Sprich mit ihr - Hable con ella

Sprich mit ihr - Hable con ella

Originaltitel
Hable con ella
Regie
Pedro Almodóvar
Darsteller
Elena Anaya, Chus Lampreave, Mariola Fuentes, Fele Martínez, Geraldine Chaplin, Leonor Watling
Kinostart:
Deutschland, am 08.08.2002 bei TOBIS Film
Kinostart:
Schweiz, am 15.08.2002 bei Pathé Films
Genre
Drama
Land
Spanien
Jahr
2002
FSK
ab 16 Jahren
Länge
116 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
9,0 (Filmreporter)
7,6 (5 User)
Benigno (Javier Cámara) und Marco (Darío Grandinetti) sind zutiefst ergriffen. Die beiden sitzen im Theater zufällig nebeneinander und Benigno beobachtet verstohlen, wie Marco seinen Emotionen mit Tränen freien Lauf lässt. Benigno will auf Marco zugehen, doch er traut sich nicht. Die beiden begegnen sich wieder auf den langen Fluren des Krankenhauses, in dem Benigno als Krankenpfleger arbeitet. Dort kümmert er sich seit Jahren um die ins Koma gefallene Tänzerin Alicia (Leonor Watling), in die er schon vor deren tragischem Autounfall heimlich verliebt war. Journalist Marco hingegen wacht am Krankenbett seiner geliebten Lydia (Rosario Flores), einer leidenschaftlichen Stierkämpferin, die bei einer Corrida ebenfalls in jenen schwebenden Zustand zwischen Leben und Tod katapultiert wurde. Während Benigno ganz in seiner Fürsorge für Alicia aufgeht, mit ihr spricht, sie wäscht und massiert, kann Marco auf die Stille, die von Lydias Koma ausgeht, nur mit Tränen und Verzweiflung antworten.
Wie in Trance schweben zwei elfengleiche Tänzerinnen in weißen Gewändern über die Bühne. Begleitet von überwältigender Musik präsentiert Pedro Almodóvar eine Sequenz aus Pina Bauschs "Cafe Müller" als überaus bewegende Eingangsszene. Die gefühlsintensive Darbietung der Tänzerinnen ergreifen Protagonisten und Zuschauer gleichermaßen. Bereits hier greift Almodóvar das Hauptthema auf: Die Kraft von Emotionen und die Einsamkeit, die sich breit macht, wenn es niemanden bereit ist, jene Bewegungen im Inneren der Seele zu teilen. Mit vorsichtigen Schritten und leisen Tönen, wie man sie erst seit wenigen Jahren von Almodóvar kennt, webt der Filmemacher die zarten Bande der Freundschaft zwischen den beiden unterschiedlichen Charakteren. In seinen Protagonisten Javier Cámara als liebens- und bedauernswerter Sonderling Benigno und Darío Grandinetti als empfindsamer, verhärmter Marco hat Almodóvar seine Idealbesetzung gefunden. Wie kleine Seelenlandschaften spiegeln die Gesichter der Männer Emotionen wider, deren Macht sie sich nicht entreißen können. Immer wieder fügt Almodóvar Szenen aus jenen Tagen ein, als die beiden Frauen noch im eigentlichen Sinne lebendig waren und erzählt mit unglaublicher Kraft von der Liebe: der unerfüllten Liebe Benignos zu Alicia, von Marcos gescheiterter früherer Liebe und von jener, die zwischen Lydia und ihrem Verlobten wieder aufgeblüht ist, ohne dass Marco davon weiß. Kaum eine Szene könnte die Macht von Liebe und Leid besser versinnbildlichen, als jene, in der Lydia und Marco gemeinsam Caetano Velosos herausragender Interpretation von "Cucuruccucù Paloma" lauschen. Doch selbst als Alicia bereits im Koma liegt, setzt Almodóvar der Leidenschaft keine Grenzen. Mit einer wunderbaren Hommage an den Stummfilm lässt er Benigno seiner Alicia die Geschichte von "Der schwindende Liebhaber" erzählen: Er zeigt einen siebenminütigen Ausschnitt aus dem Film, in dem der Protagonist wie ein Däumling zusammenschrumpft, um schließlich mit dem ganzen Körper im Geschlecht seiner Geliebten zu verschwinden. Vollkommene Liebe oder wahnsinnige Vision? Untermalt von einer wunderbar melancholischen Musik und bildgewaltigen Einstellungen ist Ausnahmeregisseur Almodóvar mit "Hable con ella" ein melodramatisches Kleinod gelungen. Jenseits der schrillen Töne und schrägen Gestalten schlägt der Film sanfte Töne an, die in Reife und Intensität die konsequente Fortentwicklung von seinem vielfach ausgezeichneten Meisterwerk "Alles über meine Mutter" sind. Noch einmal ist der Meister über sich hinaus gewachsen.
Susanne Wess/Filmreporter.de
Universum
Hable con ella
2024