Jean-François Martin/Ricore Text
Daniel Brühl
Daniel Brühl in klassischer Coming of Age Geschichte
Feature: Mit Fäusten erwachsen werden
Filme wie "Nichts bereuen", "Das weiße Rauschen" und "Vaya con Dios" haben ihn bekannt gemacht: Daniel Brühl. Die Nachwuchshoffnung des deutschen Films spielt in seinem neuen Film einmal mehr einen jungen Mann auf der Schwelle zum Erwachsenenalter und schwingt dabei ordentlich die Fäuste.
erschienen am 10. 04. 2003
Ottfilm
Daniel Brühl mit viel Wut in "Elefantenherz"
Marko (Daniel Brühl) hat die Schule geschmissen, jobbt als Fensterputzer und steckt alle Energie und Hoffnungen ins Boxen. Bei seinen Boxkumpels im Amateurclub ist Marko der heimliche Star, hier kann er die häusliche Misere vergessen. Vor allem an seinen arbeitslosen, alkoholsüchtigen Vater (Jochen Nickel), der seine Aggressionen abwechselnd gegen sich selbst und seine Frau Renate (Angelika Bartsch) richtet und die ganze Familie tyrannisiert, möchte er nicht denken. Allerdings sind Markos Erfolge im Ring weniger seiner guten Technik, als seiner unbändigen Wut geschuldet, mit der er seine Gegner niederschlägt.

Trotz dieses offenkundigen Mankos bietet ihm die lokale Halbweltgröße Gerd Hermsbach (Manfred Zapatka) eines Tages an, als Profi einzusteigen. Heimsbach stellt Marko eine Wohnung zu Verfügung, trainiert ihn und eröffnet ihm die Chance, dem heimischen Horror zu entkommen. Doch bereits beim ersten Bewährungsspiel versagt der vielversprechende Zögling.
Elefantenherz
Es geht nicht einfach ums Boxen. Das Boxen steht für die männliche Identität, soziale Zugehörigkeit und die Notwendigkeit, seine Aggression zu kanalisieren. Verantwortung, Vater-Sohn-Konflikt und die schwierige Suche nach einem eigenen Platz in der Welt sind die eigentlichen Themen des Films. Als klassische Coming-of-Age-Geschichte vereint "Elefantenherz" diese Themen mit unsentimentalen, anschaulichen Bildern für soziales Elend: Das Milieu -Duisburg der Hochhäuser, Tiefgaragen und düsteren Kneipen - und die dazugehörigen Figuren werden plastisch, manchmal auch drastisch präsentiert - ohne Verurteilung oder Weichzeichner. Markos alkoholabhängiger Vater beispielsweise, haltlos und verzweifelt, ein Versager, der immer wieder neu um seine Würde ringt, die tapfere geschundene Mutter, die verunsicherte Schwester (Jana Thies) , der überforderte, haltlos wütende Sohn.

Zwar ist Daniel Brühl auch nach halben Jahr intensivem Boxtraining kein Muskelpaket geworden, dass Marko unter Strom steht und beinahe platzt vor mühsam gedrosselten Gefühlen, beständig zwischen Verantwortungsgefühl und Wut, Unsicherheit und Stolz hin und herschwankt, das vermitteln seine bewegliche Mimik, die ruhelos schweifenden Augen und die unablässigen Bewegungen in jeder Szene. Glaubhaft ist auch, wie er in Belastungssituationen reift, durch Schock in wenigen Stunden Entschiedenheit und Selbstbewusstsein gewinnt.
Szene aus: Elefantenherz
Markos Durchlässigkeit steht im Kontrast zur Undurchdringlichkeit des zwielichtigen Hermsbach, dem Zapatka eine überzeugenden Mischung aus Skrupellosigkeit und Bedürftigkeit verleiht. Ohne dass man viel aus Hermsbachs Leben erfährt wird deutlich, dass hier einer mit allen Mitteln versucht hat, sich aus seiner miesen sozialen Situation herauszukämpfen. Das ist ihm notdürftig gelungen, aber die Anstrengung des fortdauernden Kampfes hat seine Spuren hinterlassen. Die Geschichte dieser Figuren, ihr ganz gewöhnliches Elend zu vermitteln. das hat sich die Kamera zur Aufgabe gemacht. Es gelingt ihr ohne Sentimentalität und künstlerischem Schnickschnack.

Nicht von großen Erfolgen erzählt "Elefantenherz", von unverhofftem Geldsegen oder einer Saulus-Paulus Verwandlung der Figuren. Es zeigt vielmehr, wie mühsam es ist, sich aus dem Sumpf von Arbeitslosigkeit, Gewalt, Sucht und Lüge herauszuarbeiten. Diesen Weg beschreibt Regisseur Züli Aladag ohne falsches Pathos, präzis und packend.
erschienen am 10. April 2003
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Elefantenherz (Kinofilm)
Daniel Brühl spielt einmal mehr einen jungen Mann auf der Schwelle zum Erwachsenenalter. Marko hat die Schule geschmissen. Er steckt alle Energie und Hoffnung ins Boxen. "Elefantenherz" lebt von der schauspielerischen Präsenz der Figuren - neben Brühl, der die Gefühlsstürme mit beeindruckender Intensität zu vermitteln versteht, vor allem Jochen Nickel als alkoholabhängiger Vater sowie Manfred Zapatka als dubiose Halbweltgröße. Ein schlichter, schnörkelloser Film - präzis und packend.
Daniel Brühl hat sich durch seine Rollenwahl früh den Ruf eines ambitionierten Charakterdarstellers gesichert. Dabei beweist er eine souveräne Uneitelkeit und stellt seine Figuren mit ungeheurer Leinwandpräsenz dar - und das ohne Schauspielausbildung. Salvador - Kampf um die Freiheit". Seine internationalen Produktionen umfassen "Die Gräfin" von Julie Delpy sowie Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds".Benedict Cumberbatch im Biopic "Inside Wikileaks - Die fünfte Gewalt" zu sehen. Im..
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