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Berlinale 2016: Heißer Kandidat für Goldenen Bären
Einfühlsam und packend: "24 Wochen"
Es ist einer der einfühlsamsten und intensivsten Filme der bisherigen Berlinale, der Abschlussfilm der 34-jährigen Regisseurin Anne Zohra Berrached an der Filmakademie Baden-Württemberg. Der einzige deutsche Wettbewerbsbeitrag "24 Wochen" kann sich berechtigte Hoffnungen auf den Goldenen Bären machen. Nicht nur, weil es ein schwieriges Thema anpackt, sondern sich diesem auch auf filmisch sensible Weise nähert.
15. Feb 2016: Julia Jentsch spielt die TV-Kabarettistin Astrid Lorenz, die mit ihrem Ehemann und Manager Markus (Bjarne Mädel) sowie ihrer gemeinsamen Tochter Nele (Emilia Pieske) ein glückliches und wohlgeordnetes Leben führt. Bei einer Vorsorge-Untersuchung erfährt die Schwangere, dass ihr ungeborenes Baby am Downsyndrom erkrankt ist. Ein schwerer Schlag für das Ehepaar, für das aber bald feststeht: Sie wollen das Kind unter allen Umständen behalten.

Doch dann kommt die nächste Hiobsbotschaft. Das Ungeborene leidet auch an einem Herzfehler und müsste kurz nach der Geburt einer gefährlichen Operation unterzogen werden. Erneut stehen Astrid und Markus vor der Entscheidung: Sollen sie ihr Kind bekommen oder doch einen Schwangerschaftsabbruch einleiten lassen? Das Gesetz jedenfalls steht auf ihrer Seite. Bis zur 24. Woche kann ein als schwerkrank diagnostiziertes Fötus legal abgetrieben werden, danach muss es mit einer Kaliumchlorid-Spritze getötet werden, da es sonst bei der Abtreibung lebend zur Welt kommen könnte. Astrid ist in der 24. Woche schwanger.

So klar die Gesetzeslage ist, so diffus sind die ethischen Grenzen, wenn es um das Thema Abreibung geht. Moralisch noch schwieriger ist die Sachlage im Falle pränatal diagnostizierter Behinderungen und Krankheiten. Nicht nur in Deutschland wird darüber seit langem heftig debattiert. Haben Eltern das Recht, Gott zu spielen und das Leben ihres ungeborenen Kindes zu beenden, noch bevor es geboren wurde? Andererseits: Wäre es nicht ein Akt der Gnade, dem eigenen Kind ein qualvolles Leben zu ersparen?

Berrached schafft es eindrucksvoll, sich diesem schwierigen Thema zu nähern, ohne dabei Position zu beziehen. Auch wenn einer der Ärzte unter dem Namen der Regisseurin auftritt, ihre Haltung tritt diesbezüglich in den Hintergrund. Respektvoll gibt sie in ihrem Film beiden Standpunkten Raum. Alles andere als distanziert ist sie dagegen in der filmischen Methodik. Sehr nah kommt Berrached mit der Kamera den verzweifelten Eltern. Jede Gefühlsregung der beiden, die Angst, die Hoffnung, die Zweifel - nichts entgeht dem Blick der Filmemacherin.

Wie schon vor ihr Andreas Dresen in "Halt auf freier Strecke", der sich mit dem Thema Krebs befasst, hat Berrached nicht nur ausgiebig für das Thema recherchiert, sondern auch echte Ärzte vor die Kamera geholt. Wie bei Dresen sind auch bei ihr bei aller Sorgfalt um Authentizität die Schauspieler größter Garant für die Glaubwürdigkeit. Die eindringlich und mit großer Natürlichkeit aufspielenden Julia Jentsch und Bjarne Mädell gehen in ihren Rollen förmlich auf. Auch ihnen beiden ist zu verdanken, dass man im Kino so manches Mal einen Kloß im Hals hat und nach dem Kinobesuch sich der Diskussion über das schwierige Thema nur schwer entziehen kann.
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Andreas Dresen Emilia Pieske Bjarne Mädel Julia Jentsch Anne Zohra Berrached
2024