanu schätzte ist, dass er sein Privatleben nicht für seine Karriere missbraucht. Andere benutzen ihr Privatleben als Instrument und sie machen das sehr gut. Ich will nicht, dass man mir folgt und mich ständig fotografiert. Am liebsten wäre es mir, wenn ich nicht mal während der Arbeit fotografiert werde. Ich bin von Beruf Schauspielerin und das gefällt mir. Aber ich will nicht, dass man außerhalb meines Berufs Dinge über mich erfährt.
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Keanu Reeves und Sandra Bullock wieder zusammen in einem Film
Ricore: Dennoch werden Sie von Stalkern belästigt.

Bullock: Stalker tun mir leid - sie sind krank. Sie werden mit dieser Krankheit geboren und können sie nur schwer kontrollieren. Die haben keine andere Wahl und deshalb sollten sie nicht als böswillig angesehen werden. Ich hoffe, dass Stalker irgendwann mit Medikamenten behandelt werden können. Es gibt da schon einige Fortschritte.

Ricore: Macht ihnen das keine Angst?

Bullock: Vielleicht sollte es. Aber ich bin mehr um meine Familie und die Menschen mit denen ich zusammenarbeite besorgt. Die sind nicht so geschützt wie ich. Ich will nicht, dass jemanden Schaden zugefügt wird. Während der Arbeit schwirren eine Menge Menschen umher - ich kann sie nicht beschützen. Das macht mich traurig.

Ricore: Sie werden von einem Publizisten vertreten und haben die Wahl die Veröffentlichung bestimmter Berichte zu verweigern. Über Bono von U2 wird auch nicht negativ berichtet. Ist das bei Ihnen nicht auch so?

Bullock: Das stimmt nicht. Du hast keine Wahl. Alle sechs Monate wird versucht, etwas Negatives über mich zu berichten. So etwas verkauft sich eben.

Ricore: Aber doch nicht jede Woche...

Bullock: Ich mache nur das, was mir gefällt. Aber sobald ich aus dem Haus trete, können Gerüchte über mich verbreitet werden. Die Leute wollen das lesen, auch wenn es nicht stimmt. Kein Publizist kann kontrollieren was die Leute denken und sagen, sobald du aus dem Haus bist.
Ricore: Wie sieht ein typischer Tag für Sie aus, wenn Sie nicht arbeiten?

Bullock: Einen typischen Tag gibt es für mich nicht. Ich lebe mein Leben. Es ist immer was los, wenn ich nicht vor der Kamera stehe. Aber man setzt Prioritäten. Ich verbringe drei oder vier intensive Monate weg von Zuhause. Dann arbeite ich 14 Stunden am Tag, fünf bis sechs Tage die Woche. Wenn ich mit dem Dreh fertig bin, versuche ich wieder Anschluss an die Familie zu finden. Ich brauche das, um nicht verrückt zu werden. Einen typischen Tag gibt es nicht.

Ricore: Welche Träume möchten sie verwirklichen? Gibt es etwas, dass sie unbedingt machen möchten?

Bullock: Es gibt so vieles. Ich will noch so viel erleben aber ich fürchte ich habe nicht genug Zeit. Ich habe ja nicht mal genug Zeit die Dinge zu verarbeiten die ich erlebt habe. Da kommt es mir bestimmt nicht so vor, als ob ich etwas verpassen würde.

Ricore: Wie geht es ihrem Mann Jesse James?

Bullock: Es geht ihm schon viel besser.

Ricore: Hat er sich nicht seine Rippen gebrochen?

Bullock: Er hat sein Schlüsselbein gebrochen. Er hat mittlerweile fast jeden Knochen in seinem Körper gebrochen.

Ricore: Wie würde ein perfekter romantischer Abend für Sie aussehen? Ihr erster Hochzeitstag mit Jesse steht kurz bevor. Haben Sie bereits Pläne gemacht?

Bullock: Ich habe keine besonderen Erwartungen. Meine Gefühle und mein Wohlergehen sind mir wichtiger als Blumen und ein Dinner. Ich kann ganz einfach auf der Couch liegen und am Sonntagmorgen die Zeitung lesen und der glücklichste Mensch der Welt sein. Besonders am Valentinstag hat man sehr hohe Erwartungen an die Romantik und wenn die nicht erfüllt werden... Mir gefallen die kleinen Dinge des Lebens viel besser. Sobald man Romantik kommerzialisiert, verliert es an Bedeutung. Jeder ist nur noch mit Geschenken und Planung beschäftigt. Aber damit tut man den Menschen keinen Gefallen. Ein zwölfjähriges Mädchen erwartet, dass man ihr teuere Geschenke macht und mit Geld überhäuft. Mit 16 Jahren will sie dann einen Bentley. Sie ist doch zum Scheitern verurteilt.
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Sandra Bullock im Seehaus...
Ricore: Wie geht es mit Ihrer Karriere weiter?

Bullock: Ich arbeite auch während der Drehpausen. Das gehört zur Routine. Im Oktober kommt mein Film "Infamous" in die Kinos. Im nächsten Jahr kommt dann ein Film mit einem berühmten deutschen Regisseur heraus. Das ist ein kleines Projekt. Die letzten anderthalb Jahre haben mir viel Spaß gemacht. Aber jetzt werde ich mich einfach zurück lehnen und die Postproduktion und die Pressetermine genießen. Danach geht es nach Venedig. Wenn man zwei Dinge gleichzeitig macht, versucht man jeden Moment zu genießen.

Ricore: Sie arbeiten auch als Produzentin...

Bullock: Das macht mir großen Spaß.

Ricore: Werden Sie irgendwann mit der Schauspielerei aufhören und nur noch Filme produzieren?

Bullock: Ich konzentriere mich jetzt schon intensiver auf die Filmproduktion als die Schauspielerei. Im Nachhinein sind beide ein Teil des Ganzen. Ich beschäftige mich schon seit zehn Jahren mit Filmproduktion, aber ich muss noch sehr viel tun und entwickeln.

Ricore: Betrachten Sie ihre Arbeit jetzt kritischer?

Bullock: Auf jeden Fall. Aber dadurch lerne ich auch viel. Ich lerne immer dazu. Perfektion lässt sich nicht erreichen. Wer glaubt, etwas perfekt zu beherrschen, ist fehl am Platz. Ich bewerte meine schauspielerische Leistung immer kritisch. Das ist natürlich gut.
erschienen am 8. Juli 2006
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Das Haus am See (Kinofilm)
Kate (Sandra Bullock) und Alex (Keanu Reeves) leben in zeitlich verschoben Welten. Dennoch können sie per Brief miteinander kommunizieren. Sie vertrauen einander ihre Ängste und Träume an. Obwohl sie sich weder sehen noch berühren können führen sie eine Beziehung, als ob sie im selben Raum ständen und sich umarmten. Alejandro Agresti präsentiert mit "Das Haus am See" Gefühlskino pur. Wenige Regisseure haben sich so den Emotionen verschrieben.
2024