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Berlin Alexanderplatz (2019)

Berlin Alexanderplatz

Originaltitel
Berlin Alexanderplatz
Regie
Burhan Qurbani
Darsteller
Albrecht Schuch, Jella Haase, Joachim Król, Niels Verkooyen, Welket Bungué, Thelma Buabeng
Medium
Blu-ray
Im Handel ab
26.11.2020 bei eONE Germany
Kinostart Deutschland
Berlin Alexanderplatz
Genre
Drama
Land
Deutschland
Jahr
2020
FSK
ab 12 Jahren
Länge
183 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
3,0 (Filmreporter)
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Extras: Cast & Crew Interviews - Albrecht Schuch (Reinhold) / Jella Haase (Mieze) / Welket Bungué (Francis) / Burhan Qurbani (Director) / Jochen Laube & Leif Alexis (Producers)
Döblin-Verfilmung überzeugt nur mit Kameraführung
Francis (Welket Bungué) und seine Geliebte Ida aus Guinea-Bissau sind auf der Flucht vor dem wirtschaftlichen Elend, die jählings in den Fluten des Mittelmeeres endet. Ida ertrinkt, Francis will ihr nicht helfen. Er überlebt als Einziger, strandet halbtot an der griechischen Küste und nimmt sich vor, künftig gut in einer bösen Welt zu sein.

Irgendwie schafft er es in den Sehnsuchtsort Berlin, statt Glitzermetropole mit lässigen Flitzern wartet ein tristes, überfülltes Flüchtlingsheim. Die erhoffte Arbeitserlaubnis bleibt aus. Da das Geld knapp ist, verdingt sich Francis schwarz auf dem Bau der Bahntunnel in der Berliner Unterwelt. Er verliert den Job, nachdem ein Kollege einen Unfall hat und er die Rettung ruft. Schwarzarbeit darf nicht auffliegen. Francis taucht unter und sucht neuen Halt im Drogenmilieu des Volksparks Hasenheide. Er weigert sich, den Stoff selbst zu verticken, versorgt aber die dealenden Kollegen und steigt in der Hierarchie auf. Als er sich in die Clubbesitzerin Eva (Annabelle Mandeng) verliebt, weckt dies die Eifersucht seines neurotischen, für jede Gemeinheit fähigen Chefs Reinhold (Albrecht Schuch). Der Sadist stößt Francis, aus dem inzwischen Franz wurde, nach einem Bruch aus dem fahrenden Auto, was diesem den Verlust eines Armes einträgt. Mit der Edelprostituierten Mieze (Jella Haase) findet Francis eine neue Liebe. Sie entdeckt ihr Helfersyndrom und will ihn heilen, er wird ihr Zuhälter. Sie ist bald von ihm schwanger, verlässt ihn aber nach einem heftigen Streit. Franz steigt erneut ins Drogengeschäft bei Reinhold ein. Wenig später wird Franz verhaftet. Mieze wurde tot aufgefunden. Er hat Angst, dass man ihm den Todesfall in die Schuhe schiebt und versucht, sich das Leben zu nehmen.
Nach der kongenialen Verlegung von Victor Hugos "Les Miserables" in die Gegenwart durch Ladj Vu zieht das deutsche Kino mit dieser durch Berlinale-Teilnahme und elf Nominierungen für den Deutschen Filmpreis überbewerteten modernen Version von Alfred Döblins "Berlin-Alexanderplatz" nach, die einzig durch ihre Kameraarbeit besticht, die die flirrend-verwirrende Atmosphäre der nächtlichen Großstadt betörend einfängt. Die Bilder können aber die inhaltlichen Schwächen nur bedingt übertünchen.

Der Handlungsort musste ins Brennpunktviertel Neukölln verlegt werden, am Alexanderplatz wohnt heute kaum jemand. Geblieben ist die Einteilung in verschiedene Kapitel, die der aus einer afghanischen Flüchtlingsfamilie stammende Regisseur auf fünf plus Epilog und Prolog reduziert.

Dreimal wird Francis vom Bösen versucht, dreimal erliegt er der Versuchung nach anfänglichem Zögern. Sein Wunsch, Gut zu sein, besteht die Bewährungsproben nicht. Die Gesellschaft, die Umstände, lassen ihm keine Chance. So schlicht und simpel die Grundidee der Story in dem viel zu langen Film, der Francis die wichtigsten Stationen aus dem Leben von Döblins Franz Bieberkopf durchlaufen lässt. Dabei bedient der Regisseur leider das 100 Jahre alte Frauenbild des Romans und macht es sich beim Aufbau eines Widersachers zu einfach. Reinhold ist der personifizierte Teufel, was von Schuch herausragend gespielt wird, der Gottes Werkzeug am Gutsein hindert.

Francis ist gefangen im halbseidenen und kriminellen Milieu, er wehrt sich nicht und wird selbst zum Verbrecher. Dass dem Zuschauer eine Stimme aus dem Off mehrmals erklärt, im Grunde seines Herzens sei er ja gut, nervt und beweist die eigentliche Schwäche der Mischung aus Großstadtodyssee und ambitionierten Sozialdrama. Es zeigt sich jetzt, was sich schon in den beiden ersten Filmen von Qurbani andeutete. Der Regisseur sieht sich als Missionar, seine Filme sind als didaktische Lehrstücke angelegt. Wobei er nicht wie Brecht zum eigenen Denken anregt. Er will belehren.

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Man kann diesen Film als Aufforderung zur Selbstkritik an die Deutschen sehen, bitte gebt Migranten bessere Chancen. Nur, die übergroße Mehrheit der Menschen, die hier Schutz und eine Zukunft in Frieden suchen, ist nicht kriminell. Mit dieser einseitigen Ansammlung von Klischees über Menschen, die bei ihrer Suche nach sozialer Gerechtigkeit und einem Leben in Würde scheitern und ins kriminelle Milieu abrutschen, bedient der Film allzu einseitig ein Weltbild, das der extremen Rechten gefallen wird. Der Wille zur Provokation und den Deutschen einen Spiegel vorzuhalten, geht nach hinten los. Bei der Berlinale fällt der Film trotz der Lobeshymnen der deutschen Kritik bei der internationalen Jury und den Kritikern aus aller Welt durch.
Katharina Dockhorn/Filmreporter.de
Immigrant Francis (Welket Bungué) versucht in Berlin zu überleben.
 
Überbewertete moderne Version von Alfred Döblins "Berlin-Alexanderplatz".
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Albrecht Schuch & Welket Bungué in "Berlin Alexanderplatz" (2019)
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