Jean-François Martin/Ricore Text
Bezauberndes Lächeln der Spanierin
Sexszenen in der Kirche?
Interview: Monster Ben Kingsley
Isabel Coixet, Penélope Cruz und Sir Ben Kingsley stellten in Berlin "Elegy" vor. Im Gespräch kommen ungewöhnliche Dinge zur Sprache. Cruz verrät, wie sie es schaffte, Kingsleys Blick standzuhalten und warum sie ihn als Monster bezeichnet. Kingsley erklärt uns, warum er seine Arbeit als Schauspieler mit einem japanischen Maler vergleicht. Regisseurin Coixet berichtet, aus welchem Grund sie sich bei den Drehs der Sexszenen wie in einer Kirche gefühlt hat.
erschienen am 13. 02. 2008
Jean-François Martin/Ricore Text
Ben Kingsley und Penélope Cruz auf der Berlinale 2008
Ricore: Was hat Ihnen an dem Roman gefallen?

Isabel Coixet: Ich habe den Roman gelesen weil ich ein Anhänger von Philip Roth bin. Ich dachte mir, jemand wird den Film machen, aber es wird schwierig. Dann haben mich die Produzenten angerufen und mir das Skript geschickt. Es komprimiert in intelligenter, kurzer und subtiler Weise den Inhalt. Als sie mir sagten, Ben und Penélope würden spielen, bekam ich Angst.

Ricore: Wie haben Sie sich den Charakteren genähert?

Ben Kingsley: Ich wollte nicht zu viele Schichten haben. Ich habe mit Isabel gesagt, meine Rolle ist amerikanisch, aber ich möchte das mit meiner eigenen Stimme spielen. Wirklich ermutigend war, dass sie ein Umfeld geschaffen hat, in dem wir sehr sensibel füreinander waren und sehr verletzlich in unseren Gefühlen. Die höchste Währung eines Schauspielers ist seine Verletzlichkeit. Penélope hat diese wunderbare Frau gespielt. Damit kam ich näher an mich heran, wurde verletzlicher, fühlte mich aber auch sicherer.

Penélope Cruz: Ich habe das Buch vor sechs Jahren gelesen und war begeistert. Es hat mich richtig aufgewühlt. Es war nicht einfach, das zu spielen. Die Rollen sind emotional sehr anspruchsvoll. Aber darüber freuen wir uns als Schauspieler ja gerade. Das Buch war für mich wie eine Bibel. Ich habe es jeden Tag gelesen, auch zwischen den Aufnahmen. Ich hatte den besten Tanzpartner, den man sich vorstellen kann. Diese Freiheit, inspiriert zu werden, zu fliegen, mutig zu sein, ist ganz hervorragend. Ja, Ben, damit meine ich natürlich dich.
Jean-François Martin/Ricore Text
Isabel Coixet (Berlinale 2008)
Ricore: Frau Coixet wie war die Vorbereitung?

Coixet: Philip Roth hat das Skript nicht gelesen. Ich habe lange mit ihm gesprochen. Ich erinnere mich noch genau an den Tag vor Beginn der Dreharbeiten. Da rief er mich um Mitternacht an und sagte: Isabel denke immer daran, dass der Körper sich an mehr erinnert als das Gehirn.

Ricore: Frau Cruz, wie konnten Sie dem Blick von Ben Kingsley standhalten?

Cruz: Nein, ich musste ihn nicht aushalten, ich habe ihn benutzt. Nur so konnte ich Consuela verstehen, ihren Schmerz. Durch seine Persönlichkeit, auf Grund seiner Angst. Ich habe ihn seit Jahren arbeiten sehen. Er ist einer der großzügigsten Schauspieler. Er hilft dem anderen, er sieht alles, er adaptiert jedes Problem, jedes Geräusch bei den Dreharbeiten. Die meisten Leute würden verrückt werden wegen der Nebengeräusche. Er kann das Nutzen, er nimmt das auf. Es ist ein Monstrum. Er ist ein verdammt guter Schauspieler.

Ricore: in ihrer Arbeit geht es häufig um gesundheitliche Probleme, um Krankenhäuser.

Cruz: Also diesmal ist es ja Philip Roth. Ich habe das Skript ja nicht geschrieben. Für mich geht es in dem Film gar nicht um Krankheit. Es ist ja klar geworden, worum es geht. Es geht um Liebe, um Schönheit, den Verlust von Schönheit, Sterblichkeit. Das ist keine Komödie. Das ist die Landschaft, in der ich mich wohlfühle. Ich habe immer versucht, eine Komödie zu machen, aber das liegt nicht in meiner Hand.
Jean-François Martin/Ricore Text
Penélope Cruz im Blitzlichtgewitter
Ricore: Herr Kingsley, am Anfang des Films sagt David, alles äußere ändere sich, aber innen bleibe alles gleich. Können Sie sich mit dieser Aussage identifizieren?

Kingsley: Ja, in der Tat. Das kann ich. Dieser hervorragende Beruf, den ich ausübe ist eine Art Selbstheilung. Jedes Mal, wenn ich eine neue Aufgabe antrete, bin ich so nervös, wie ich mit zwanzig Jahren war. Wenn man das Privileg hat, einen Beruf auszuüben, den man wirklich liebt, hält man das aus. Ich versuche, ökonomischer zu sein. So wie Haiku, der japanische Maler, der mit 109 Jahren sagte, dass er den Berg, den See, die drei Fische und die Wolke mit einem Strich zeichne. Ich hoffe, dass ich mich in diese Richtung entwickle. Penélope und Isabel waren jeden Tag erfrischend. Es hängt schon davon ab, mit wem Sie zusammen sind. Sie können mit Leuten zusammen sein, da fühlen Sie sich nach einer halben Stunde schon alt. Und beim Kontakt mit anderen werden sie immer jünger. Und die beiden gehören zu der letzteren Kategorie.

Ricore: Frau Cruz, in diesem Film geht es um das Älterwerden. Wie denken Sie darüber?

Cruz: Ich freue mich darauf. Ich will nicht sterben. Ich möchte Erfahrungen machen. Wenn die Jahrzehnte vergehen, will ich die Zeit bei meiner Arbeit nutzen.

Ricore: Frau Cruz, Frau Coixet, das Buch von Philip Roth hat viele Sexszenen. Wie konnten Sie damit umgehen?

Cruz: Ich habe eigentlich noch nie erotische Szenen gedreht. Aber das war ganz normal. Das ist ein Teil der Persönlichkeit. Es gibt Szenen, die im Film nicht enthalten sind, aber nicht deswegen, weil wir uns vor der Sexualität gescheut hätten. Es war einfach nicht relevant. Die Persönlichkeit Consuela wird im Buch einmal von David gebissen, aber das ist nicht wichtig. Ich will jetzt nicht sagen, dass das alles einfach war. Aber wir hatten im Team eine sehr schöne Atmosphäre. Jeder hat sich sehr frei gefühlt, auch ich.
Coixet: Die erotischen Szenen waren im Buch viel deutlicher. Wir haben genommen, was notwendig und schön war. Wir haben uns da recht frei gefühlt. Die Szene wo Penélope am Abend mit Ben die Fotos macht, war eine, bei denen man sich besonders freut mit diesen Schauspielern zusammenarbeiten zu dürfen. Darüber kann man lachen. Aber ich erinnere mich an diesen Tag. Es war ganz still am Set. Es war im Grunde wie in einer Kirche. Das ist eine sehr lange Einstellung. In dieser Stille, in diesem Frieden ist alles enthalten, was sie wissen müssen.

Ricore: Herr Kingsley, inwiefern ist ihre Theatererfahrung beim Film nützlich und wie war die Zusammenarbeit mit Dennis Hopper?

Kingsley: Alle Arbeit, die ich gemacht habe, war eine enorme Quelle aus der ich die Technik lernen konnte, mich in eine Rolle hineinzuversetzen. Ich kenne das alles aus den ersten Jahren des Theaters. Ich war 15 Jahre auf der Bühne, bevor ich zum Kino kam. Meine Beziehung zu Dennis war sehr kameradschaftlich, freundschaftlich. Er ist ein warmer, sehr kluger, sehr humorvoller Mann. Es gibt da die Szenen, wenn wir zusammen Squash spielen, wenn wir zusammen im Restaurant darüber reden, was es bedeutet, ein Mann zu sein. Das ist so selten im Kino. Es hat etwas Feminines. Das hat mir gefallen.

Ricore: Frau Cruz, wo sehen Sie die Herausforderung, eine Latino-Frau darzustellen?

Cruz: Es war kein Problem, dass die Hauptperson aus Kuba kommt und nicht aus Spanien. Das sind ja Kulturen, die Gemeinsamkeiten haben, insbesondere im emotionalen Bereich. Ich habe Consuela sehr gut nachvollziehen können, ihre Krankheit, was sie dabei durchmacht.

Ricore: Was denken Sie darüber, dass es in dem Film ganz klassisch um die Verbindung einer jungen Frau mit einem älteren Mann geht?

Cruz: Darum geht es eigentlich gar nicht so sehr. Beide haben Angst. Er auf Grund des Alters. Sie hat andere Ängste. Das Leben überrascht sie. Einmal sagt sie sogar: "Ich habe das Gefühl, ich bin älter als du." Da entsteht ein Konflikt, der beiden Figuren die Augen öffnet. Sie haben festgestellt, dass sie sich auf der gleichen Ebene befinden. Viele von uns haben Beziehungen, in denen es große Altersunterschiede gibt. Aber wir akzeptieren unsere Partner als gleichberechtigt, als gleichwertig. Intimität, Vertrauen und Liebe überwinden viele Unterschiede. Andere Erfahrungen werden irrelevant. Wer ist das sterbende Tier in diesem Film? Ist er es oder sie?
erschienen am 13. Februar 2008
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2024