Pietro Pesce/Ricore Text
Woody Allen
Ich kann nichts anderes als Filme machen
Interview: Barcelona liebt Woody Allen
Woody Allen gilt nicht umsonst als einer der herausragenden Regisseure unserer Zeit. All seine Filme tragen eine unverkennbare Handschrift. Man muss sie nicht mögen, aber etwas Besonderes ist ihnen allen gemein. In "Vicky Cristina Barcelona" geht es um eine Dreiecksgeschichte. Penélope Cruz, Scarlett Johansson und Javier Bardem spielen dabei die Eckpunkte. Auf dem Filmfest in San Sebastián stellte sich der Regisseur unseren Fragen.
erschienen am 30. 11. 2008
Jean-François Martin/Ricore Text
Woody Allen in Cannes
Ricore: Ist Ihr Bild des spanischen Machos, eines Frauenhelden, wie Sie Ihn in "Vicky Cristina Barcelona" zeigen, nicht ein wenig utopisch?

Woody Allen: Mein Eindruck ist, dass alle spanischen Männer soviel Sex bekommen, wie sie wollen. Und das ist ja auch das Thema des Films. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Ricore: War es etwas Besonderes für Sie, in Spanien zu arbeiten?

Allen: Ich habe mich natürlich sehr gefreut, als ich gefragt wurde, ob ich einen Film in Barcelona drehen will. Ich wollte das tatsächlich, denn es gibt hier wunderschöne Plätze. Meine Familie und ich verbrachten hier wunderbare drei Monate. Es gibt natürlich viele tolle Städte auf der Welt, aber Barcelona hat etwas Besonderes. Wir hatten aber auch eine einzigartige Crew, einen tollen Kameramann und tolle Kostümbilder. So war es alles in allem eine sehr schöne Erfahrung. Wenn ich die geeignete Idee hätte, würde ich es noch mal so machen. Ich verbinde schöne Erfahrungen mit meiner Arbeit in Barcelona.
Concorde Filmverleih
Vicky Cristina Barcelona
Ricore: Glauben Sie, dass der sexuelle Bezug des Films größeres Interesse in den USA weckt?

Allen: Ich habe keine Ahnung, wie der Geschmack der US-Zuschauer ist. Als ich den Film fertig gestellt habe, habe ich dasselbe gefühlt, wie bei allen Filmen, die ich mit großer Freude gemacht habe. Ich erkenne Fehler und denke mir, das und das hätte ich besser machen können. Aber genauso gefallen mir auch manche Szenen sehr gut. Einige dieser Filme sind erfolgreich, andere finden gar kein Publikum. Und dann, aufgrund einiger unerwarteter Ereignisse, die man nie herausfinden wird, kam der Film bei allen gut an, die ihn gesehen haben. Ich kann mir das nicht erklären und es bleibt mir nichts anderes übrig als Dankeschön zu sagen. Aber ich habe nichts anders gemacht, als bei einem Film, der nicht ankommt. Ich versuche, die bestmöglichen Schauspieler zu finden, ich ermutige sie, sich zu engagieren und hart am Film zu arbeiten. Aber es gibt wohl einige undefinierbare Gründe, die wonach einige meiner Werke unsichtbare Fäden zum Publikum spannen. Und man wird wohl nie herausfinden, woran das liegt.

Ricore: Warum gerade Barcelona?

Allen: Es ist eine romantische Liebesgeschichte, die halt zufällig in Barcelona spielt. Der Film könnte auch "Vicky Cristina Paris" oder "Vicky Cristina Venice" heißen. Aber wir brauchten eine romantische Stadt. Und Barcelona hat diese romantische Sensibilität. Andere Städte hätten nicht dieses besondere Feeling rübergebracht. Der Film hätte beispielsweise nie in London, Berlin oder New York City entstehen können. Barcelona bildet hier den Hintergrund der Liebesgeschichte.
Concorde Filmverleih
Rebecca Hall in einer Szene aus "Vicky Cristina Barcelona"
Ricore: Herr Allen, fühlen Sie sich verjüngt durch diesen Film?

Allen: Nein, ich fühle mich nach dem Film genauso alt wie vorher. Ich habe mich ja auch nicht groß verändert, physisch jedenfalls nicht. Ich fühle keine Veränderung. Ich fühle mich gleich alt und kränklich wie vorher. Aber ich bin natürlich froh, dass sich der Film mit dem wunderbaren Team so entwickelt hat.

Ricore: Abgesehen vom Geld, was ist schöner: Liebe oder Sex?

Allen: Ich glaube, diese Frage sollten besser meine Hauptdarsteller Rebecca, Javier, Scarlett oder Penélope beantworten. Ich finde, beides ist sehr gut. Ich will mir ein Leben ohne das eine oder das andere nicht vorstellen.

Ricore: Sie werden gemeinsam mit dem spanischen Produzenten Jaume Roures, der auch "Vicky Cristina Barcelona" produzierte, noch drei weitere Projekte verwirklichen, ist das wahr?

Allen: Es stimmt, ich werde weitere Filme mit den Leuten machen, die auch diesen Film finanziert haben. Aber mehr kann ich dazu nicht sagen. Vor allem, weil ich noch keine einzige Zeile dazu geschrieben habe. Ich schätze es wird Sommer oder Herbst 2009 werden, bis wir mit den Dreharbeiten beginnen können. Ich weiß aber, dass die Zeit drängt. Bis Dezember dieses Jahres wird eich mir wohl intensiv Gedanken machen müssen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 30. November 2008
Zum Thema
Woody Allen widmet fast alle seine Werke menschlichen Beziehungen in jeder Form. In "Vicky Cristina Barcelona" geht es um zwei Amerikanerinnen, die sich im Spanien-Urlaub auf eine Dreiecksbeziehung einlassen. Vicky (Rebecca Hall) ist sensibel und steht kurz vor der Hochzeit, während Cristina (Scarlett Johansson) das sexuelle und emotionale Abenteuer sucht. In Barcelona verfallen beide der Anziehungskraft des charismatischen Malers Juan Antonio (Javier Bardem).
Woody Allen zählt zu den bekanntesten und anerkanntesten Filmemachern des amerikanischen Independentkinos. Der am ersten Dezember 1935 in Brooklyn geborene Allan Steward Königsberg realisiert seine Filme als Drehbuchautor, Regisseur, Schauspieler und Produzent. Durch seine eigenwilligen, skurrilen und bittersüßen Werke schuf sich Allen weltweite eine große Fangemeinde. Viele seiner frühen Filme haben bis heute an Frische, Spritzigkeit und intellektuelle Schärfe nichts eingebüßt. Allen wurde in..
2024