Walt Disney Studios Motion Pictures Germany
Kevin Lima in Rom zur Premiere von "Verwünscht"
"Verwünscht" für Jedermann
Interview: Kevin Lima über Ironie bei Disney
Ein Disney-Film für Jedermann. Das war das Ziel von Regisseur Kevin Lima bei seinem Mix aus Trick- und Realfilm. "Verwünscht" hat aber weitaus mehr zu bieten. Mit viel Ironie erzählt der Regisseur ein romantisches Märchen mit "Grey's Anatomy"-Star Patrick Dempsey in der Hauptrolle. In unserem Gespräch gingen wir der Frage nach, ob Kinder diese Ironie verstehen können und in welche Richtung das Animationsstudio Disney sich entwickeln wird.
erschienen am 20. 12. 2007
Walt Disney
Verwünscht
Ricore: Nach Ihrer ironischen Vorgehensweise wird es wohl keine weiteren klassischen, romantischen Disney-Animationsfilme geben. Wie sehen Sie das?

Kevin Lima: Ich sehe das nicht so. Sie glauben, dass nach unserem Projekt eine klassische Herangehensweisen lächerlich wirken würde, weil wir diese in "Verwünscht" parodieren? Das glaube ich nicht und selbst wenn, hoffe ich, dass ich nicht der Grund dafür bin. Vielmehr ist Disney gerade dabei, wieder einen klassischen Animationsfilm zu drehen.

Ricore: All die Klischees würden aber lächerlich wirken, finden Sie nicht?

Lima: Nein, das glaube ich nicht. Das wäre sonst das Ende aller Genres. Obwohl "Blazing Saddles" von Mel Brooks den Western parodierte, wurden trotzdem weiter Western gedreht.

Ricore: Würden Sie wieder einen Mix aus Real- und Trickfilm machen?

Lima: Falls das Thema es verlangt, auf jeden Fall. Denn dies ist eine Kombination, die ich liebe. Ich mag Disney Animation, 3D-Animation, Realfilm. "Verwünscht" war die perfekte Gelegenheit, unterschiedliche Möglichkeiten zu vereinen.

Ricore: Was hat Sie an diesem Projekt gereizt? Die Geschichte oder der Mix von Real- und Trickfilm?

Lima: Beides. Die Animation im Allgemeinen und die Arbeit mit Disney im Besonderen. Ich finde auch, dass die Geschichte eine Botschaft hat. Es hat uns die Möglichkeit gegeben, etwas über romantische Komödien zu sagen. Die erste Version des Drehbuchs las ich bereits im Jahr 2000 und war sofort begeistert. Ich sagte den Verantwortlichen, ich wüsste genau wie man diesen Film machen müsse und sie haben mir ihr Vertrauen geschenkt.

Ricore: War es schwer für Sie, einen halben Realfilm und einen halben Trickfilm zu inszenieren, und von einem zum anderen hin und her zu wechseln?

Lima: Das war gar nicht schwer, denn ich habe schon viele Trickfilme gemacht. Die Herausforderung war eher, den Realfilm in den Trickfilm einzubauen.

Ricore: Wen mussten Sie mehr bearbeiten, die Trickfiguren oder die Schauspieler?

Lima: Beide können sehr herausfordernd sein. Manchmal sitzen zwölf verschiedene Trickzeichner an einer Figur und sie alle müssen ein und denselben Charakter formen. Das war schon eine echte Herausforderung. Und in unserem Fall hatten wir dazu reale Schauspieler, die diese Figuren spielen. Also mussten die zwölf Zeichner es so einrichten, dass sie einen integren Charakter kreieren.

Ricore: Wie brachten Sie die realen Schauspieler dazu, wie die Trickfiguren zu laufen?

Lima: Ja, daran haben wir lange gearbeitet. Was macht eine Figur zur Disney-Trickfigur? Amy Adams kam zum Vorsprechen und lieferte all das bereits mit. Sie war stimmlich vorbereitet und hatte genau die richtige Einstellung. Auch die körperliche Ausdrucksfähigkeit hatte sie drauf, da sie Ballett studierte. Die Bewegungen fielen ihr leicht. Sie musste große körperliche Veränderungen über den Film hinweg durchmachen. Anfangs war sie mehr die Trickfigur. Mit der Zeit wurde sie immer menschlicher. Der Film verlangte viel Vorbereitung.

Ricore: Ist Ihr Film ein Kinderfilm?

Lima: Ich hoffe, es ist ein Film für jedermann. Ich wollte eine Art "Mary Poppins" schaffen, den sich die ganze Familie ansieht. Was die Werbung betrifft, vermuten die meisten einen Kinderfilm. Sieht man den Film, wird sehr schnell klar, dass die romantischen Züge im Vordergrund stehen, dass wir uns also mehr an ein erwachsenes Publikum richten. Hoffentlich können alle Altersklassen den Film genießen.

Ricore: Das Problem ist, dass Kinder die Ironie nicht immer nachvollziehen können. Kinder nehmen die Geschichte ernst, sie überlegen nicht weiter.

Lima: Aber der Film funktioniert auch ohne ironische Aspekte.

Ricore: Das macht ihn aber billig...

Lima: Wie meinen Sie das?
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Kevin Lima und Hauptdarstellerin Amy Adams
Ricore: Wenn er geradeheraus ist, dann wird die Geschichte sehr einfach.

Lima: Und das ist auch in Ordnung so, für ein fünfjähriges Kind beispielsweise. Ricore: Das war bei "Mary Poppins" auch so, nicht wahr?

Lima: Ja. Aber ich finde, die Welt an sich und Filme generell sind sehr zynisch geworden. Das ist deprimierend. Wir sehen das derzeit in den USA. Ich wollte etwas anders machen. Ich wollte die Liebenswürdigkeit der klassischen Disneyfilme wieder aufleben lassen. Ich hoffe, dass das auch funktioniert.

Ricore: Hatten Sie Vorbilder für Ihren Film?

Lima: Grundsätzlich die alten Disneyfilme, wie beispielsweise "Mary Poppins". Mein Choreograph hatte all die alten Hollywoodfilme vor Augen, um dieses Gefühl zu erzeugen.

Ricore: Ironie kann das Publikum verärgern. Was im Trickfilm funktioniert, ist im Realfilm oft ärgerlich.

Lima: Unser Film ist eine Hommage an die klassischen Vorbilder, keine Parodie. Wir nehmen die Klischees und kehren sie von innen nach außen. Wenn Sie das missverstehen, dann ist das kein Film für Sie.

Ricore: Was machen Disneyfilme für Familien so attraktiv?

Lima: Die Hoffnung, die sie vermitteln. Dass man etwas Gutes tun kann. Das hört und sieht man nicht so oft im wirklichen Leben.

Ricore: Sie haben jetzt sehr lange für Disney gearbeitet. Wie hat der Computer die Arbeit verändert?

Lima: Der Computer ist nur ein Werkzeug. Für Disney zu arbeiten, bedeutet auf die Geschichte zu achten. Die muss stimmen und unterhalten. Die klassische Animation sollte trotzdem nicht verloren gehen. Die Menschen malen ja auch noch.

Ricore: Wie glauben Sie, wird der Animationsfilm in zehn Jahren aussehen? Wird der Trend eher zu einem Mix aus Real- und Animationfilm gehen. Oder mehr CGI?

Lima: Das kann ich aus heutiger Sicht nicht beurteilen. Ich glaube, er wird das, was man braucht, um die Geschichte am besten zu erzählen. Unser Film wurde ein Mix, weil die Geschichte danach verlangte, nicht weil wir es so wollten.

Ricore: Wird Disney den Fokus weiter auf Animationsfilme legen?

Lima: Man hat mir gesagt, der Trend gehe mehr in Richtung von Geschichten für die ganze Familie. Ich wurde auch gefragt, ganz speziell über Geschichten nachzudenken, die in den Bereich des Animationsfilms fallen.

Ricore: Ich frage, weil sich Disney und Buena Vista in den vergangenen Jahren in sehr unterschiedliche Richtungen entwickelt haben...

Lima: Wer weiß, ich kann nicht vorhersagen, was das Publikum verlangen wird.

Ricore: Sind Sie zufrieden mit dem Endergebnis von "Verwünscht"?

Lima: Ja, ich bin sehr stolz auf ihn. Er bringt dem Publikum viel Freude.
erschienen am 20. Dezember 2007
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