Netflix Media
Joe Pesci & Robert De Niro in "The Irishman" (2019)
Konkurrenz belebt das Geschäft
Feature: Kino- und Fernsehbranche reagieren auf Netflix und Co.
Martin Scorsese wird es mit Humor nehmen. Das neunte Mal ist der Regisseur für einen Oscar nominiert, das neunte Mal könnte der Mann, der das Kino mit der Bewegung des New Hollywood modernisiert, leer ausgehen. Der Altmeister inszeniert sein Epos "The Irishman" für Netflix. Der Streamingdienst hat Hollywood Zuschauer abspenstig gemacht. Doch die Studios haben verstanden und antworten mit einer ästhetischen und inhaltlichen Neuausrichtung, um verlorenes Terrain bei ihren Zuschauer zurück zu erobern. Der Ausgang der Offensive bleibt erst mal offen.
erschienen am 23. 01. 2020
Universal Pictures Germany (UPI)
1917 (2019)
Bond in den Schützengräben des 1. Weltkriegs
Auf Sam Mendes' "1917" liegen nach dem fulminanten Start in den angelsächsischen Ländern die Hoffnungen der Kinobesitzer. Der "Bond in den Schützengräben des 1. Weltkriegs", so ein amerikanischer Kritiker, simuliert ästhetisch als sei er in einer Einstellung gedreht. Er gilt nach dem Gewinn des Golden Globe als Favorit bei der Oscar-Verleihung. Wenn am 9. Februar 2020 der begehrte Filmpreis verliehen wird, steht ein Verlierer der Award Season bereits fest: Die Streaming-Dienste. Obwohl mit "The Irishman", "Marriage Story" und "Die zwei Päpste" gut unter den Oscarnominierungen vertreten, braucht man kein Prophet zu sein um vorherzusagen, dass Hollywoods-Studios in der Nacht der Filmnächte die Nase vorn haben werden.

Die Studios haben ihre Lektion gelernt. Nach einer Schwemme von kunterbunten Superhelden-Epen und Animationsfilmen setzen sie wieder mehr auf Originalität und intelligentere Storys, die auch ein reiferes Publikum anziehen. Ob die Rechnung an der Kinokasse aufgeht und die Zuschauer langfristig zurückkehren, die sie an die Streamingdienste verloren haben, bleibt abzuwarten.

Hier wird insbesondere die Vermarktung eine wichtige Rolle spielen. So wurden vor allem die beliebten Superhelden-Epen zusätzlich zu den Filmen auch in anderen Bereichen der Unterhaltungsindustrie aufgegriffen, was wiederum den Kinos zugute kam. Beispiele hierfür sind erfolgreiche Blockbuster wie "Spider-Man" oder "Thor". Spielen Sie gerne Spielekonsole, so werden Sie mit Sicherheit schon das eine oder andere Mal vom neuen Spider-Man Game, das letztes Jahr exklusiv für die PlayStation 4 erschienen ist, gehört haben. Und das ist genau die Vermarktung, die dazu beiträgt, dass die Filme an Bekanntheit erlangen. Auch die neuen Filmgenres sollten solch eine Strategie zulassen. Glück spielt hierbei aber natürlich ebenfalls eine große Rolle. Eine Glaskugel hatte Hollywood nie. Die Studiobosse agierten stets mit viel Risiko. Mal funktioniert es, mal haben sie es überreizt.
Warner Bros. Pictures Germany
Der Junge muss an die frische Luft (2018)
Deutschlands Kinos brauchen deutsche Hits
Auch für Deutschlands Kinobesitzer sind Hollywoods Blockbuster ein Garant für volle Kassen. Der Hype um französische Komödien ist etwas abgekühlt, viel zu selten ziehen Filmemacher aus anderen Ländern die Zuschauer in ihren Bann. Ausschlaggebend für das Wohl der Filmtheater ist neben den US-Blockbustern das Einspiel einheimischer Produktionen. Filme wie "Das perfekte Geheimnis" von Erfolgsregisseur Bora Dagtekin zogen 2019 Millionen Zuschauer in die Kinos und sorgten dafür, dass sich die Säle nach dem dramatischen Einbruch in der Zuschauergunst im Dürrejahr 2018 wieder füllten.

Die neue Ausrichtung der monetären Unterstützung der deutschen Filmszene durch die Filmförderungsanstalt, die von sich selbst als Gralshüter des deutschen Films fühlenden Kritikern scharf kritisiert wurde, scheint aufzugehen. Die FFA konzentriert ihre Förderung auf potentiell kommerziell erfolgreiche Filme, was sich offenbar auszahlt.
Universum Film
Babylon Berlin (Bild aus der ersten Staffel)
ARD und ZDF ziehen nach
Und auch ARD und ZDF haben den Weckruf von "Game of Thrones - Das Lied von Eis und Feuer", "The Crown" und anderen erfolgreichen Serienformate der Streamingdienste gehört, ganz im Gegensatz zu den privaten Fernsehanbieter, bei denen auf die innovative Serie "Club der roten Bänder" nichts folgte. Die öffentlich-rechtlichen Sender orientierten sich an der Konkurrenz aus Skandinavien und GB und scheuten auch nicht das Schlachten heiliger Kühe. Für die Hochglanzserie "Babylon Berlin" geht die ARD erstmals eine Allianz mit dem Bezahlsender Sky ein. Aber auch Eigenproduktionen wie "Das Verschwinden" von Hans-Christian Schmid brauchen sich im internationalen Vergleich nicht verstecken.

Das ZDF programmiert im Moment Serie auf Serie. Auf die gerade gesendete Neuinterpretation des Erfolgsromans "Das Boot" folgt im Februar die zweite Staffel des Wirtschaftskrimis "Bad Banks" unter der Regie von Christian Zübert. Ein Highlight ist auch die fünfteilige finnisch-deutsche Serie "Arctic Circle", bei der Hannu Salonen Regie führt. Der Krimi um eine toughe finnische Polizistin und einen Mediziner führt in die Eiswüste Lapplands. Ein neues Virus sorgt für eklatante Missbildung bei Neugeborenen und ihren Müttern. Wenn er sich in einer Pandemie ausweitet, führt er zur Ausrottung der Menschheit. Der erste Träger des Virus muss daher unbedingt gefunden werden.

Mit solchen bildgewaltigen und dramaturgisch stimmigen Serien machen die öffentlich-rechtlichen Sender auch dem Kino Konkurrenz. Vor allem in der Altersgruppe 50plus, die für den Erfolg eines Films an der Kasse in den vergangenen beiden Jahrzehnten immer wichtiger wird. Es zeichnet sich aber eher ab, dass sich beides ergänzt und sich einfach gutes Erzählen durchsetzt. Das Kino, bereits in den 60er Jahren für tot erklärt, definiert sich gerade neu, um neben Fernsehen und Streamingdiensten zu bestehen. Denn letztlich sind die auch eine Chance. Deutschlands Kinozuschauer leben noch immer in einem Kinoparadies, es gibt flächendeckend viele Kinos und jede Woche zahlreiche Neustarts. In Großbritannien ist das Angebot ebenfalls noch reichhaltig. In anderen Ländern finden die Zuschauer manchen Film nur noch bei einem der vielen neuen Streamingdienste.
erschienen am 23. Januar 2020
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