Cate Blanchett: elegant
Die angstlose Cate
Interview: Frau mit gewissem Etwas
Cate Blanchett hat es. Das gewisse Etwas, das eine Schauspielerin von der Masse unterscheidet. Oder die Jennifer Lopezs von den Meryl Streeps. Dass sie geborene Australierin ist, hat man ohnehin schon längst vergessen. Ihren Durchbruch schaffte sie als quintessenzielle britische Monarchin in der Titelrolle "Elizabeth" . Danach spielte sie Amerikanerinnen aus allen Ecken des Kontinents, und in ihrem nächsten Film "Die Journalistin" gar eine irische Journalistin.
erschienen am 12. 02. 2004
Cate Blanchett: hat alles im Griff
Zum Riesentalent kommt auch noch eine ätherische Schönheit, die ihr die Rolle der Elfenkönigin in der "Der Herr der Ringe"-Trilogie einbrachte. Bei den Golden Globes sah sie hochschwanger in purpurrotem Dior besser aus, als die Waschbrett-Bäuche von Uma Thurman, Nicole Kidman, Charlize Theron und Co. Jetzt ist sie als toughe Westernbraut in Ron Howards "The Missing" zu sehen, die dem härtesten Mann seit John Wayne, dem Texaner Tommy Lee Jones, zeigt, wo's lang geht. Und dabei fantastische Hüte trägt!

Ricore Medien: Woher nimmt eine geborene Australierin das Verständnis, eine Kolonial-Amerikanerin im Wilden Westen zu spielen?

Cate Blanchett: Ich dachte eine Menge über die weiße Kolonialisierung von Australien nach, als ich den Film machte. Im Grunde hatten wir dasselbe Problem: eine weiße Einwanderergruppe wird mit den verschiedenen Traditionen von eingeborenen Stämmen konfrontiert. Der große Unterschied zwischen Australien und Amerika ist, dass die Einwanderer hier fruchtbares Land vorfanden, während in Australien das Herz des Landes toter Boden ist, und so hatten die Einwanderer immer das Gefühl als hätten sie versagt, was die Eroberung des neuen Landes betrifft.
Cate Blanchett: auch zu Pferd eine gute Figur


Ricore: Was half Ihnen, die Frauen zu verstehen, die ungeheures leisten mussten, um sich zu behaupten?

Blanchett: Ich las jede Menge Tagebücher aus dieser Zeit und die Briefe, die Calamity Jane ihrer Tochter schrieb. Ich war sehr gerührt, denn ich erkannte, dass diese Frauen, obwohl sie unglaubliche Schwierigkeiten überwinden mussten, völlig stoisch blieben. Das wollte ich auch im Film vermitteln. "The Missing" ist kein sentimentaler Westernschinken. Wir schnitten mehr und mehr Dialoge raus, denn die Epoche ist ja Prä-Freud, und vor der Erfindung der Psychoanalyse wurde noch nicht soviel gequatscht. Diese Männer und Frauen hatten keinen Zugang zu den analytischen Modellen der Neuzeit, die es uns erlauben, unseren Gefühlen verbal Ausdruck zu verleihen. Maggie, die ich spiele, ist jemand, der große Schwierigkeiten überwinden muss, und ein Produkt dieser Gesellschaft ist. Sie musste ihr Leben entweder meistern, oder sie wäre untergegangen. Einen Mittelweg gab es nicht.

Ricore: Tommy Lee Jones beschreibt Sie als angstlose Schauspielerin - stimmen Sie zu?

Blanchett: Das weiß man ja nie bevor man nicht mit den Umständen konfrontiert wird. Wie reagiert man auf Herausforderungen, das ist die Frage. Und bei diesem Fall war es das Reiten. Ich konnte nicht reiten, und es war ungeheuer wichtig, dass ich sechs Wochen vor Beginn der Dreharbeiten zu trainieren anfing. Und die Stunts lernte. Ich wusste, dass nicht reiten können gleichbedeutend war mit diesen Film nicht machen können. Das war wie Autofahren. Es musste eine 2. Natur werden, genau wie das Schiessen, was ich ganz unangenehm fand. Ich hasse Waffen, aber für Maggie waren die nur ein Werkzeug, ohne das sie nicht überlebt hätte. Für Tommy Lee ist das Schiessen so natürlich wie schlafen, für mich nicht. Normalerweise lerne ich die physischen Eigenschaften einer Rolle durch ihre Psychologie kennen. In diesem Fall war es umgekehrt: ich musste erst die körperlichen Dinge intus haben, um die Psychologie dieser Frau zu verstehen.
Cate Blanchett muss sich beeilen


Ricore: War es für Sie als Mutter leichter, eine Mutter zu spielen?

Blanchett: Ja, und nein. Ich spielte schon Mütter bevor ich selbst ein Kind hatte, und manche dieser Rollen waren viel einfacher als Maggie. Denn Maggie und ich sind sehr verschieden. Sie ist eine geschädigte Frauen. Eine ihrer Töchter, Lilly, ist das Produkt einer Vergewaltigung, beide Kinder haben verschiedene Väter. Sie versucht, ihre Töchter vor einem ähnlichen Schicksal zu beschützen. Sie ist fast wie eine Glucke, und sollte mein neues Baby ein Mädchen werden, kann ich das sicher verstehen, wenn sie eines Tages 15 ist! (lacht)

Ricore: Was half Ihnen, die Frauen zu verstehen, die ungeheures leisten mussten, um sich zu behaupten?

Blanchett: Ich las jede Menge Tagebücher aus dieser Zeit und die Briefe, die Calamity Jane ihrer Tochter schrieb. Ich war sehr gerührt, denn ich erkannte, dass diese Frauen, obwohl sie unglaubliche Schwierigkeiten überwinden mussten, völlig stoisch blieben. Das wollte ich auch im Film vermitteln. "The Missing" ist kein sentimentaler Westernschinken. Wir schnitten mehr und mehr Dialoge raus, denn die Epoche ist ja Prä-Freud, und vor der Erfindung der Psychoanalyse wurde noch nicht soviel gequatscht. Diese Männer und Frauen hatten keinen Zugang zu den analytischen Modellen der Neuzeit, die es uns erlauben, unseren Gefühlen verbal Ausdruck zu verleihen. Maggie, die ich spiele, ist jemand, der große Schwierigkeiten überwinden muss, und ein Produkt dieser Gesellschaft ist. Sie musste ihr Leben entweder meistern, oder sie wäre untergegangen. Einen Mittelweg gab es nicht.
Cate Blanchett:besorgte Mama


Ricore: Werden Sie nach der Geburt Pause machen?

Blanchett: Ich hätte einen australischen Film machen sollen, und heulte eineinhalb Stunden, weil ich ihn ablehnen musste. Dann dachte ich, bist du völlig verrückt, du bist schwanger, das ist doch wunderbar. Was ist dagegen schon ein Film. Und außerdem habe ich ein großartiges Jahr hinter mir, zuerst mit "The Missing" mit Ron Howard, dann "The Aviator" mit Martin Scorsese und jetzt mache ich noch schnell einen Film mit Bill Murray fertig, wo ich den ganzen Tag lache.

Ricore: In "The Aviator" spielen Sie Katherine Hepburn, in "Die Journalistin" die irische Journalistin, die von der IRA ermordet wurde - wie schwierig ist es, Charakteren gerecht zu werden, die auf wirklichen Personen basieren?

Blanchett: Veronica Guerrin fiel mir leichter, denn sie war eine Person, die in der Medienwelt lebte, und der irischen Öffentlichkeit sehr bekannt ist. Katherine Hepburn ist eine Ikone, über die man nicht soviel weiß, wie man glaubt, denn im Grunde war sie eine sehr private Frau. Und ich musste diese Ikone in demselben Medium repräsentieren, für das sie berühmt war. Ich hatte Panik. Und ich wusste, dass ich so was nur für jemanden wie Martin Scorsese auf mich nehmen würde. Ich vertraute ihm total. Er spielte mir all ihre Filme auf seiner Kinoleinwand vor. Ich studierte ihre Eigenheiten, ihre Bewegungen, ihre Stimme, aber am Ende muss man auch dabei vorsichtig sein, sonst wird es zum Kabarett-Akt. Man will sie ja nicht imitieren, sondern in sie hineinschlüpfen. Sie von innen verstehen und das nach außen vermitteln. Ich habe noch keine Ausschnitte gesehen, bin also noch sehr unsicher, ob ich geschafft habe, was ich mir vorgenommen hatte.
erschienen am 12. Februar 2004
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The Missing (Kinofilm)
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2024