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Barbara Sukowa in "Die Entdeckung der Currywurst"
Nackte Seele peinlicher als nackter Hintern
Interview: Barbara Sukowas erfolgreichstes Jahr
In Ulla Wagners "Die Entdeckung der Currywurst" übernimmt Musikerin und Schauspielerin Barbara Sukowa eine ganz besondere Rolle: Sie verliebt sich in einen jungen Soldaten (Alexander Khuon) und nimmt ihn gegen Ende des Zweiten Weltkriegs bei sich auf. Das Ende des Krieges verschweigt sie ihm jedoch wissentlich, aus Angst ihn zu verlieren. Die in Amerika lebende Theaterdarstellerin blickt bei unserem Treffen glücklich und gelöst über das vergangene Jahr zurück. In ihren Augen, das erfolgreichste Jahr ihrer gesamten bisherigen Karriere.
erschienen am 7. 09. 2008
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Barbara Sukowa erfindet die Currywurst
Filrmeporter.de: Herr Khuon, war voller Lobeshymnen für Sie als Schauspielkollegin…

Barbara Sukowa: Das ist sehr nett. Ich bin auch voller Lobeshymnen.

Filrmeporter.de: Für Alexander Khuon war es der erste Kinofilm? Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?

Sukowa: Ich muss sagen, dass ich überhaupt keinen Unterschied zu mir gemerkt habe. Wir sind beide Theaterschauspieler. Er ist unheimlich begabt, auch technisch kennt er sich gut aus. Im Film geht es meist ja auch um technische Kleinigkeiten. Wenn man ein begabter Schauspieler ist, merkt man keinen Unterschied. Ich fühlte mich in unserer Arbeit filmtechnisch nicht versierter.

Filrmeporter.de: Die Meinungen von Theaterdarstellern und Filmschauspielern über die Unterschiede in der jeweiligen Arbeit gehen immens auseinander. Wie sehen Sie das?

Sukowa: Ja, es gibt sehr viele unterschiedliche Meinungen. Ich glaube, das Grundelement ist bei beiden Formen der Schauspielerei das gleiche: Ob auf der Bühne oder vor der Kamera, jeder muss die Begabung mitbringen, sich zu öffnen und Emotionen zu übertragen. Aber man macht dies im Film natürlich anders als im Theater. Im Theater muss man einen Raum halten können. Wenn man 1.000 Leute dazu bringen will, einem zuzuhören, braucht man ein anderes Kraftfeld, als wenn man die Kamera 50 Zentimeter vor dem Gesicht hat. Im Theater hat man meist auch eine Anlauf- und Entwicklungszeit. Im Film hat man oft nur kurze Proben. Im Theater ist dies anders. Man kann beispielsweise eine Figur anfangen zu proben und man hat Zeit, sie zu entwickeln. Nach acht Wochen ist man dann an einem anderen Punkt. Im Gegensatz zum Film. Dort muss man meist die Figur gleich am Anfang treffen. Natürlich sind im Film mehr Störfaktoren um einen herum. Manchmal muss man ohne Anlauf eine Szene treffen. Das erfordert hohe Konzentration.
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Die Entdeckung der Currywurst
Filrmeporter.de: In "Die Entdeckung der Currywurst" gibt es einige Nacktszenen mit Ihnen. Wie haben Sie die Hemmungen überwunden?

Sukowa: Ja, es ist natürlich schon immer etwas anderes, als wenn man im Kleid da sitzt. Aber das hat sehr mit der Crew zu tun. Und wir hatten sehr viel Glück. Der Kameramann Theo Bierkens war wunderbar. Alexander und ich haben beide - so glaube ich jedenfalls - sehr viel Humor. Dadurch haben wir das dann überbrückt. Das Set wird natürlich auch geschützt. Wenn es zu solchen Szenen kommt, sind nicht mehr viele Menschen da. Ich finde, seine Seele zu entblößen finde ich oft viel peinlicher als seinen Hintern zu zeigen. Weil den hat mir die Natur so gegeben wie er ist.

Filrmeporter.de: Können Sie Ihre Filmfigur verstehen, in Ihren Handlungen und Ihrem Denken?

Sukowa: Ich kann die Figur schon verstehen, dass sie das macht. Obwohl es natürlich ein Vorgang ist, der nicht in Ordnung geht. Denn das ist ein sehr starker Übergriff auf einen anderen Menschen, sie verletzt auch sein Vertrauen. Aber dass sie das tut, ist verständlich. So muss man als Schauspieler oft Verständnis haben für menschliche Schwächen.

Filrmeporter.de: Ihre Figur erfindet laut Film ja die Currywurst. Haben Sie die während der Dreharbeiten mal probiert?

Sukowa: Klar, ich habe die schon selbst gegessen, die ich da fabriziert habe.

Filrmeporter.de: Und stimmt die Geschichte denn so, wurde die Currywurst tatsächlich auf diese oder ähnliche Art und Weise erfunden?

Sukowa: Darüber wird gestritten, soviel ich weiß. Es gibt verschiedene Städte, die die Currywurst für sich beanspruchen. Hamburg und Berlin beanspruchen die Erfindung jeweils für sich. Die Meinungen darüber gehen auseinander.

Filrmeporter.de: Ihr Film wurde auf dem diesjährigen Filmfest München gezeigt. Gehen Sie gerne auf Festivals?

Sukowa: Das schöne daran ist ja, dass München und auch andere Festivals dass tatsächlich reguläres Publikum hingeht. Und das finde ich einen guten Test für einen Film, wo nicht nur elitäres Publikum aus Filmemachern das Werk begutachtet. Das finde ich ganz schön.
Andrea Niederfriniger/Ricore Text
Alexander Khuon und Barbara Sukowa
Filrmeporter.de: Sind Sie vor einer Filmpremiere immer noch nervös?

Sukowa: Nein, eigentlich nicht so. Denn der Film, das Endprodukt, liegt ja nicht mehr in meiner Hand. Film ist ja auch was anderes als Theater oder Konzerte. Ich mache ja auch viele Live-Sachen und da ist es schon anders. Da bin ich schon aufgeregt, weil alles auf mir lastet. Beim Film kommt ja sehr viel dazu, wie Schnitt und Musik. Ein Film ist ja mehr durch den Regisseur als durch den Schauspieler bestimmt.

Filrmeporter.de: Sie leben in Amerika. Wie oft kommen Sie nach Hause, nach Deutschland?

Sukowa: In letzter Zeit öfter, weil mein14-jähriger Sohn jetzt doch recht selbstständig ist und mein Mann kann auch viel bei ihm sein. Er braucht mich nicht mehr ständig an seiner Seite. Daher kann ich jetzt öfter kommen.

Filrmeporter.de: Sie haben vorhin schon angedeutet, sie geben nach wie vor Live-Konzerte, stehen auf der Theaterbühne und spielen Filme. Wie finden Sie die Zeit dazu?

Sukowa: Eigentlich kam das alles erst im letzten Jahr. Davor habe ich ganz wenig gemacht. Ich bin ja nun schon 40 Jahre in diesem Beruf, und wenn Sie nachsehen, wie viele Filme ich in dieser Zeit gedreht habe, ist das wirklich nur sehr wenig. Als mein Sohn aber im letzten Jahr 13 wurde, habe ich gesagt, jetzt würde gerne ein bisschen mehr arbeiten. Es kam dann auch wirklich viel rein, sowohl was Konzerte, als auch Theater und Film betrifft. Ich glaube, soviel wie in diesem Jahr habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gearbeitet. Auch so viele verschiedene Sachen. Das hat mir gut gefallen, denn alles fügte sich wunderbar zusammen. Während ich auf dem Filmfest München mit "Die Entdeckung der Currywurst" war, habe ich auch den Klassik-Echo bekommen. Das war sehr schön.
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Barbara Sukowa erschöpft vom Krieg
Filrmeporter.de: Sie haben zusätzlich noch eine Rockband gegründet?

Sukowa: Ja, und ein Konzert haben wir auch schon gegeben. Es ist schon fantastisch, dass in einem Jahr so viele Dinge zusammenkommen. Es war glaube ich mein schönstes professionelles Jahr.

Filrmeporter.de: Eigentlich ist Klassik und Rock ja ein Wiederspruch…

Sukowa: Nein, so sehe ich das nicht. Ich vermische das ja auch. Ich mische bei den Rockabenden, die ich organisiere, auch mal ein Stück von Shakespeare oder von Schubert mit ein.

Filrmeporter.de: Werden Sie dem deutschen Publikum als Schauspielerin denn treu bleiben?

Sukowa: Ich arbeite sehr wenig in Amerika, weil mir die Arbeit dort gar nicht so viel Spaß macht. Ich liebe die deutschen Filmproduktionen, wo man wie eine Familie zusammenarbeitet. Wenn man die Leute aus der Crew kennenlernt, wo man zusammen Mittag isst, das alles finde ich hier super. Man lernt sich kennen und ist ein Team. Das alles gibt es in Amerika so nicht. Dort ist es eine sehr hierarchische Veranstaltung, die Schauspieler kommunizieren auch wenig miteinander. Sie kommen und machen ihren Job, ihre Agenten stehen daneben, die Publizisten sind auch noch da. Dort ist es vielmehr ein Business. Hier in Deutschland hat man das Gefühl, man macht zusammen eine Geschichte. Insofern macht mir das mehr Spaß.
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Barbara Sukowa
Filrmeporter.de: Sehen Sie denn das deutsche Kino im Aufschwung?

Sukowa: In Amerika sieht man natürlich nicht so viel deutsches Kino. Aber in letzter Zeit kommen vermehrt Produktionen nach New York, so kriege ich da schon etwas mit. Ich glaube, das Problem hier in Deutschland ist aber, dass viele kleine Produktionen so wenig Geld haben. Ich finde es auch idiotisch, dass so viele deutsche Produzenten in irgendwelchen US-B-Filmen investieren, statt in deutsche Filme. Denn ich denke, wir haben hier viele Talente und viele Geschichten, die erzählt werden müssen. Nehmen Sie doch "Die Entdeckung der Currywurst". Würde der Film in Amerika spielen, würde meine Figur den Alexander Khuon wahrscheinlich zwei Jahre einsperren. Dort ist alles viel extremer und reißerischer. Es wäre nicht so subtil.

Filrmeporter.de: Und wahrscheinlich würde es ein anderes Ende geben…

Sukowa: Ja genau.

Filrmeporter.de: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Sukowa.

Sukowa: Ich danke Ihnen.
erschienen am 7. September 2008
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2024