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Monica Bleibtreu in "Die zweite Frau"
Monica Bleibtreu zu "Die zweite Frau"
Interview: "Mit Moritz zu drehen war schön"
Monica Bleibtreu ist Theaterschauspielerin. Schon als Kind steht sie auf der Bühne, nach der Ausbildung am Wiener Max-Reinhardt-Seminar hat sie jahrzehntelang feste Engagements an angesehenen Theaterhäusern. Erst mit Mitte 50 verlegt sie den Schwerpunkt auf Fernseh-und Kinofilmproduktion. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Heinrich Breloers Familiensaga "Die Manns - Ein Jahrhundertroman" erfährt breite Anerkennung, die Dramen "Vier Minuten" und "Marias letzte Reise" werden mehrfach ausgezeichnet. Auf dem Filmfest München 2008 feiert Hans Steinbichlers "Die zweite Frau" Premiere, in dem Monica Bleibtreu ihren 40-jährigen Sohn (Matthias Brandt) unterdrückt. Mit uns sprach die 62-Jährige über ihre Nervosität vor Premieren und die Beziehung zu ihrem Sohn.
erschienen am 16. 07. 2008
Eugen Haller/Filmfest München
Regisseur Hans Steinbichler (Filmfest München 2006)
Ricore: Haben Sie "Die zweite Frau" schon gesehen?

Monica Bleibtreu: Ja.

Ricore: Wie hat er Ihnen gefallen?

Bleibtreu: Ich finde ihn sehr schön, ich mag ihn gerne. Aber ich mochte auch das Buch. Es ist eine schräge Geschichte voller Überraschungen. Man weiß nie genau, wie es weiter geht. Das mag ich an Geschichten sehr. Wie Hans Steinbichler und der Kameramann Christian Rein die Handlung aufgelöst haben, finde ich grandios.

Ricore: Hans Steinbichler hat ja einen ganz eigenen Stil. Muss man sich daran erst gewöhnen?

Bleibtreu: Ja, den hat er wirklich, aber gewöhnen musste ich mich nicht daran. Denn mit der Schauspielerei hat sein Stil gar nichts zu tun. Ich weiß ja nicht, wie er die Geschichte und die Bilder auflöst. Ich spiele wie ich spiele. Ich komme ja vom Theater und drehe für Film und Fernsehen erst seit acht Jahren. Vorher habe ich es ab und zu mal gemacht, aber so richtig erst seit dem Jahr 2000. Die Technik hat mich nie wirklich interessiert. Ich muss immer fragen, ob meine Hände im Bild sind und so weiter. Ich bin neugierig auf das Ergebnis und manchmal begeistert, was die Kamera daraus gemacht hat.
Andreas Eckenfels/Ricore Text
Monica Bleibtreu
Ricore: Wie kam es, dass Sie erst seit 2000 vermehrt in Filmen zu sehen sind?

Bleibtreu: Ich war vorher fest am Theater engagiert. Natürlich gab es auch früher Anfragen, aber ich musste halt oft wegen meiner Vorstellungen absagen. Von mir kam immer die Antwort: "Kann ich nicht, tut mir leid, kann ich nicht...". Irgendwann hören die Leute dann auf zu fragen, weil sie sagen, die Bleibtreu kann eh nie. Wenn man fest am Theater und im Spielplan eingebunden ist, hat man viele Vorstellungen und deswegen kann man dann nicht drehen.

Ricore: Aber in den letzten Jahren wurden Sie ja mit interessanten Rollen geradezu überschüttet!

Bleibtreu: Ja, weil ich fest am Theater war.

Ricore: Sind die Rollen interessanter geworden?

Bleibtreu: Ich kann nicht sagen, ob die Angebote interessanter geworden sind. Aber ich glaube nicht. Auch als ich jung war, gab es interessante Rollen. Zum Beispiel in "Fluchtwege", einem meiner ersten Fernsehfilme. Die Rolle im "Kommissar" mit Eric Rode 1972 (Goldene Kamera) war auch sehr interessant. Aber ich habe es nie in Frage gestellt, fest engagiert zu sein.
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Regisseur Hans Steinbichler ("Die zweite Frau")
Ricore: Wie kam es zu Ihrem Engagement bei "Die zweite Frau"?

Bleibtreu: Der Hans hat mich angerufen und gefragt, ob ich das machen will. Ich kannte ihn damals schon. Wir haben vorher eine "Bella Block"-Geschichte gemacht. Dabei haben wir uns kennen gelernt. Ich mag seine Filme gerne. Auch "Hierankl" hat mir sehr gut gefallen.

Ricore: Konnten Sie sich in Ihre Figur hinein fühlen?

Bleibtreu: Sie ist ja nicht so schwer zu verstehen. Eine Frau, die schwer krank ist und weiß, dass sie sterben wird. Sie will ihren Sohn nicht sich selbst überlassen, weil sie denkt, dass er das Leben nicht alleine bewältigen kann. Er ist ja mit über 40 noch Jungfrau, oder wie sagt man da bei Männern? Das ist schon ungewöhnlich. Aber ich glaube, dass solche Menschen nicht wirklich darüber nachdenken ob sie glücklich sind. Was das Leben ist, was es sein könnte. Sie haben ihre Tankstelle, ihr Leben, und kommen gar nicht auf die Idee, dass da mehr sein könnte. Das kommt erst durch die junge Frau aus Rumänien.

Ricore: Ihre erste Szene endet in schallendem Gelächter. Stand das im Drehbuch oder ist es spontan entstanden?

Bleibtreu: Das kam tatsächlich spontan. Erst habe ich nur ein bisschen gelacht. Aber da die Situation so absurd ist, haben wir dieses hilflose hysterische Lachen ausgebaut. Man weiß am Anfang gar nicht, was eigentlich gespielt wird. Der Mann steht im Dunkeln, er hat den Koffer in der Hand, seine Mutter sagt "Komm her!". Und dann fängt sie an zu lachen und keiner weiß wieso. Im Fernsehen sind ja viele Drehbücher so geschrieben, dass sie Überraschungen gar nicht zulassen. Als ich angefangen habe, mehr Drehbücher als Theaterstücke zu lesen, habe ich mich immer gefragt: "Warum sind die so fad?" Ich glaube, es liegt daran, dass Fernsehbücher bis zu einem gewissen Grad keine Überraschungen beinhalten dürfen. Am Abend wird der Fernseher angemacht, dann bringe ich die Kinder ins Bett, telefoniere mit Tante Erna, koche vielleicht noch etwas. Zwischendurch werfe ich einen Blick auf den Fernseher, aber versäumt habe ich nichts. Man geht raus, erledigt die abendlichen Pflichten, geht rein, und man weiß immer wieder um was es geht oder was geschehen ist. Ich glaube, dass eine Absicht dahinter steckt.
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Vier Minuten
Ricore: Gab es bei dieser Produktion Raum für Improvisationen?

Bleibtreu: Ja, den gab es. Aber wenn gedreht wird machen wir natürlich das, was abgemacht ist. Sonst würde uns die Kamera ja nicht mehr finden. Die Szenen werden vorher probiert und festgelegt und dann wird gedreht.

Ricore: Mit "Vier Minuten" waren Sie ja nicht auf dem Filmfest München eingeladen.

Bleibtreu: Nein. Da haben sie uns nicht genommen. Das muss man sich mal vorstellen. Den Film wollte niemand. Erst als wir das Festival in Shanghai gewonnen haben, als der große französische Filmguru Luc Besson gesagt hat, dass unser Film der beste ist, von da an ging es los. Der Film hat es wirklich sehr, sehr schwer gehabt. Ungerecht war das.

Ricore: Dann kamen die Preise, speziell auch für Sie. Was bedeuten die für Sie persönlich?

Bleibtreu: Es ist eine Anerkennung, über die man sich freut.
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Szene aus "Die zweite Frau"
Ricore: Sie erleben die Deutschlandpremiere von "Die zweite Frau" auf dem Filmfest München. Sind Sie nach so vielen Jahren Theatererfahrung immer noch nervös vor einer Premiere?

Bleibtreu: Ja. Eine Theaterpremiere ist etwas anderes. Da ist man ja noch selbst beteiligt. Ich musste mich an diese Art von Premiere schon gewöhnen. Ich sitze da unten und kann nichts mehr ändern. Im Theater könnte man im Endeffekt noch was anders machen. Obwohl man das nicht wirklich tut, sonst würde man ja seine Kollegen irritieren. Man spielt ja die Premiere hier und jetzt. Beim Film denke ich schon noch oft: "Ach hätte ich doch was anders gemacht." Aber das geht nicht mehr.

Ricore: Sie sind in der Stadt aufgewachsen. Fühlen Sie sich auf dem Land auch wohl?

Bleibtreu: Ich bin in einer Kleinstadt geboren und dort groß geworden. In Mödling, einem Vorort von Wien, aber ich bin schon ein Stadtmensch. Seitdem ich erwachsen bin, habe ich nur in Städten gewohnt.

Ricore: Sind Sie noch oft in Wien?

Bleibtreu: Seit ein paar Jahren habe ich dort eine Wohnung. Ich denke, es ist eine Alterserscheinung, "back to the roots". Eine Zeitlang wollte ich gar nicht, dass man mich als Wienerin erkennt. Ich bin auch eine der wenigen, die sich den Dialekt total abgewöhnt haben, man hört es heute ja nicht mehr bei mir. Aber wenn ich in Wien bin, falle ich schon wieder hinein, obwohl das kein wirkliches Wienerisch ist.
X Verleih
Monica Bleibtreu in "Max Minsky und ich"


Ricore: Das ist gar nicht so leicht, sich einen Dialekt abzugewöhnen.

Bleibtreu: Nein, aber ich war schon einmal als Kind in Deutschland und dadurch ging es.

Ricore: Aber dialektale Färbungen sind an und für sich doch sehr schön…

Bleibtreu: Eben, Dialekte sind wunderbar. Das meine ich mit "back to the roots". Es ist nicht gut, wenn man seine Sprache verliert.

Ricore: Identifizieren Sie Sprache auch mit Heimat?

Bleibtreu: Ja, vielleicht. Dadurch dass ich jetzt in zwei Städten lebe - ich nenne es den Nord-Süd-Spagat, zwischen Hamburg und Wien - lebe ich zwei verschiedene Leben. Das ist schön. Ich spreche in Wien anders, habe dort auch noch Verwandtschaft. Im Hamburg sind es halt der Moritz und meine Schwester mit ihren Kindern und Enkeln.
Heike Maleschka/Ricore Text
Moritz Bleibtreu auf der Berlinale
Ricore: Sie waren mit ihrem Sohn Moritz in "Lola rennt" zu sehen. Wie war es, gemeinsam mit ihm zu drehen?

Bleibtreu: Schön.

Ricore: Tauschen Sie manchmal Tipps untereinander aus?

Bleibtreu: Nein, komischerweise reden wir über den Beruf gar nicht sehr viel. Wir schätzen uns und sind stolz aufeinander.

Ricore: Können Sie sich noch an Ihre Gefühle erinnern, als sich Ihr Sohn langsam abgespalten hat?

Bleibtreu: Der Moritz ist sehr früh weggegangen, mit 17 Jahren nach Paris. Das fand ich schon sehr irritierend. Ich musste mich zurückhalten, um nicht zu klammern. Aber ich wusste, dass es so kommen wird und dass es richtig ist. Man muss die Kinder loslassen. Das weiß die Figur im Film nicht, ihr ist nicht bewusst ist, dass sie so dermaßen klammert. Sie ist ja keine ekelhafte Autorität, die ihren Sohn bedrängt. Sie kocht und wäscht und macht alles für ihn. Es ist eine ganz ruhige, funktionierende Beziehung. Sie kommen halt nicht auf die Idee, es anders zu machen. Das finde ich auch schön an diesem Film und an der Rolle, dass es nicht eine klischeehafte Klammermutter ist, die ihren Sohn ständig bedrängt, sondern die Atmosphäre wird mit kleinen, ruhigen Bildern gezeigt. Beispielsweise die Szene im Bad, wo die Mutter den Rücken des Sohnes schrubbt. Die Beziehung und die Mutter sind nicht vordergründig ekelhaft. Trotzdem lässt sie ihm keinen Raum, aber das wissen beide nicht. Es ist fast unschuldig. Und das ist das Schöne und Ungewöhnliche an der Geschichte.

Ricore: "Werden Sie auch weiterhin in Filmen zu sehen sein?

Bleibtreu: Ja. Am 30. Juni habe ich meinen ersten Drehtag beim Hildegard-Knef-Projekt mit dem Titel "Hilde". Ich spiele die Schauspiellehrerin von Hildegard Knef, Else Bongers.

Ricore: Frau Bleibtreu, vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 16. Juli 2008
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Die zweite Frau (Kinofilm)
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2024