Alamode Film
Nahschuss (2020)

Nahschuss

Originaltitel
Nahschuss
Regie
Franziska Stünkel
Darsteller
Lars Eidinger, Devid Striesow, Luise Heyer, Paula Kalenberg, Peter Benedict, Victoria Trauttmansdorff
Kinostart:
Deutschland, am 12.08.2021 bei Alamode Filmdistribution
Kinostart:
Österreich, am 13.08.2021 bei Alamode Österreich
Kinostart Deutschland
Nahschuss
Genre
Drama
Land
Deutschland
Jahr
2020
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
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Missratenes Stasi-Drama von Franziska Stünkel
Die Koffer sind gepackt, doch in letzter Minute wird Wissenschaftler Franz (Lars Eidinger) von den DDR-Behörden aus der Interflug-Maschine geholt. Für ihn geht es nicht für ein Jahr nach Äthiopien, statt dessen bleibt er Ostberlin. Seine Professorin und Doktormutter verspricht ihm, dass er ihren Lehrstuhl übernehmen kann. In der Zwischenzeit verdingt er sich voller Freude bei der Stasi, wo ihm sein Vorgesetzter Dirk (Devid Striesow) nicht in seinem Beruf, sondern für die Bespitzelung der Fußballer von Union Berlin einsetzt, wo Franz als Jugendlicher selbst spielte.

Als hätte es der Krake geahnt, bleibt sein ehemaliger Jugendfreund von Union im Westen. Franz und Dirk organisieren die Bespitzelung des Geflüchteten, mit höchst unsanften Methoden wollen sie ihn zur Rückkehr bewegen. Nebenbei weiht Dirk den neuen Mitarbeiter bei dessen ersten Aufenthalt im Westen ein, wie Quittungen gefälscht werden, um Devisen in die eigene Tasche umzulenken. Als die Stasi der Frau des Geflüchteten einredet, sie hätte Krebs, regt sich in Franz das Gewissen. Er will mit seiner Frau Corina (Luise Heyer) fliehen, wird aber von seinem Arbeitgeber erwischt.
Dieser missratene Film von Franziska Stünkel ist ein Tiefpunkt des deutschen Fördersystems. Mit den Reizworten Stasi und Unrechtsstaat gehen angeblich auf wahren Biografien beruhende Bücher durch, deren Fakten sich mit einfachen Wikipedia-Recherchen widerlegen lassen. Die Unstimmigkeiten in der Handlung und Figurenzeichnung sind unübersehbar und extrem störend. Das Machwerk ist zudem ein Schlag ins Gesicht all der Stasi-Opfer. Hier wird nicht zuletzt auf Grund des überzeugenden Spiels von Lars Eidinger auf Mitleid mit einem Täter gesetzt, an dessen Händen Blut klebt. Der Täter wird zum Opfer, was all jene verletzt, die Opfer der Spitzeleien wurden, berufliche Nachteile in der DDR in Kauf nahmen, weil sie nicht spitzeln wollten, oder heute angefeindet werden, weil sie zur Mitarbeit erpresst oder heimlich als IM geführt wurden. Um es ganz klar zu sagen: Jeder hatte die Wahl, keiner musste zum Stasi gehen.

Der Film soll auf dem Leben von Werner Teske beruhen, der mehr als zehn Jahre bei der Stasi war, Zehntausende DM unterschlug und jahrelang Dokumente entwendete, die er als Eintrittskarte im Westen nutzen wollte. Er wurde, was auch dem Recht der DDR widersprach, nach einem Geheimprozess hingerichtet. Das Unrecht ist unbestreitbar. Vermischt wird der Fall mit den Ereignissen nach der Flucht von Lutz Eigendorf. Der 'Beckenbauer des Ostens' blieb im März 1979 nach einem Spielt des BFC im Westen, was Stasi-Chef Mielke empörte. Dutzende Spitzel wurden auf Eigendorf angesetzt, 1985 fährt er unter ungeklärten Umständen gegen einen Baum. Im Film stirbt er wie Uwe Barschel in der Badewanne - auch hier wird gemunkelt, dass der Krake eine Aktie an seinem Tod hat. In diesem Moment wirkt der Film wie ein übereifriger Streber, der alle Fakten aufsagen kann. Aber er kann sie niemals überzeugend zusammensetzen.

Von Union konnte kein Spieler fliehen. Die Mannschaft durfte nicht an Wettkämpfen im Westen teilnehmen. Spieler mit Nationalmannschaftsambitionen mussten zu anderen Vereinen wechseln. Mit der Erwähnung des populären Köpenicker Fußballklubs will sich die Regisseurin offenbar anbiedern. Dies geht aber nach hinten los, weil nicht nur Fußball-Fans in der DDR von den Ungerechtigkeiten wussten, die den Mythos von Union begründeten. Die Naivität von Franz, mit der er bis zum Schluss seinen Arbeitgeber sieht, und seine anfängliche Begeisterung sind daher nicht glaubhaft. Damit bricht aber schon zu Beginn des Films die Legende der Hauptfigur zusammen.

Auch ansonsten fällt der Autorin und Regisseurin nicht viel Originelles ein. Die Wohnung von Corina und Franz ist so lieblos wie stets in den Nachwendefilmen, mit der Realität hat das trotzdem wenig gemein. Die Arbeit der beiden Spitzel hat auch nichts mit dem glamourösen und abenteuerlichen Agentendasein im "Unsichtbaren Visier" oder James Bond zu tun - bei der Schilderung des Alltags greift die Filmemacherin auf die späteren Romane von John le Carré zurück.
Katharina Dockhorn/Filmreporter.de
Wissenschaftler Franz schnüffelt voller Elan für die Stasi, ohne sich für die Konsequenten der Bespitzelten zu interessieren.
 
Dieser missratene Stasi-Drama ist ein Tiefpunkt des deutschen Fördersystems.
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