20th Century Fox
Anke Engelke
Ich kann keine Witze erzählen
Interview: Anke Engelkes Stärken
Während der Berlinale 2008 trafen wir die Komödiantin Anke Engelke. Schon bei der ersten Antwort beweist sie Humor, als sie mit gespielt seriöser Miene über ihre Rolle in "Horton hört ein Hu!" spricht. Einen ganz hässlichen Charakter sollte sie spielen, doch dies hat der Comedy-Queen nichts ausgemacht. Denn die Botschaft des Animationsfilms ist eine pädagogisch wichtige. Nach jeder Frage überlegt sie kurz, die Antworten wirken ehrlich. Nach unserem Gespräch ist zweierlei klar: Synchronisieren ist harte Arbeit und Anke Engelke ist auch privat sehr lustig.
erschienen am 11. 03. 2008
20th Century Fox
Anke Engelke
Ricore: Sind die Synchronarbeiten abgeschlossen?

Anke Engelke: Ich habe den Trailer schon vor drei Wochen gesprochen. Einfach mal schnell ins Kölner Studio, ISDN und Oliver Rohrbeck. Also stand ich da und wusste nicht, worum es in dem Film geht. Ich kenne ja die Dr. Seuss-Sachen, weil ich kanadischer Herkunft und damit groß geworden bin. Aber "Horton hört ein Hu!" war mir nicht so geläufig. Gestern komme ich nach Berlin und kriege den Film zu sehen. Es ist ein sensationeller Film, wirklich fantastisch. Aber das Känguru ist ein hässlicher Charakter. Eine autoritäre Ziege. Das hat mir ja kein Mensch gesagt.

Ricore: Was haben Sie dann gemacht?

Engelke: ich bin ins Studio gegangen. Zur Regie habe ich gesagt: "Es ist ja eine schöne Kiste, in die ihr mich geschoben hat". Aber es ist auch irgendwie reizvoll, Charaktere zu spielen, die ganz weit weg von der eigenen Persönlichkeit sind oder die durchaus als negativ zu bezeichnen sind. Dann habe ich sofort mit der Vorbereitung angefangen. Ich habe 110 Takes, die Hauptrolle ist ja der Elefant und danach kommt eigentlich der Bürgermeister von Huville. Es ist keine große Rolle, aber es ist ein guter Film.

Ricore: Ist Synchronisieren für Sie keine Unterforderung?

Engelke: Nein, nein, das ist das Schwerste. Es ist nicht so gut bezahlt wie andere Sachen. Das Synchronisieren von solchen Filmen ist eigentlich das Schwerste, was es gibt. Ich habe Kollegen, die sich das nicht zutrauen.
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Horton hört ein Hu!
Ricore: Woran liegt es?

Engelke: Es gibt drei Stressfaktoren. Früher habe ich die Bücher im Vorfeld gekriegt und hatte paar Wochen Zeit, den Film zu sehen und zu lernen. Heute sind die Kinostarts in den USA und Deutschland wegen der Raubkopiegefahr parallel. Also gibt's keine Zeit, sich auf die Rolle oder zumindest den Text vorzubereiten. Ich komme ins Studio, um 9 Uhr habe ich den Film gesehen, um 10.30 begann mein Job. Boah, es hatte nichts Sinnliches! Ich hatte 110 Takes, ich musste sie Satz für Satz sprechen. Aber zu den drei Faktoren: ich muss mir all diese Sätze ins Kurzzeitgedächtnis einprägen. Dabei sind auch Zungenbrecher. Dann muss das Ganze lippensynchron sein. Das Original ist aber Englisch, nicht deutsch. Die Übersetzung muss lippensynchron sein. Aber dennoch. Die dritte Schwierigkeit: ich muss auch spielen. Text, Lippensynchron und dazu spielen, ich finde, das ist das Schwerste. Unterforderung ist das falsche Wort. Sowohl bei "Tarzan" als auch bei "Findet Nemo" wollte ich abbrechen. Besonders bei "Nemo" mit den Texten und der Satzmelodie war ich eher überfordert.

Ricore: Gehört das Alleinsein im Studio zu den Schattenseiten?

Engelke: Nein, das würde auch nur irritieren. Man denkt ja immer: "Oh Mensch, das ist ja ganz toll! Mit Christoph Maria Herbst habt ihr bestimmt Spaß." Nein, man ist immer alleine. Zwei Leute sind zwei Fehlerquellen. Wenn der eine etwas falsch macht, müssen wir alles vom Anfang an noch mal machen. Es ist ein langer Arbeitstag. Deswegen stehen alle alleine da. In "Tarzan" war ich Jane und hatte Liebesszenen mit Tarzan. Wann habe ich meinen Tarzan getroffen? Bei der Premiere auf dem roten Teppich. "Hallo, ich bin Jane. Schön, dass wir uns mal kennen lernen. Unsere Liebesszene war sehr schön."

Ricore: Was sind Ihre Stärken?

Engelke: Ich kann nicht schreiben, aber ich kann gut sprechen. Ich kann keine Witze erzählen, ich kann keine Pointen schreiben. Aber das was ich kann, beherrsche ich gut. Ich kann etwas umsetzen, was ein Regisseur verlangt. Natürlich stöße ich manchmal an meine Grenzen. Ich drehe jetzt "Komissarin Ellen Lucas". Da ist es eine andere Gangart - bitterer Ernst und man muss alles auf den Punkt bringen.
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Anke Engelke bei der Premiere zu "Horton hört ein Hu!"
Ricore: Finden Sie es gut, wenn der Regisseur eine Szene immer und immer drehen lässt?

Engelke: Ja, finde ich super. Die härteste Schule ist Helmut Dietl. Wenn man bei ihm seinen Text nicht kann, ist es vorbei. Da muss man sogar die Satzzeichen mitspielen. Wenn ein Komma steht, muss man das Komma spielen. Da geht man nur mit Angst an den Set. Das weiß ich nicht nur aus eigener Erfahrung. Alexandra Maria Lara - eine gestandene Schauspielerin - ist mit voller Hose dahin gegangen. Auch solche Leute wie Moritz Bleibtreu und Uwe Ochsenknecht gehen mit Respekt zu Dietl. Ich muss es nicht immer so haben.

Ricore: "Horton hört ein Hu!" ist Familienunterhaltung. Machen Sie die Arbeit im Hinblick auf Ihren eigenen Nachwuchs?

Engelke: Nein, eigentlich nicht. Das war nie ein Kriterium. Ich trenne es. Ich bin jetzt 42. Jetzt kann ich sagen: "das ist es, was ich machen will!" Ich habe in den letzten Jahren nur Sachen gemacht, mit denen ich 100-prozentig zufrieden bin. Die Quotendiskussion führe ich schon lange nicht mehr. Ich habe kein Rezept. Wenn ich den Geschmack einiger Leute treffe, dann finde ich es super.

Ricore: Gibt es nicht im Fernsehbereich so etwas wie Safe-Bets?

Engelke: Dann hätte die "Late night" funktionieren müssen. Dabei waren die Autoren von "Ladykracher", eine Fernsehband mit Erfahrung, Schreiber von Harald Schmidt und die lustige Comedy-Queen. Wo ist also das Problem? Wieso ist es nicht durch die Decke gegangen, als hätte ich es neu erfunden? Die Kombination hat nicht gestimmt.
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Anke Engelke versteht ihr Fach
Ricore: Was für ein Typ Mutter sind Sie eher: Marge Simpson oder das Känguru?

Engelke: Es ist alles irgendwie drin. Bei Marge ist das Autoritäre, wie das Klammernde da. Sie hat ja das Baby fast immer auf dem Arm. Das Känguru hat das Kleine im Beutel und es darf nicht raus. Auf der anderen Seite ist Marge eine lässige Mutter, sie hat einen schrecklichen Mann und steht es seit 18 Jahren durch. Sie ist eher liberal und tolerant. Ich kann es gar nicht sagen. Ich bin immer offen für Neues. In "Findet Nemo" war es ein ganz anderes Model: ein allein erziehender Vater, der nicht loslassen kann. Hier haben wir eine klammernde Mutter, die eine ganz autoritäre Erziehung anstrebt. Grenzen muss es geben, aber innerhalb dieser Grenzen muss alles erlaubt sein. Das wäre mein Konzept.

Ricore: Haben Sie sich auch mit dem Thema Jungendkriminalität in letzter Zeit beschäftigt?

Engelke: Um Gottes willen nein - ich bin 42 (lacht)! Ich wünsche mir, dass die Leute beim Streiten einen kühlen Kopf bewahren. Ich bin sehr froh, dass ich Schauspielerin und nicht Politikerin geworden bin.

Ricore: Welcher Hollywood-Schauspielerin würden Sie gern sprechen?

Engelke: Ich bin ein großer Fan von Ellen DeGeneres. Ich mag auch Jim Carrey. Wenn er sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen würde, bin ich die erste, die ihn synchronisiert. Er ist sensationell. Ich habe ihn vor einigen Jahren in München getroffen. Es war eine wirklich skurrile Begegnung. Ich durfte seinen Film "Bruce Allmächtig" anmoderieren und wir haben eine Schlägerei inszeniert. Ich hatte mich damals in acht Sprachen vorbereitet. Ich kündige ihn an und wo kommt er her? Von ganz oben und steigt über das Publikum. Endlich auf die Bühne angekommen, stelle ich ihm die erste Frage und er macht nur Scheiße. Dann dachte ich: "So, mein Freund, kannst du gerne haben!" Ab da habe ich alles falsch übersetzt und hatte die Lacher auf meiner Seite. Als er darauf gekommen ist, hatten wir einen Streit, aber auch eine Liebesszene. Das war einer der schönsten Momente in der letzten Zeit.

Ricore: Vielen Dank für das nette Gespräch!
erschienen am 11. März 2008
Zum Thema
Gott segne den Kinderchor. Vielleicht wäre eine der bekanntesten deutschen Komödiantinnen sonst nie entdeckt worden. Anke Engelke wurde nach einem selbstbewussten Auftritt als Chorsängerin für das tägliche Kinderprogramm des Blind Date". 2004 übernahm Engelke mit einer eigenen Late-Night-Show den Sendeplatz von Harald Schmidt, scheiterte aber an den Einschaltquoten.Findet Nemo" und der Fortsetzung "Findet Dorie".
Bei dem Animationsfilm "Horton hört ein Hu!" handelt es sich um die Adaption des gleichnamigen Kinderbuches von Dr. Seuss. Horton (Christoph Maria Herbst), der fürsorgliche und sympathische Elefant aus Nümpels, hört eines Tages den Hilferuf der kleinen Hus aus Hu-Heim. Da für den freundlichen Dickhäuter Größe keine Rolle spielt, beschließt er dem kleinen Volk zu helfen. Dabei zieht er allerdings schnell den Spott der anderen Dschungelbewohner auf sich.
2024