Sony Pictures
Tom Tykwer auf der Pressekonferenz zu "The International"
Tom Tykwer und Clive Owen erobern Berlin
Interview: Film ist wie eine Ehe
Mit "The International" bringt Regisseur Tom Tykwer nach "Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders" erneut eine internationale Produktion in die Kinos. Auf der Berlinale stellt er sich gemeinsam mit seinem Hauptdarsteller Clive Owen und Produzent Charles Roven den Fragen der Weltpresse. Erstaunlich ist die Ähnlichkeit zwischen Regisseur und Hauptdarsteller. Während des Interviews zieht Tykwer seltsame Parallelen zwischen der Arbeit zu einem Film und einem Ehepaar, das sich nach langer Ehe immer ähnlicher wird. Was will er uns damit bloß sagen?
erschienen am 6. 02. 2009
Sony Pictures
The International
Ricore: Herr Tykwer, wenn man Fotos von Ihnen und Clive Owen vergleicht, fällt eine unglaubliche Ähnlichkeit auf. Sehen Sie sich selbst als Hauptfigur des Films?

Tom Tykwer: Bei meinem letzten Film "Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders" wurde mir die gleiche Frage gestellt. Da wollte ich natürlich keinesfalls die Hauptfigur sein. Doch bei diesem Film ist das anders, das gebe ich zu. In moralischer Hinsicht sind die Hauptfigur und ich mehr verbunden.

Ricore: Auch bei "Winterschläfer" gab es eine Ähnlichkeit zwischen Ihnen und Hauptdarsteller Ulrich Matthes. Ist "The International" in diesem Sinne ein persönlicher Film?

Tykwer: Zugegebenermaßen steckt ein Phänomen dahinter. Wenn ich einen Film mache und nach einem Hauptdarsteller suche, suche ich zwar nicht unbedingt nach optischen Ähnlichkeiten, aber nach einer Identifikationsfläche, nicht nur für den Film sondern auch für einen selbst. Das geschieht aber natürlich unbewusst. Ein Film sollte aber nicht die Identität des Filmemachers repräsentieren, sondern die des gesamten Teams. Während der Produktion werden sich alle ein bisschen ähnlich. Man muss sich ja mit den Inhalten die ganze Zeit sehr stark auseinander setzen. Das ist ein bisschen wie in einer Ehe, da werden sich die Partner mit der Zeit auch immer ähnlicher.
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Clive Owen auf der Pressekonferenz zu "The International"
Ricore: Als Sie mit dem Film begannen, war noch keine Rede von einer Finanzkrise. Wie sieht Ihre Beziehung zu den Banken aus und wie steht das in Zusammenhang mit dem Projekt?

Tykwer: Gar nicht. Wir haben vor sechs Jahren mit dem Film angefangen. Der Drehbuchautor und Produzent haben bereits vor neun Jahren begonnen. Als wir uns zum ersten Mal trafen, um über das Projekt zu sprechen, war das Drehbuch noch eine Baustelle. Einige Elemente waren zwar schon enthalten. Der Schwerpunkt lag auf einer Bank, die das Böse darstellt. Es war eine Art Paranoia-Thriller-Krimi, sehr aufregend. Damals schien das noch extravagant. Natürlich ist die Krise furchtbar, doch andererseits erhält das Thema nun mehr Aufmerksamkeit.

Ricore: Generell stehen die Banken ja noch ziemlich gut da…

Tykwer: Derzeit sieht es so aus, dass die Banken einigermaßen gut fahren. Das ist an sich verwirrend. Aber es ist auch wichtig, dass wir das Problem nicht überdramatisieren, so dass das Ganze nicht oberflächlich dargestellt wird. Wir sagen nicht generell, dass eine große Bank schlecht ist. Eine Bank ist eine Institution, die ihr Geld verwalten muss. Wir sprechen nur über einige bestimmte Banken, die korrupt und kriminell sind. Und dafür ist auch nur eine geringe Anzahl von Menschen verantwortlich, die dort arbeiten. Wie im Film Jonas Skarssen, der von Ulrich Thomsen dargestellt wird. Insgesamt ist die Situation natürlich dramatisch. Es gibt jedoch ein System, dass diese ganze Problematik geschaffen hat und das ist älter als jede Bank der Welt.
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Produzent Charles Roven
Ricore: Ihre Filmografie ist sehr vielseitig, fast jeder Film kommt aus einem anderen Genre. Wonach streben Sie, wenn Sie einen Film drehen?

Tykwer: Das Wichtigste ist, dass der Hauptcharakter so aussieht wie ich (lacht). Nein im Ernst, ich muss mich in das Ganze hineindenken können. In Wirklichkeit ist es die Energie eines Darstellers oder einer Darstellerin und die Art und Weise, wie die Filmfigur mit einem Problem fertig wird. Meist steht ein Mensch gegen ein großes System. In "Lola rennt" ging es um die Zeit. Lola akzeptiert das nicht, sie kämpft gegen die Regeln. Das Genre ist mir dabei eigentlich egal.

Ricore: Herr Owen, wie war es in Istanbul zu drehen? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Clive Owen: Istanbul war der einzige Handlungsort des Films, wo ich zuvor noch nicht war. Es war sehr aufregend. Die letzte Szene des Films spielt auf einem Basar. Im Drehplan war es jedoch die erste, und es war schwierig für mich, diese Szene zu drehen, weil meine Figur ihre Reise noch nicht zurück gelegt hat. Das war etwas seltsam.

Ricore: Es wurde auch in Mailand gedreht? Mögen Sie die Stadt?

Owen: Ich kenne Mailand gut. Es ist eine wunderbare Stadt.
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Clive Owen hatte viel Spaß auf der Berlinale 2009
Ricore: In Mailand ist es schwierig, eine Drehgenehmigung für öffentliche Plätze zu bekommen? Wie erging es Ihnen, Herr Tykwer?

Tykwer: In Bezug auf die Drehgenehmigungen war ich ziemlich faul. Das habe ich meinem Produzent Charles Roven überlassen. Kannst Du Dich noch erinnern, ob es in Mailand besonders kompliziert war?

Charles Roven: Es gab ja neben mir noch zwei weitere Produzenten, Richard Suckle und Lloyd Phillips. Wir haben uns die Organisationsarbeit geteilt. Die Behörden in Mailand waren sehr kooperativ. Letztendlich haben wir an genau den Orten gedreht, die Eric Warren Singer in seinem Drehbuch angegeben hatte.

Ricore: Sehen Sie sich eher als ausländischer oder als internationaler Filmemacher?

Tykwer: Ich wähle die Themen meiner Filme nicht wegen der Größe aus. Manchmal verliebt man sich einfach nur in eine Atmosphäre. Das Budget ist mir egal, ebenos wo der Film spielt. Es geht um andere Dinge. Man wird angezogen von einem bestimmten Bild. Und um dieses Bild herum kann sich der Film dann aufbauen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 6. Februar 2009
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2024