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Call Jane (2022)

Call Jane

Originaltitel
Call Jane
Regie
Phyllis Nagy
Darsteller
Elizabeth Banks, Sigourney Weaver, Chris Messina, Wunmi Mosaku, Kate Mara, Cory Michael Smith
Kinostart:
Deutschland, am 01.12.2022 bei DCM (Delphi Filmverleih)
Kinostart:
Schweiz, am 24.11.2022 bei DCM
Genre
Historienfilm
Land
USA
Jahr
2022
FSK
ab 12 Jahren
Länge
121 min.
IMDB
IMDB
Homepage
https://dcmstories.com/de/collection/call-jane/
|0  katastrophal
brillant  10|
7,0 (Filmreporter)
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Leider der richtige Film zu rechten Zeit
Das Leben der Mutter ist nicht schützenswert. Joy (Elizabeth Banks) ist schockiert von der Kälte, mit der Männer über ihre Zukunft entscheiden. Für die typische amerikanische Hausfrau ist dies der erste Schlag in die Magengrube in ihrem Bilderbuchleben. Seit dem Collegeabschluss ist sie zuhause und kümmert sich um die 15-jährige Tochter Charlotte. Zudem unterstützt sie die erfolgreiche Anwalts-Karriere ihre Mannes (Chris Messina).

Nun ist sie erneut schwanger, doch das Austragen des Babys ist gesundheitlich riskant. Ihr Gynäkologe rät zu einer Abtreibung, die von der Krisenkommission des Krankenhauses jedoch abgelehnt wird. Joy versinkt nicht in Trauer, in ihr erwacht der zivile Ungehorsam. Sie sucht eine illegale Möglichkeit abzutreiben und stößt auf die im Untergrund arbeitende Gruppe 'Call Jane', die von Virginia (Sigourney Weaver) geleitet wird. Sie holt Joy nach der eigenen Abtreibung zu den tatkräftigen Helferinnen in der Not.
Es ist leider der richtige Film zu rechten Zeit. Arbeitslos wird die Chicagoer Gruppe zwar durch die Entscheidung von Männern am Obersten Gerichts der USA, Schwangerschaftsabbrüche bis zur 12. Woche zu legalisieren. Dieses Recht wird jedoch gerade in vielen Bundesstaaten der USA wieder beschnitten oder soll komplett einkassiert werden. Daher ist es gut, mit einer stimmigen Geschichte an die Qualen und die Ängste der Frauen aller Schichten und Rassen zu erinnern, die damals in die Illegalität getrieben werden.

Dass der Film dafür eine Frau aus der weißen Mittelschicht in den Fokus stellt, ist eine kluge Wahl. Denn es scheinen ja gerade auch Frauen aus dieser Gruppe zu sein, die heute das Recht auf eine legale Abtreibung in Frage stellen.

Die berührende Story wird von Phyllis Nagy umgesetzt, von der auch die Vorlage zur Patricia Highsmith-Adaption "Carol" stammt und die mit "Call Jane" ihre zweite Regiearbeit abliefert. Gedreht ist die Low-Budget-Produktion auf 16mm-Film, einige Bilder haben dessen typisch körnigen Look. Zu Beginn spielt die Regisseurin geschickt über Joys Aussehen mit Alfred Hitchcocks Klischee der bedrohten, unschuldigen Blonden, um es dann geschickt zu brechen. Joy braucht keinen Held, um sie zu retten. Ihr Mann ist viel zu beschäftigt, um die illegalen Aktivitäten seiner Frau zu registrieren. Er bemerkt nur, dass der Hackbraten allzu oft aus der Kühltruhe stammt oder aufgewärmt ist.

Im Gegensatz zum französischen Drama "Das Ereignis", in dem eine junge Frau bis zum Schluss um ihr persönliches Recht kämpft, nicht Mutter zu werden, wechselt der Film die Perspektive, weitet den Horizont und richtet in der zweiten Hälfte den Fokus auf die politische und soziale Emanzipation von Joy und das Wirken der mutigen Frauen, die immer mit einem Bein im Gefängnis stehen. Sie werden nicht heroisiert, sie handeln einfach. Nagy bettet ihr Engagement in die stürmischen Flower-Power-Jahre und den Kampf von Farbigen und Frauen um Gleichberechtigung ein.

Die politischen Kämpfe werden aber nur am Rande erwähnt, da sie die amerikanische Mittelklasse weitgehend kalt lassen. Nagy weiß genau, von welchem Milieu sie spricht, sehr genau ist die Familien- und Gesellschaftsstruktur der weißen Mittelschicht der späten 1960er gezeichnet. Das ist neben dem herausragenden Spiel der Schauspielerinnen die eigentliche Stärke des universellen Dramas.
Katharina Dockhorn/Filmreporter.de
Ist das Leben einer Mutter in den USA nicht mehr schützenswert?
 
Leider der richtige Film zu rechten Zeit.
dcm, Wilson Webb
Elizabeth Banks & Sigourney Weaver in "Call Jane" (2022)
2024