Eli Reed in "Stay"
Einzigartiges Sehvergnügen
Feature: 1 und 1 macht 3!
Nichts ist wie es scheint und alles scheint möglich. Nach den von der Kritik gefeierten "Monster's Ball" und "Wenn Träume fliegen lernen" widmet sich der Deutsch-Schweizer Regisseur Marc Forster mit "Stay" erneut einem anderem Genre. Dabei könnte man meinen, auch dieses sei ihm in die Wiege gelegt worden. Ziel- und Selbstsicher führt er den Zuschauer durch seine Geschichte, in der nichts unmöglich scheint.
erschienen am 5. 02. 2006
Kinowelt Filmverleih
Regisseur Marc Forster am Set von "Stay"
Alles beginnt auf einer Straße, vielmehr auf einer Brücke. Ein Auto kommt von der Bahn ab, verliert die Kontrolle, verunglückt. Ein junger Mann, der sich später als Henry Letham (Ryan Gosling) vorstellt, sitzt vor diesem brennenden Wagen. Schon an diesem Punkt wird dem Zuschauer verdeutlicht, dass er, um die Geschichte zu verstehen, sich auf eine ungewohnte, herausfordernde Optik einlassen muss. Denn nicht nur ungewöhnliche Perspektiven und im wahrsten Sinne des Wortes traumhafte Übergange erwarten ihn, sondern auch Bilder, die zum aktiven Sehen auffordern. In jeder Szene gibt es versteckte Symbole oder Spiegelungen zu entdecken und die Gesetzte der Realität scheinen in die Schwebe zu geraten. Das Wunderbare ist, dass dies die Geschichte des Psycho-Thrillers unterstützt und ihr in keinster Weise im Weg steht.

Psychiater Sam Foster (Ewan McGregor) vertritt bei einem Patienten seine Kollegin Dr. Beth Levy (Janeane Garofalo). Deren Patient Henry Letham ist durchaus etwas irritiert über den Wechsel. Nach anfänglichem Misstrauen eröffnet er dennoch Sam, Stimmen zu hören und sich an seinem 21. Geburtstag - sprich in drei Tagen - das Leben nehmen zu wollen. Zudem sagt er an einem sonnigen Tag Hagel voraus, und tatsächlich, das von keinem Meteorologen angekündigte Wetterphänomen tritt tatsächlich ein.
Kinowelt Filmverleih
Naomi Watts in "Stay"
Nachdem Sam seine Lebensgefährtin Lila (Naomi Watts) nach einem Selbstmordversuch gerettet hat, sieht er es als besondere Herausforderung, auch Henrys Leben zu retten. Doch Henry macht es ihm nicht einfach. Er entzieht sich dem Psychiater, macht eigenartige Vorhersagen die oftmals auch noch eintreffen, spricht immer wieder von Schuld und stellt die Realität in Frage. Es geht sogar so weit, dass auch Sam zweifelt. Da ist zum Beispiel sein blinder Freund, mit dem er Schach spielt, den Henry aber als seinen toten Vater identifiziert. Je mehr Sam Henrys Geschichte folgt, desto unklarer werden seine eigenen Vorstellungen von Realität und Fiktion, seine Ansichten von Leben und Tod, sein Bewusstsein für Lüge und Wahrheit.

Die konsequent durchgehaltene düstere Grundstimmung der Geschichte wird durch die beklemmende Architektur untermalt und wird nur durch filmische Mittel etwas aufgelockert. So gibt es immer wieder etwas Neues zu entdecken. Marc Forster spielt mit verschieden Kameraperspektiven, wechselt immer im richtigen Moment von einem sehr nahen close-ups zu Weitwinkeleinstellungen und schafft wunderbar fließende Übergänge und Überblenden. Durch letzteres spart er viel Erzählzeit und treibt die trotz allem die in sich schlüssige Geschichte voran. Auch der Wechsel von Innen- und Außenräumen ist einzigartig. Sie veranschaulichen, dass Zeit und Raum in "Stay" flexibel sind. Dadurch wird der Zuschauer nicht nur intellektuell, sondern auch visuell gefordert. Es gibt Szenen, in denen scheinbar nicht viel passiert, doch gerade diese sind mit einer unglaublichen Intensität geladen. "Stay" ist ein Film, der es dem Betrachter nicht einfach macht. Wenn man sich auf dessen eigene Realität einlassen kann, macht es Spaß den wunderbaren Schauspielern bei Henrys Rettung zuzusehen. Für diejenigen, die das nicht können, wird der ästhetische Anspruch und die geschickten Verknüpfungen die Geschichte am Ende nicht definieren können, da Forster alles auflöst, ohne es genau zu erklären.
erschienen am 5. Februar 2006
Zum Thema
In Illertissen bei Ulm geboren, wuchs Marc Forster im Schweizer Wintersportort Davos auf. Nach dem Abitur geht er nach New York, um an der renommierten New York University Film zu studieren. 1995 gewinnt er mit dem experimentellen Low-Budget-Streifen "Loungers" beim Slamdance Festival in Utah den Publikumspreis. Seinen Durchbruch feiert er 2001 mit dem Drama "Monster's Ball". Nachdem seine Hauptdarstellerin Halle Berry für ihre Leistung einen Oscar erhält, ist die Karriere des Schweizers..
Stay (Kinofilm)
Henry (Ryan Gosling) will sich an seinem 21. Geburtstag das Leben nehmen. Psychiater Sam Foster (Ewan McGregor) hat genau drei Tage Zeit, den jungen Mann von diesem Plan abzubringen. Doch statt Sam vom Wert seines Lebens zu überzeugen, wird er immer mehr in Henrys Welt hineingezogen. Regisseur Marc Forster inszeniert einen visuell bestechenden Psycho-Thriller, in dem sich die Grenzen zwischen Fiktion und Realität auf rätselhafte Weise verwischen.
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