ARD
Anica Dobra als Klinikerbin Miriam Berghoff in "Die Alpenklinik"
Zwischen Serbien und Deutschland
Interview: Anica Dobra ist schüchtern
Anica Dobra spielt in "Die Alpenklinik - Aus heiterem Himmel" die alleinerziehende Mutter Miriam Berghoff. Als ihr Freund Chefarzt Dr. Daniel Guth (Erol Sander) ihr einen Heiratsantrag macht ist sie überglücklich. Doch die Idylle währt nicht lange. Bei den Hochzeitsvorbereitungen bricht Miriam ohnmächtig zusammen. Beim Mittagessen haben wir uns mit Dobra getroffen und uns nicht nur über ihre Rolle unterhalten. Die serbische Schauspielerin erzählte von ihrer schweren Jugend in Frankfurt, ihrer Schüchternheit und warum sie keine Traumrollen bekommt.
erschienen am 11. 04. 2008
Indra Fehse/Ricore Text
Anica Dobra
Ricore: In "Die Alpenklinik - Aus heiterem Himmel" verbieten sie ihrem kleinen Sohn zwei Hunde aufzunehmen. Wie steht es privat mit der Tierliebe?

Anica Dobra: Privat musste ich nachgeben. Ich habe versucht, es meiner Tochter zu verbieten. Aber nach ein paar Jahren Gejammer habe ich es erlaubt. Ich kann verstehen wenn man seinen Kindern Tiere verbietet, vor allem wenn man viel unterwegs ist. Aber ich verstehe auch, wenn man nachgibt. Kinder wollen die Verantwortung übernehmen, wissen aber noch nicht genau, was das bedeutet.

Ricore: Was für einen Zoo hat ihre Tochter jetzt zuhause?

Dobra: Am liebsten hätte sie alles. Aber wir haben einen Wellensittich und einen Hund. In Belgrad gibt es ganz viele Straßenhunde, die werden dann auch an jeder Ecke von ihr betreut. Für die sammeln wir auch.

Ricore: Und mit dem eigenen Hund muss ihre Tochter auch Gassi gehen und den Vogelkäfig sauber machen?

Dobra: Das muss sein, klar. Sie muss auch mindestens eine halbe Stunde pro Tag mit dem Wellensittich sprechen. Es geht nicht nur darum, etwas sauber zu halten, sondern sich wirklich zu engagieren.

Ricore: Bleiben wir bei ihrer Tochter. Sie sind ein Sprachentalent. Sie sprechen deutsch, serbisch, russisch und diverse andere Sprachen. Wie erziehen sie denn ihre Tochter?

Dobra: Eigentlich darf ich gar nicht über meine Tochter reden, das hat sie mir selber gesagt. Auf jeden Fall muss sie selber das Bedürfnis verspüren, eine Fremdsprache lernen zu wollen. Das Bedürfnis hat sie auch. Deutsch hat sie sich selber beigebracht. Durch das Fernsehen, nicht durch mich. Wenn es etwas Gutes am Fernsehen gibt, dann natürlich das. Und englisch geht bei ihr auch gut. Das macht sie auch außerhalb der Schule. Zum Glück möchte sie das. Es ist nämlich sonst schwer, jemandem zu erklären wie wichtig das heutzutage ist. Man muss da selber darauf kommen. Ich bin kein Typ, der pushed. Ich finde es viel ehrlicher und einfacher, einen ausgesprochenen Wunsch zu unterstützen.
Indra Fehse/Ricore Text
Anica Dobra
Ricore: Sieht sich ihre Tochter dann auch viele Filme an, in denen sie mitspielen?

Dobra: Manchmal, das sieht sie ganz locker.

Ricore: Im Film sagen sie am Grab ihres Vaters "Ich bin so glücklich". Was bedeutet für sie Glück im Leben?

Dobra: Das wichtigste ist der Weg zum Glück. Glücklichsein ist ja immer nur eine Momentaufnahme. Daran kann man sich erinnern wenn es einem nicht so gut geht. Als normaler Mensch kann man nicht erwarten ständig glücklich zu sein. Ein zufriedenes Leben zu führen bedeutet für mich auch Tiefen zu haben und Probleme bewältigen zu müssen. Das ist das Normalste der Welt. Nach der Bewältigung eines Problems spürt man ja auch eine Art Glück und Zufriedenheit. Man spürt, dass man reifer und klüger geworden ist. Darum geht es glaube ich im Leben. Ich bin auch immer glücklich, nach einer langen Arbeitsphase wieder nachhause zu kommen.

Ricore: Haben sie denn genug Zeit für ihre Familie? Sie drehen in Deutschland und Belgrad und spielen in Belgrad auch Theater. Ich kann mir vorstellen, dass sie dauernd unterwegs sind.

Dobra: Eigentlich gar nicht. Ich nehme mir immer die Zeit für meine Familie, das ist für mich ganz wichtig. Für mich hängt das alles zusammen. Ich könnte keine gute Schauspielerin sein, ohne eine glückliche Mutter und Ehefrau zu sein. So viel ist das ja nicht. Die Arbeit ist schon intensiv, aber es muss nicht immer ein Projekt das nächste jagen. Das möchte ich auch gar nicht. Ich bin auch manchmal über Monate nur zuhause. Dann beschäftige ich mich mit den Schulsachen der Kinder, mit dem Haushalt, treffe Freunde und lese Bücher. Die Zeit nehme ich mir, ich bin keine Jetsetterin. Ich bin nicht nur Schauspielerin, sondern auch Mutter, Frau, Freundin, Tochter, Schwester und noch vieles mehr. Ich habe den Luxus wählen und auch absagen zu können. Es gab mal eine Phase vor zwei, drei Jahren. Da kamen lauter Angebote die mich interessiert haben und die ich unbedingt annehmen wollte. Das war ein Ausnahmezustand und dann geht das auch mal. Aber nur vorübergehend. Ich möchte später nicht sagen: "Schade, dass ich die Zeit nicht mit meiner Familie verbracht habe."
Tzveta Bozadjieva/Ricore Text
Anica auf der Berlinale 2008
Ricore: Nach welchen Kriterien suchen sie sich ihre Rollen aus? Auf etwas Kommerzielles folgt etwas Unabhängiges?

Dobra: Im Idealfall ist das so. Manchmal kommen aber auch nur kommerzielle Sachen, die man dann auch machen möchte. Und dann kommt der Wunsch, wieder etwas anderes zu machen. Ich habe da schon eine Art Gleichgewicht gefunden. Letzte Woche war ich auf der Berlinale, ich hatte dort einen Film im Panorama Special laufen. Das war sehr gut: groß im Kino, engagiert, Low Budget. Dann habe ich jetzt in Belgrad einen österreichischen Kinofilm gedreht. Es ist ein Episodenfilm mit ineinander verwobenen Liebesgeschichten. Das war super erfüllend und auch interessant, auch ein Low Budget-Film. Weil ich in diesem Jahr noch einen Kinofilm sicher habe, eine deutsch-serbische Koproduktion mit dem Titel "Die Frau mit der gebrochenen Nase", kann jetzt auch wieder etwas anderes kommen. Der Film spielt auch in Belgrad.

Ricore: Hat das ihre Entscheidung beeinflusst?

Dobra: Nein, das ist Zufall. Ausschlaggebend ist bei mir immer das Drehbuch. Ich bin dann auch mehr motiviert, dann fällt mir das Drehen leichter.

Ricore: Bei ihnen entscheidet also eher der Bauch als der Kopf?

Dobra: Ja, schon immer.

Ricore: In "Die Alpenklinik III" sind sie seit zwei Jahren mit Daniel zusammen. Dann wollen sie heiraten und das muss innerhalb von zwei Wochen passieren. Sind sie im wirklichen Leben auch so spontan?

Dobra: Ich habe schon eine Idee in meinem Leben. Etwas, das mich führt, Wünsche. Ich bin jemand der an Märchen glaubt und auch einfach mal herumphantasiert. Ich glaube, dass Wünsche wahr werden, wenn man auf sie hinarbeitet. Es gibt für mich auch die Worte "immer" und "nie". Ich bin sehr idealistisch. Einen Rahmen habe ich schon im Leben. Aber Spontaneität ist auch etwas Positives.
Indra Fehse/Ricore Text
Anica Dobra
Ricore: Sie glauben also an die Wunscherfüllung im Leben? Was wäre denn ihr größter Wunsch, vielleicht ihre Karriere betreffend?

Dobra: Mein größter Wunsch wäre es, kontinuierlich arbeiten zu können solange ich das möchte. Das wäre ein Erfolg, konstant präsent zu sein. Die Arbeit ist mir natürlich schon wichtig. Darauf verzichten zu müssen wäre für mich schwierig.

Ricore: Gibt es eine Rolle, die sie unbedingt einmal spielen möchten?

Dobra: Das habe ich schon lange aufgegeben. Spezielle Rollen unbedingt haben zu wollen bringt nur Frust. Ich möchte gute Drehbücher lesen und mit interessanten Leuten arbeiten.

Ricore: Sie haben wirklich keine Wunschrolle?

Dobra: Eine sehr gute Rolle wäre eine Figur die tragisch, rührend aber auch witzig ist. Schräge Typen und Charakterrollen sind auch immer toll.

Ricore: Der Bauer Kogler bekämpft in "Die Alpenklinik III" seinen Kummer mit Musik. Wie bekämpfen sie ihren Kummer?

Dobra: Mit Kommunikation. Wenn ich einen Kummer habe muss ich darüber reden. Egal, ob ich dann eine Lösung habe oder nicht. Die Menschen müssen mich dann gar nicht betätscheln, die dürfen und müssen mich auch kritisieren. Ich muss das Problem loswerden und dann eine andere Meinung dazu hören.

Ricore: Sind sie also ein kommunikativer Mensch?

Dobra: Nein, gar nicht. Am liebsten ziehe ich mich zurück. Ich muss mich mitteilen können, aber wenn es nicht sein muss halte ich lieber alles wie eine Verschwörung. Weil ich eben nicht kommunikativ bin bleibe ich lieber zuhause als dass ich irgendetwas alleine mache. Für andere Menschen bin ich eher zu. Ich würde zum Beispiel nie freiwillig ein Interview geben. Aber in dem Moment, in dem ich mich entschieden habe etwas zu machen, ist es auch kein Problem mehr. Es geht jetzt um das Projekt, ich selber habe aber überhaupt kein Bedürfnis in der Öffentlichkeit zu stehen. Ich habe kein Bedürfnis, viel mit anderen Menschen zu teilen. In dem Sinne bin ich nicht kommunikativ.
Tzveta Bozadjieva/Ricore Text
Ist nach eigener Aussage Medienscheu: Anica Dobra
Ricore: Man denkt ja immer, dass Schauspieler eher extrovertierte Leute sind. Aber oft ist es auch umgekehrt. Sie würden sich also auch nicht als extrovertiert bezeichnen?

Dobra: Genau. Und das ist bei ganz vielen Schauspielern so. Ich sehe das als eine Qualität an. Als Schauspieler geht es nicht nur darum alles zu zeigen, man muss auch einiges zu verbergen. Wie im Leben. Diese schüchterne Note ist auch für den Zuschauer sehr anziehend, dann gibt es ein Geheimnis. Und ganz viele Schauspieler sind privat schüchtern. Deswegen sind auch ganz viele tolle Schauspieler bei einem Casting schlecht. Man muss da etwas spielen und weiß gar nichts über den Film, ob das eine Komödie ist oder etwas anderes. Dann ist man unsicher, und diese Unsicherheit ist eigentlich auch Schüchternheit. Ich habe das sehr oft erlebt, aber das hat mir auch Mut gegeben. Weil ich gemerkt habe, dass es nicht nur mir so geht. Das ist normal, und als Schauspieler muss man das auch haben. Durch dieses Schüchternsein kann man Sachen entdecken, bei sich und auch bei anderen. Und das kann nur hilfreich sein.

Ricore: Sind sie selbst schüchtern oder eher offen?

Dobra: Medienscheu bin ich auf jeden Fall. Auf Partys fühle ich mich generell auch nicht wohl. Also ja, ich bin schüchtern.

Ricore: Sie sind in Belgrad aufgewachsen, dann nach Deutschland gekommen und leben jetzt wieder in Belgrad. Wie kam das?

Dobra: Es stand von Anfang an fest, dass ich wieder zurückkomme. Meine Mutter war als Vertreterin in einer Firma, sie hatte eine vierjährige Mandatszeit, und dann sind wir wieder zurück.

Ricore: Wie haben sie sich als Kind in Deutschland eingelebt? Mit einer anderen Sprache, einer anderen Kultur.

Dobra: Es war schrecklich für mich, ganz schlimm! Ich war in der Pubertät und hatte nicht die Weitsicht zu erkennen, dass mich das im Leben einmal weiter bringt. Es war sehr schwierig. Heute bin ich sehr dankbar, dass ich diese Frankfurt-Erfahrung hatte.
Indra Fehse
Anica Dobra
Ricore: Und fühlen sie sich heute wohl in Deutschland?

Dobra: Auf jeden Fall viel wohler als damals, als ich noch in Deutschland gelebt habe. Das hat natürlich nicht nur etwas mit Deutschland zu tun, sondern mit mir. Plötzlich kam ich durch das Drehen wieder nach Deutschland, und da war ich offen und anders als vorher. Da war ich wohl auch schon ein bisschen reifer. Plötzlich hat mir alles sehr gut getan. Ich hatte Freunde und habe alles sehr genossen. Ich glaube, dass diese Zeit so schwierig für mich war, hatte etwas mit der Pubertät zu tun. Da habe ich plötzlich den Boden unter den Füßen verloren.

Ricore: Haben sie in Belgrad oder in Deutschland mehr Freunde?

Dobra: In erster Linie habe ich wenige Freunde. Und die sind sowohl hier als auch in Belgrad.

Ricore: Gestern war die Oscarverleihung. Könnten sie sich vorstellen in den USA Karriere zu machen?

Dobra: Das ist nicht realistisch. Aber ich hatte dieses Jahr einen Film, der in die erste Runde der neun besten ausländischen Filme gekommen ist. Es ist ein serbischer Film, er heißt "Klopka - Die Falle". Der lief auch hier in Deutschland, letztes Jahr auch auf der Berlinale. So etwas ist für jemanden der aus Europa kommt ein besserer Weg nach Hollywood. Man hat ein Projekt oder wird geholt. Das ist immer die beste Variante. Es gibt tonnenweise Schauspieler die es jeden Tag in Hollywood versuchen. Es ist dort auch immer eine Frage des Glücks. Für mich wäre das nie ein Thema. Außerdem muss ich realistisch bleiben. Mein englisch ist nicht gut genug. Die Amerikaner wollen keinen Akzent hören. Es wäre eine Illusion zu denken, dass ich eine Chance hätte.
Ricore: Aber an einem Akzent kann man ja arbeiten. Sie sprechen ja auch perfekt deutsch.

Dobra: Da haben sie recht. Aber jetzt ist es auch einfach zu spät. Meine Heimat ist Europa.

Ricore: Würden sie sich über eine solche Chance freuen oder wären sie eher skeptisch?

Dobra: Es kommt darauf an was es ist. Als einmaliges Abenteuer wäre das absolut genial. Aber es werden ja auch viele amerikanische Produktionen in Europa gemacht. Im Zentrum ist die Frage, worum es geht. Sehr oft werden dann tolle Schauspieler als Statisten verwendet, die haben dann einen Satz. Man kann das machen, weil man zum Beispiel einmal Nicole Kidman sehen will. Diese Motivation ist auch legitim. Aber die Chancen danach sind wirklich gering.

Ricore: Wer wäre in diesem Fall ihr Vorbild, dem sie begegnen möchten?

Dobra: Marlon Brando, aber dafür ist es jetzt ein bisschen zu spät.

Ricore: Wollten sie schon als Kind Schauspielerin werden?

Dobra: Nein. Ich wollte schon etwas tun, bei dem man sich mit sich selber befassen kann. Deshalb wollte ich unbedingt auf die Schauspielschule, weil ich dachte, da kann man für sich selber und das Leben so viel lernen. Dass ich irgendwann davon leben kann konnte ich damals noch nicht wissen. Auch der Gedanke, dass man keine festen Arbeitszeiten hat, hat mir gefallen.

Ricore: Wie alt waren sie, als sie das für sich beschlossen haben?

Dobra: Das war spät. 18 Jahre war ich. Erst da habe ich mir darüber Gedanken gemacht.

Ricore: Was haben ihre Eltern dazu gesagt?

Dobra: Die haben sich nie eingemischt. Die haben mich die Aufnahmeprüfung machen lassen und mir gratuliert. Es war alles ganz normal.
erschienen am 11. April 2008
Zum Thema
Dr. Daniel Guth (Erol Sander) und Miriam Berghoff (Anica Dobra) haben endlich beschlossen zu heiraten. In der Klinik kümmert sich Daniel um den verletzten Bauern Kogler, der beim Brand seines Stalls verwundet wurde. Zudem verliert Miriam ohne ersichtlichen Grund das Bewusstsein. Hier ist guter Rat teuer. Sorgen bereitet auch Ärztin Linda Singer (Beate Maes). Sie hat ein dunkles Geheimnis. Vor der Kulisse der schönen österreichischen Berglandschaft drehte Regisseur Karl Kases den dritten Teil..
2024