Filmfest München
Julie Christie
Julie Christie auf der großen Cocktail-Party
Starfeature: Hollywoods Trotzkopf
Al Pacino nennt sie die poetischste aller Schauspielerinnen, Robert Altman sieht in ihr eine kleine Soldatin. Für Sarah Polley ist sie wie eine Ersatzmutter und François Truffaut inspiriert sie zu seinem Film "Die amerikanische Nacht". Julie Christie hat manchem den Kopf verdreht und ihren eigenen dabei stets durchgesetzt. Ihr Unmut über das oberflächliche Hollywood-Kino ist nicht aufgesetzt, ihre Schüchternheit gegenüber der Presse nicht nur Koketterie. Den Respekt, den man der britischen Schauspielerin entgegen bringt, hat sie sich mit Eigensinn und Aufrichtigkeit verdient.
erschienen am 23. 06. 2008
Filmfest München
Julie Christie
Schon zu Beginn ihrer Karriere steht eine Gehorsamsverweigerung. Die neunjährige Julie schleicht sich aus dem Pariser Internat und verbringt den Tag mit einem ihr völlig Fremden. Die Begegnung wird schicksalhaft. Ihr neuer Bekannter ist ein Schauspieler und Julie will fortan nichts anderes mehr werden. Vater ist Besitzer einer Teeplantage in Indien, er hat vermutlich andere Vorstellungen als er seine Tochter nach Europa schickt, um ihr eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Das sprachbegabte Mädchen besteht aber darauf, eine Londoner Schauspielsuche besuchen zu dürfen und setzt sich durch. Bereits als Zwanzigjährige steht sie erstmals vor einer Kamera.
Filmfest München
Julie Christie
Auch ohne Bond-Bikini Weltstar
Eigentlich ist sie für die Rolle des Bond Girl vorgesehen, wird dann aber kurzfristig durch Ursula Andress ersetzt. Der Grund sind nicht Zweifel an ihren schauspielerischen Fähigkeiten, aber Andress hat einfach die größere Oberweite. Zu denen, die Christies Talent schon sehr früh erkennen, gehört Charlton Heston. Der verlangt nach der jungen Schauspielerin für den Historienfilm "Die Normannen kommen" (1965). Universal ist aber nicht bereit, der Honorarforderung Christies zu entsprechen. Die Entscheidung erweist sich als Fehler. Noch im selben Jahr spielt diese die Lara in "Doktor Schiwago" und bekommt einen Oscar für "Darling". A new Star is born!

1967 begegnet Julie auf einem Empfang der britischen Königin Warren Beatty. Er beobachtet sie, wie sie der britischen Königin die Hand schüttelt. Beatty lässt ihr seine Nummer zukommen, sie ruft an und Hollywood hat ein neues Traumpaar. Sie mieten sich ein Strandhaus in Malibu und engagieren sich für Tierschutz und Friedensbewegung. Filmrollen akzeptiert sie in dieser Zeit nur, wenn ihr das Projekt künstlerisch interessant erscheint. So kommt es zur Zusammenarbeit mit François Truffaut ("Fahrenheit 451") und Robert Altman ("McCabe & Mrs. Miller"). Die Liste der Rollen, die Julie Christie ablehnt, ist so viel länger…
Majestic
Gordon Pinsent mit Julie Christie in "An ihrer Seite"
Nicht mit John Travolta!
"Rosemaries Baby" (1968) interessiert sie so wenig wie Francis Ford Coppolas "Pate" (1972) oder Roman Polanskis "Chinatown" (1974). 1978 schlägt sie eine Million Dollar aus, die ihr für die Rolle der Jacqueline Kennedy Onassis in "Der große Grieche" geboten werden. Bei "Ein Mann für gewisse Stunden" (1980) steigt sie aus, als sie hört, dass die Hauptrolle mit John Travolta besetzt werden soll, von dem sie nichts hält. In diesem Zeitraum lehnt sie vier Engagements ab, die den Nachrückern Oscarnominierungen einbringen. Hollywood ist der trotzigen Schauspielerin nicht originell genug. Sie vergleicht es mit einer permanenten Cocktail-Party. Der Starkult erscheint ihr unwirklich. Immer kommt sie sich selbst als Hochstaplerin unter den Reichen und Schönen vor. Ihre Vorbilder sind Schauspieler Marlon Brando und der Deutsche Filmemacher Rainer Werner Fassbinder. Beides sind Künstler, die politisch Position beziehen und in der Filmbranche anecken. Mit beiden hat sie jedoch nie zusammen gearbeitet.
Majestic Film Verleih
An ihrer Seite
Rückzug in walisischen Bauernhof
Auch wegen ihrer Verweigerungshaltung wird es stiller um Julie Christie. In den 1980er Jahren dreht sie einige Fernsehfilme. Sie gibt an, das Geld das sie verdient habe, sei ihr durch die Finger geronnen und sie spiele nur, um ihre Rechnungen zu bezahlen. Das müssen sehr hohe Rechnungen sein, denn glücklicherweise gelingt es seit Mitte der 1990er Jahre wieder häufiger, sie von ihrem walisischen Bauernhof an den Set zu locken. In Wales lebt sie zurückgezogen mit dem Journalisten Duncan Campbell. Im Januar 2008 heiratetet das Paar nach fast dreißigjähriger Partnerschaft. Christie genießt es, auf den Straßen nur selten erkannt zu werden und behauptet, die meisten hätten längst vergessen, wer sie einmal gewesen sei. Mit ihrem großen Erfolg als Hauptdarstellerin in der Altersromanze "An ihrer Seite" macht sie sogar Hollywood wieder auf sich aufmerksam. 2008 wird die Oscarpreisträgerin von 1966 ein viertes Mal als beste Hauptdarstellerin für einen Oscar nominiert.
erschienen am 23. Juni 2008
Zum Thema
Julie Christie wurde 1941 in Indien geboren. In ihrer Kindheit reiste sie viel herum und lernte so nicht nur ihre Geburtsstätte, sondern auch England und Frankreich kennen. Gleich ihr erstes Filmangebot war eine Hauptrolle in der britischen TV-Serie "A for Andromeda". Regisseur John Schlesinger ebnete ihr den Weg in die Schauspielerei. 1963 übernahm sie eine Nebenrolle in seiner Produktion "Geliebter Spinner". Nur zwei Jahre später engagierte er das junge Talent für die Hauptrolle im Drama..
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