Warner Bros.
Udo Kier
"Ich muss nichts mehr beweisen"
Interview: Kunstliebhaber Udo Kier
Udo Kier ist seit über 40 Jahren im Filmgeschäft. Er spielte in zahlreichen deutschen und internationalen Produktionen mit. In Til Schweigers "1 1/2 Ritter - Auf der Suche nach der hinreißenden Herzelinde" mimt er nun den fiesen Graf Luitpold Trumpf, der eine schöne Prinzessin begehrt. Doch diese hat ihr Herz an einen anderen verloren. Im Interview zeigt sich der 65-Jährige, der seit 16 Jahren in Los Angeles lebt, offen. Neben der Schauspielerei gilt seine zweite Leidenschaft dem Sammeln von Kunst und Möbeln.
erschienen am 20. 12. 2008
Warner Bros. Pictures
Udo Kier
Ricore: Wie war die Atmosphäre am Set? Immerhin sind sich einige Stars des deutschen Kinos dort fast auf die Füße getreten.

Udo Kier: Für mich war es sehr einfach. Ich kannte Til Schweiger bereits von den Dreharbeiten zu "Far Cry" in Kanada. Auch Thomas Gottschalk kenne ich gut, wir wohnen beide in Amerika. Ich habe am Set viele Bekannte wiedergetroffen. Das war ein schönes Zusammenkommen. Til ist ein hervorragender Regisseur, er hat uns alle zusammengebracht. Sogar den 104-jährigen Johannes Heesters konnte er für die Dreharbeiten gewinnen.

Ricore: Was blieb Ihnen besonders im Gedächtnis?

Kier: Es waren insgesamt sehr unterhaltsame Dreharbeiten. Aber das Zusammentreffen mit Johannes Heesters ist mir natürlich besonders im Gedächtnis geblieben. Ich bin jetzt 64 Jahre alt und natürlich gibt einem das viel Mut und Aufwind, wenn man einen so vitalen 104-Jährigen sieht.

Ricore: Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Kier: Leider habe ich den Film bisher noch nicht ganz gesehen. Doch "1 1/2 Ritter" braucht den internationalen Vergleich mit anderen Filmen sicher nicht zu fürchten. Wir haben sehr konzentriert gearbeitet, doch natürlich hatten wir hinter der Kamera sehr viel Spaß. Herausgekommen ist ein wunderbarer Märchenfilm, nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene.

Ricore: Sie spielen Graf Luipold Trumpf…

Kier: Ja, Graf Luipold Trumpf hat sehr viel Geld und meint deshalb, er könnte damit das Herz der Prinzessin erobern. Aber natürlich entscheidet sich die junge Dame für einen anderen. Das ist die alte Geschichte, dass man für Geld eben nicht alles kaufen kann.
Timo Buschkämper/Ricore Text
Til Schweiger macht sich Gedanken über den Umgang mit Behinderten
Ricore: Sie haben bereits erwähnt, dass dies nicht Ihre erste Zusammenarbeit mit Til Schweiger war. Erinnern Sie sich noch, wie Sie sich kennen gelernt haben?

Kier: Wir waren in Los Angeles in der gleichen Schauspielagentur und natürlich läuft man sich auch mal so über den Weg. Man bekommt mit, wer mit wem welchen Film dreht. Deshalb freue mich heute sehr, mit einem so erfolgreichen Schauspieler und Regisseur zusammenzuarbeiten. Und das kann ich beurteilen, denn von den 180 Filmen, die ich gedreht habe, sind 100 schlecht, 50 ok, und 30 gut.

Ricore: Sie sind sehr selbstkritisch…

Kier: Ich würde sagen, ich bin realistisch. Manchmal macht man Filme mit großen Stars und trotzdem werden sie nichts. Das liegt aber nicht unbedingt an den Schauspielern, sondern eher am Gesamtkonzept. Auf "1 1/2 Ritter - Auf der Suche nach der hinreißenden Herzelinde" trifft das natürlich nicht zu.

Ricore: Womit hat Til Schweiger Sie für die Rolle?

Kier: Ich bin vor allem von den tollen Kostümen begeistert, ich trage im Film meistens einen weißen Fuchs über der Schulter, das ist mein liebster Kamerad geworden. Komödien werden häufig unterschätzt, dabei ist es viel schwieriger in Komödien zu spielen, als in Dramen. Aber mit so großartigen Darstellern wie Rick Kavanian ist es natürlich leicht. Die Chemie zwischen den Darstellern muss stimmen, denn es geht wie beim Ping Pong hin und her.

Ricore: Sie sind momentan sehr beschäftigt, sind in vielen Filmen zu sehen…

Kier: Ja. Ich bin mit meiner Arbeit sehr zufrieden. Zurzeit drehe ich mit Fatih Akin in Hamburg, zuvor habe ich die Dreharbeiten für den Kölner "Tatort" abgeschlossen. Im Januar kommt "Lulu und Jimi" von Oskar Roehler in die Kinos. Als nächstes werde ich in Luxemburg "House of Boys" drehen. Darin geht es um die Zeit, in der AIDS aufkam. Ich bin zurzeit sehr viel auf Reisen, durch die reale Welt und durch unterschiedliche Filmwelten.
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Udo Kier
Ricore: Sie haben im Verlauf Ihrer Karriere sehr vielfältige und oft auch exzentrische Figuren gespielt. In letzter Zeit haben sich jedoch Komödien spezialisiert. Wollten Sie etwas Neues ausprobieren oder haben Sie gemerkt, dass Ihnen Komödie mehr liegt?

Kier: Ich finde Gradlinigkeit sehr langweilig, zwischendurch einen Schlenker einstreuen, ist doch viel interessanter. Als Schauspieler braucht man Abwechslung. Mittlerweile bin ich seit über 40 Jahren im Geschäft. Ich bin auch Gott sei Dank nicht mehr am Anfang, wo man sich selbst und anderen etwas beweisen muss. Ich will Spaß haben. Wenn man Älter wird, ist die Zeit die Sünde und dann muss man sich beeilen. Ich bin ein realistischer Mensch und ich weiß, wie schnell die Zeit vergeht.

Ricore: Herr Heesters ist ein gutes Gegenbeispiel...

Kier: Natürlich. Dennoch gibt es immer nur einen Mensch, der auf den höchsten Baum geklettert ist. Ich bewundere das und ich werde sicher in zehn Jahren auch noch Filme machen, womöglich im Rollstuhl, aber ich werde auch leben und das ist mir wichtig. Ich will keine Rekorde brechen. Hauptsache ich habe Spaß.

Ricore: Spaß an der Arbeit ist wichtig…

Kier: Genau. Wenn ich mit der Einstellung arbeiten gehen würde: "Oh nein, ich muss heute arbeiten", könnte nichts Positives entstehen. Die besten Schauspieler sind die nettesten. Und die anderen gehen einem immer ein bisschen auf die Nerven. Aber man kann auch Freundschaften schließen.

Ricore: Ist es nicht gerade im Filmgeschäft schwierig, Freundschaften aufzubauen und auch über Jahre zu halten?

Kier: Mit Lars von Trier bin ich befreundet. Manchmal tut es zwar auch etwas weh, wenn er wie bei "Antichrist" in Deutschland einen Film dreht und ich spiele nicht mit, aber da spielen nur zwei Personen mit. Das ist dann schwierig, trotzdem muss die Freundschaft nicht kaputt gehen. Ein Film ist wie eine Beziehung : Man verlobt sich, dann heiratet man und hat eine gute Zeit. Langsam lebt man sich auseinander und trennt sich. Und schreibt sich vielleicht zu Weihnachten noch mal eine Karte.
20th Century Fox
Far Cry
Ricore: Haben Sie viele Freunde?

Kier: Ich habe zwar viele Bekannte, aber nur ungefähr fünf Freunde. Neulich wurde ich gefragt, was für mich Freundschaft bedeutet. Für einen wahren Freund würde ich meinen kleinen Finger geben, wenn er ihn zum Leben braucht. In Amerika sind Freundschaften viel oberflächlicher als in Deutschland. Aber nach 16 Jahren habe ich mich daran gewöhnt.

Ricore: Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit in Deutschland und Amerika?

Kier: Filme sind Schatten und Licht und in Amerika sind die Schatten länger. Deutschland macht wunderschöne Filme und Amerika macht kommerzielle Filme.

Ricore: Sind Sie lieber in Amerika oder in Deutschland?

Kier: Wenn ich länger in Amerika bin, denke ich, ich würde gern mal wieder nach Deutschland fliegen. Aber jetzt, nach sieben Wochen Dreharbeiten, will ich wieder zurück. Meine Knochen vermissen die kalifornische Sonne.

Ricore: Sie würden also nicht wieder ganz zurück nach Deutschland kommen?

Kier: Nein, auf keinen Fall. Ich habe mir zwar in Thüringen ein altes Schulgebäude gekauft. Jedes Klassenzimmer ist 50 Quadratmeter groß, ich hätte also ein kleines Stadtschloss, wenn ich her kommen würde. Aber ich werde das Gebäude wohl eher für Ausstellungen nutzen. Denn ich bin seit langem schon begeisterter Kunst- und Möbelsammler.
Concorde Filmverleih
Lars von Trier, Regisseur von Dogville
Ricore: Man hat bei Ihnen das Gefühl, dass Sie Ihren Beruf nur noch aus Spaß ausüben und nicht, weil Sie es noch müssen. Sie haben auch andere Leidenschaften. Haben Sie schon einmal überlegt aufzuhören?

Kier: Ans Aufhören denke ich noch nicht, wohl aber ans Selektieren, weil ich finanziell nicht mehr abhängig bin. Ich möchte gerne nur noch mit bestimmten Regisseuren arbeite, mit denen ich bereits gedreht habe. Zum Beispiel mit Lars von Trier. Aber ich will nicht im Liegestuhl sitzen und den Blumen beim Blühen zuschauen.

Ricore: Sie sind auch sozial sehr engagiert.

Kier: Ich habe in meinem Leben sehr viel Glück gehabt. Und ich versuche alles positiv zu sehen und das auch weiter zu geben. Ich bin Botschafter der UNESCO. Kürzlich war ich bei einer Veranstaltung von "Ein Herz für Kinder" und habe am Telefon Spendenanrufe entgegen genommen. So etwas ist sehr bewegend. Erstaunlicher Weise wurde in diesem Jahr trotz der Finanzkrise mehr gespendet als im letzten Jahr.

Ricore: Sind Sie der Meinung, dass berühmte Menschen wie Sie, die keine finanziellen Sorgen haben, sich sozial engagieren sollten?

Kier: Ich mache das seit langer Zeit, ohne dass davon immer in der Zeitung berichtet wird. Aber ich bin nicht berühmt. Der Eiffelturm ist berühmt. Ich bin allenfalls bekannt.

Ricore: Sie sind sehr bescheiden…

Kier: Es hat immer einen faden Beigeschmack, wenn ein Schauspieler oder Musiker sich plötzlich für etwas einsetzt. Die Leute denken oft, das wäre nur für die Publicity. So etwas finde ich eine Frechheit. Es geht niemanden etwas an, wie viel Prominente spenden. Madonna sagt beispielsweise, dass sie mit ihrem Namen auf bestimmte Dinge aufmerksam machen möchte. Das ist wichtig. Aber ich selbst spreche nicht so gerne darüber, wo ich mich überall einsetze.

Ricore: Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch und alles Gute weiterhin.
erschienen am 20. Dezember 2008
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