Omar Sharif
Omar Sharif über sündteure Ming-Vasen
Interview: Sklave seiner Leidenschaft
Omar Sharif ist einer der ganz Großen - ein Leinwandstar der alten Garde, der sich mit seinen Auftritten in "Lawrence von Arabien" und "Doktor Schiwago" in die Herzen der Menschen spielte. Doch in den letzten Jahren wurde es ruhig um den Lebemann, dem früher unter anderem Affären mit Barbara Streisand, Sophia Loren und Ingrid Bergman nachgesagt wurden. Nun kehrt er mit "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran" zurück auf die Kinoleinwand und überzeugt als muslimischer Gemüsehändler, der einem einsamen jüdischen Jungen im Paris der 60er-Jahre Lebensmut und Weisheit beibringt. Die Rolle war für den inzwischen 71-jährigen wie geschaffen, und entsprechend gut gelaunt erschien der Schauspieler in Beverly Hills zum Interviewtermin.
erschienen am 20. 03. 2004
Omar Sharif beim Phototermin
Ricore: Mr. Sharif, in letzter Zeit wurde es sehr ruhig um Sie. Was war der Grund?

Omar Sharif: Ich habe in den letzten dreißig Jahren zu viele schlechte Filme gedreht und den Spaß an der Arbeit verloren. Also beschloss ich, auf ein Drehbuch zu warten, über das sich meine Enkelkinder nicht lustig machen könnten. Vorher wollte ich einfach nicht auf die Leinwand zurückkehren.

Ricore: Warum haben Sie die schlechten Filme denn überhaupt gedreht?

Sharif: Na wegen der Gage! Aber ich bin nicht narzisstisch genug für schlechte Filme. Gute Schauspieler müssen sich selbst gefallen - auch in miserablen Rollen. Sonst nimmt ihnen der Zuschauer ihre Leinwandpräsenz nicht ab. Ich konnte das aber nicht und beschloss deshalb, zu pausieren und auf einen neuen Euphorieschub zu warten. Der aber kam erst mit dem Drehbuch zu "Monsieur Ibrahim".

Ricore: Was genau hat Sie überzeugt?

Sharif: Die Tatsache, dass der Junge jüdisch und der Mann muslimischen Glaubens ist, spielt für den Handlungsverlauf eigentlich keine Rolle - herrschte nicht Krieg zwischen Israel und Palästina. So zeigt der Film in wunderschönen Bildern, dass es durchaus möglich ist, sich zu respektieren und zu lieben. Ich vertrete dieselbe Meinung und konnte sie durch den Film nun endlich mal in der Öffentlichkeit loswerden. (lacht)

Ricore: Vor allem die starke Zuneigung zu dem Jungen wirkte sehr realistisch.

Sharif: Ist auch kein Wunder. Zeitlebens habe ich Kinder geliebt. Ich mische mich sogar in die Erziehung meiner Enkelkinder ein, weil ich so vernarrt in sie bin. Als mein Sohn sechs Jahre alt war, spielten wir immer Cowboy und Indianer. Ich war die Rothaut und traf eines Tages mit einem Gummipfeil eine sündhaft teure Ming-Vase. Sie gehörte meiner Frau. Ich erzählte ihr später, dass mein Sohn den Pfeil abgeschossen hätte. Und wissen Sie was? Die Wahrheit habe ich ihr bis heute nicht erzählt. (lacht)
Sharif mit Filmpartner Pierre Boulanger


Ricore: Kann Omar Sharif überhaupt streng sein?

Sharif: Und ob! Aber ich vertrete die Ansicht, dass man Kindern zuerst Liebe entgegenbringen muss, bevor man sie maßregeln darf. Wenn ich dann mal "nein" sage, gibt es aber keine Widerrede.

Ricore: Wie haben Sie den Jungen dazu gebracht, aus sich herauszugehen?

Sharif: Nach dem Casting lud ich ihn in mein Hotel ein, um zusammen mit einem Schauspieltrainer verschiedene Situationen zu improvisieren. Denn bis dahin hatte der Junge keine Schauspielerfahrung.

Ricore: Da konnte er von Ihnen wohl einiges lernen. Können Sie sich eigentlich mit Monsieur Ibrahim identifizieren?

Sharif: Wir haben so ziemlich dieselbe Einstellung zum Leben. Und er ist auch wie ein kleiner Junge, der auf jemanden wartet, mit dem er spielen kann. (lacht) Eine Art Engel, der den Jungen glücklich machen möchte.

Ricore: Erfüllt der Film auch alle Ihre Wünsche?

Sharif: Ach, er ist wunderbar. Nur wäre gegen Ende noch eine Szene gut gewesen, in der sich die beiden vor Lachen biegen. Um den Kontrast zur vorherigen Traurigkeit noch besser hervorzuheben. Das vermisse ich ein bisschen.
Familie statt Glücksspiel: altersweiser Omar Sharif


Ricore: Ihren Durchbruch hatten Sie mit "Lawrence von Arabien". Was fällt Ihnen rückblickend zu den Dreharbeiten ein?

Sharif: Wir verbrachten über zwanzig Monate in der Wüste - ohne eine einzige Frau. Man fürchtete, dass das Team wegen der Frauen in Streit geraten könnte und verbot uns deswegen jeglichen Kontakt zu ihnen. Nicht mal unsere Familien durften uns besuchen. Es war wie in der Armee! Was blieb mir da anderes übrig, als mich mit Alec Guinnessund Peter O'Toole anzufreunden? (lacht)

Ricore: Was für eine Person war Regisseur David Lean, mit dem Sie später auch an "Doktor Schiwago" gearbeitet haben?

Sharif: Er konnte Schauspieler nicht leiden. Für ihn waren sie nichts weiter als Werkzeuge für seine Inszenierungsarbeit. Ansonsten redeten sie für seinen Geschmack zuviel über sich selbst. Ich kann ihn verstehen: Wenn ich mich mit anderen Schauspielern treffe, fallen sich auch immer alle ins Wort. Jede meint, eine bessere Geschichte auf Lager zu haben. (lacht)

Ricore: Wer hat Sie in Ihrer Karriere denn am meisten beeindruckt?

Sharif: Jetzt nehmen wir mal an, Sie stellen einer meiner ehemaligen Filmpartnerinnen diese Frage und sie nennt daraufhin nicht meinen Namen! Ich persönlich wäre schwer enttäuscht. (lacht) Also warte ich mit solchen Enthüllungen lieber noch ein bisschen.

Ricore: Nach "Lawrence von Arabien" und "Doktor Schiwago" ging es mit Ihrer Karriere allerdings bergab. Wieso?

Sharif: Obwohl ich mit hervorragenden Regisseuren drehte, floppten fast alle Filme kläglich. Als ich noch Geld in die Kassen spülte, war mein Akzent egal. Doch plötzlich wurde es schwer für mich, als Ausländer gute Rollen zu bekommen. Eben genauso wie heute: Nach ein paar Flops in Folge ist auch der beste Schauspieler weg vom Fenster.
Omar Sharifs erster Erfolg nach unzähligen Flops


Ricore: Wie gehen Sie mit Kritik um?

Sharif: Ich wünsche mir, möglichst viel kritisiert zu werden. Man darf am Set nicht zu viel Ehrfurcht vor mir haben, sonst bringe ich keine Höchstleistung. Ich bin nämlich ein von Grund auf fauler Mensch. Ich würde nie von mir aus vorschlagen, eine Szene nochmals durchzuspielen. (lacht)

Ricore: Ist Ihre Faulheit auch der Grund, weshalb Sie aufgehört haben, professionell Bridge zu spielen?

Sharif: Nein, ich will nicht mehr Sklave meiner Leidenschaften sein - es sei denn, ich bewirke damit etwas Gutes. Ich habe mich in meinem Leben für zu viele Dinge begeistert: Bridge, Pferde, Glücksspiele. Jetzt will ich wieder mehr Zeit mit meiner Familie verbringen, gelegentlich einen Film drehen. Mich fokussieren und am liebsten die Vergangenheit und die Zukunft vergessen. Jeden Tag, jeden Moment so intensiv fühlen, als ob es der letzte wäre. Aber nehmen Sie das nicht wortwörtlich. Hundert werde ich nämlich bestimmt. (lacht)

Ricore: Gutes bewirken Sie derzeit mit dem aufwändigen Wohltätigkeitsprojekt "Chain of Hope". Um was genau geht es?

Sharif: Wir haben die weltbesten Herzchirurgen zusammengetrommelt und fliegen mit ihnen in arme Länder, um herzkranke Kinder zu operieren. Wir bauen Kliniken und lehren die ortsansässigen Chirurgen die neuesten Behandlungsmethoden. Allein im letzten Jahr haben wir 144 Kinder operiert, die eigentlich keine Überlebenschancen hatten. 142 von ihnen konnten wir ein neues Leben schenken. Ist das nicht wunderbar?
erschienen am 20. März 2004
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2024