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Der große Crash - Margin Call

Der große Crash - Margin Call

Originaltitel
Margin Call
Regie
J.C. Chandor
Darsteller
Kevin Spacey, Paul Bettany, Jeremy Irons, Zachary Quinto, Penn Badgley, Simon Baker
Kinostart:
Deutschland, am 29.09.2011 bei Plaion Pictures (Koch Films)
Kinostart:
Österreich, am 08.12.2011 bei Filmladen
Genre
Thriller
Land
USA
Jahr
2011
FSK
ab 6 Jahren
Länge
105 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
7,0 (Filmreporter)
Es gibt noch keine Userkritik!
Wirtschaftsthriller mit prominenter Besetzung
Fast schon zu spät, könnte man meinen, kommt mit J.C. Chandors "Margin Call" ein Film ins Kino, der die Wirtschafts- und Finanzkrise aufarbeitet. Mit Blick auf die Spätfolgen der Krise in den USA kommt der Film dann aber doch zur rechten Zeit. "Margin Call" erhebt den Anspruch, hinter die Fassaden der gläsernen und stählernen Banken der Wall Street zu blicken und damit die Ursprünge und die Ursachen, aber auch die Mechanismen der Finanzwelt aufzuzeigen.

Im Zentrum dieser Betrachtung ist eine New Yorker Investmentbank, die für Chandor Modellcharakter hat. Die Finanzkrise zeigt zu Beginn des Films schon ihre ersten Auswirkungen. Es rollen erste Köpfe. Die Entlassungen machen auch vor den höheren Chargen der oberen Etagen keinen Halt. Einer der ersten Betroffenen ist der Senior-Analyst Eric Dale (Stanley Tucci). Trotz seiner Erfahrung und Verdienste um das Unternehmen muss auch er seine Sachen packen. Resigniert aber ohne Widerstand fügt er sich der Entscheidung, nicht aber ohne vorher seinem jüngeren Kollegen Peter Sullivan (Zachary Quinto) ein USB-Stick auszuhändigen.

Darauf gespeichert ist eine Analyse der aktuellen Unternehmensentwicklung. "Sei vorsichtig" ist der letzte Rat des Älteren an den Jüngeren. Daraufhin setzt sich Peter an den Computer und führt die Arbeit Erics zu Ende. Seine Berechnungen sind alarmierend. Offenbar steht die Bank kurz vor dem Ruin. Noch in derselben Nacht alarmiert er seine unmittelbaren und mittelbaren Vorgesetzten Will Emerson (Paul Bettany) und Sam Rogers (Kevin Spacey). Auch sie erkennen den Ernst der Lage und entscheiden sich, die Verantwortlichen des Unternehmens zu einer Krisensitzung zu bestellen. Ihn allen steht eine lange Nacht bevor, in der folgenschwere Entscheidungen getroffen werden müssen.
"Margin Call" beleuchtet die Keimzelle der Finanzkrise. J.C. Chandor zwängt den brisanten Stoff nicht - wie man es durchaus erwarten könnte - in ein Genre, sondern verleiht ihm eine ungezwungen offene Form. Auffällig dabei ist das gemächliche Tempo, mit dem sein Film voranschreitet, die verhaltene und unspektakuläre Inszenierungsweise, mit der sich Chandor der sonst so rasend schnellen und schwer zu durchschaubaren Wirtschaftswelt nähert. "Margin Call" erinnert stellenweise eher an Christoph Hochhäusler sensiblen "Unter dir die Stadt", als an einen Genre-Film aus Hollywood. Und doch will der Film gelegentlich in die Kategorie eines Wirtschaftsthrillers gesteckt werden. Das liegt daran, dass Chandor geschickt mit den Erwartungen des Publikums spielt und hin und wieder Elemente dieses Genres in die Handlung streut. "Sei vorsichtig", dieser Rat des Analysten an seinen jüngeren Kollegen wirkt wie ein Köder für den Zuschauer, der daraufhin eine lebensgefährliche Verstrickung des Helden in einem Komplott vermutet. Dass diese ausbleibt und "Der große Crash - Margin Call " seine Aufmerksamkeit auf andere Aspekte legt, ist eine der positiven Überraschungen des Films.

Bemerkenswert an "Margin Call" ist nicht nur, was und wie er seine Story erzählt, sondern vor allem, was er vermeidet zu thematisieren. So sehr Chandor an den Mechanismen des Finanzwesens und deren Architekten interessiert ist, so sehr spart er die Auswirkungen der wirtschaftlichen Katastrophe auf den Durchschnittsbürger aus. "Margin Call" ist in seiner Perspektive so hermetisch wie die Welt, von der er erzählt, exklusiv und geschlossen ist. Nur am Rande wird die Außenwelt thematisiert. Der Normalsterbliche, heißt es an einer Stelle von zwei Mitarbeitern der Bank, die sich wie selbstverständlich als Mittelpunkt der Welt und deren Drahtzieher verstehen, wisse nicht, was auf ihn zukomme. Es folgt ein flüchtiges Bild auf eben diesen Durchschnittsmenschen. So groß die Katastrophe und ihre Auswirkungen sind, die mit diesem Satz impliziert werden, so klein erscheint plötzlich der Mensch, der darin ohne Kontrolle gefangen ist.

Was "Margin Call" ebenfalls ausspart, ist die Männer in den Glaskathedralen bei der Arbeit zu zeigen. Von der Ausnahme einer Szene abgesehen, in der das junge Finanzgenie die finanziellen Defizite des Unternehmens errechnet, wird das handwerkliche Rüstzeug, das Funktionieren der Finanzwelt außen vorgelassen. Auffällig ist, wie Chandor die sozialen und psychologischen Folgen der Arbeit in den Vordergrund rückt. So wenig die Männer bei der Arbeit gezeigt werden, so sehr sticht ihr sozialer Status und ihr von den Millionen auf dem Konto bedingtes Selbstbild heraus. Da reden Greenhorns darüber, wie viel wer verdient und werden neidisch wenn ein Kollege die Grenze eines Millionen-Jahresgehaltes überschreitet. Da prahlt ein anderer damit, wie viele Tausende Dollar er pro Jahr für Nutten, Klamotten und Partys ausgibt. Und wenn einmal die Quelle des Reichtums, die Garantie des sozialen Status versiegt, dann bleibt kaum mehr, als ein Häuflein Elend. Zynismus, Arroganz, und Gewissenlosigkeit sind die Eigenschaften, die der Wille nach Macht und Status zutage fördert. Und wenn sich die Menschen bei Chandor so etwas wie Moral bewahrt haben, dann muss man danach lange suchen. Sie gleichen in ihrer Art dem Wirtschaftssystem, das hervorgebracht hat: sie ähneln Blasen, die irgendwann platzen und sich in Luft auflösen.

So sehr Chandor die Professionalität seiner Wirtschaftslenker ausblendet, so sehr richtet er seine Aufmerksamkeit auf den Menschen dahinter. Indem er das macht, liefert er auch eine Erklärung für die Ursache des Crashs. Hier findet Chandor trotz aller Kritik letztlich auch das letzte Fünkchen Gute im Menschen. Da agieren in den Chefetagen keine Kollegen miteinander, sondern Menschen, die sich kennen und schätzen. Da werden Wölfe zu Schafen, da trauert der entlassene Analytiker seinen verlorenen Illusionen nach, weint ein anderer um seinen verstorbenen Hund. Mag Chandor an diesen Szenen vielleicht doch ein wenig die Kiste der Konventionen geplündert haben - das verstorbene Tier etwa als dramaturgisches Element, einen Charakter greifbar machen soll - so findet er doch in den Momenten des Menschlichen und Zwischenmenschlichen zu seinen stärksten Momenten. Hier zeigt sich aber auch das Schreckliche, auf das er hinaus will: die Ursache für die Krise. Diese wurde nicht von Profis verschuldet, sondern von Menschen mit all ihren Schwächen. Der große Crash ist kein einmaliges Phänomen, sondern eines, das sich trotz aller Vernunft und Erfahrung wiederholen kann.
Willy Flemmer, Filmreporter.de
 
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