ZDF Jan Betke
Friedrich von Thun erhält an seiner Geburtstagsfeier eine prickelnde Überraschung
Schauspieler Friedrich von Thun
Interview: Die Kunst des Handwerks
Friedrich von Thun ist ein gut beschäftigter Schauspieler. Im ZDF Fernsehfilm der Woche "Das Beste kommt erst" spielt er das Oberhaupt einer großbürgerlichen Familie. Den Großteil der Drehzeit verbrachte das Filmteam auf einer abgelegenen Berghütte in den Voralpen. Ob sich dadurch beim Ensemble ein Familiengefühl einstellen konnte und einiges mehr über den Beruf des Schauspielers verriet uns von Thun im Gespräch.
erschienen am 25. 05. 2009
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Friedrich von Thun und Sophie von Kessel
Ricore: Was können Sie mir über die Figur Karl Mailinger sagen?

Friedrich von Thun: Karl Mailinger ist ein Familienvater, der sich im Laufe seiner Ehe ein kleines Imperium aufgebaut hat. Das hat er durch seine Tüchtigkeit, vielleicht auch durch seine Rücksichtslosigkeit oder mit Glück geschafft. Auf jeden Fall hat er eine starke Motivation seinen Betrieb zu erhalten. Er hat vier Kinder und die sind sehr unterschiedlich ausgefallen. Die älteste Tochter erscheint am tüchtigsten und wird wahrscheinlich in den Familienbetrieb eingebunden. Der Vater möchte - weil er ein Familienmensch ist - aber auch seine anderen Kinder einbinden. Und das führt zur Kränkung der ältesten Tochter. So wirkt er auf seine Kinder wie ein rücksichtsloser Macho. Aus seiner Sicht ist er ein liebevoller Familienvater.

Ricore: Wie viel von Ihnen selbst steckt in der Figur?

von Thun: Nichts. Das ist ein Verhalten, das mir fremd ist. Ich habe kein Imperium und ich bin kein Machtmensch. Ich bin jemand der versucht ausgleichend und verständnisvoll zu sein. Das gelingt mir zwar auch nicht immer, aber ich finde, man kann sich mit Argumenten austauschen. Ich bin meilenweit von dem Mann entfernt.

Ricore: Wie sind Sie an die Rolle herangegangen?

von Thun: Ich habe mir die Motivation zurechtgelegt. Die Familie muss zusammenhalten. Der Geburtstag ist eigentlich mit vielen Gästen geplant. Aber er will mit seiner Familie auf die Hütte gehen, wo sie allein sind. Sie waren früher schon oft auf der Hütte, als seine Frau noch lebte. Er möchte die Kinder zusammen haben, um bei Ihnen etwas zu erreichen.

Ricore: Muss man seine Figur mögen, um sie spielen zu können?

von Thun: Nein, man muss sie verstehen. Man muss ihre Beweggründe nachvollziehen können. Verstehen ist schon fast ein zu großes Wort. Man muss wissen, warum sie etwas macht. Was bedingt das Verhalten und welche Konsequenz hat das. Kann ich das nachvollziehen. Und dann muss man sich draufsetzen und es einfach machen.
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Friedrich von Thun übernimmt sich in "Das Beste kommt erst"
Ricore: Wie war das Verhältnis zu ihrem eigenen Vater?

von Thun: Ich hatte ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Vater. Mein Vater stammt aus einer ganz anderen Generation. Da wurden Dinge einfach unter Männern entschieden. Die Frauen waren gar nicht anwesend. Meiner Mutter wurden die Entscheidung fast nur mitgeteilt. Aber meine Mutter hatte auf einer anderen Ebene das Sagen - das absolute Sagen. Das war irgendwie getrennt. Die Beiden haben das intern dann schon koordiniert. Mein Vater hatte einen wahnsinnigen Humor. Den habe ich von ihm geerbt. Er war ein sehr lebenslustiger Mensch.

Ricore: Wie hat er darauf reagiert, dass Sie Schauspieler werden wollten?

von Thun: Er war sehr verständnisvoll. Zwar hat er einmal geschluckt, in meiner Familie hat es nie Schauspieler gegeben. Er hat gesagt: "Wenn du das machen willst, dann mach es, aber du musst es selber machen. Ich kann dir dabei nicht helfen."

Ricore: Können Sie etwas über die Atmosphäre bei den Dreharbeiten sagen?

von Thun: Rainer Kaufmann ist ein intensiver und ruhiger Regisseur. Er ist sehr angenehm, nachdenklich und gründlich. Das lieben Schauspieler. Da wird probiert, entwickelt und verworfen. Aber alles in Ruhe. Ich habe diese Arbeit als eine sehr schöne Arbeit in Erinnerung. Obwohl es natürlich durch das Wetter und die Anfahrt Schwierigkeiten gab. Wir waren sehr hoch oben in den Bergen. Es gab ein Wetterwechsel. Wir hatten herrliche Herbsttage und dann hatten wir plötzlich Schnee. Aber die Drehzeit war dennoch sehr angenehm.

Ricore: Hat sich ein Familiengefühl entwickelt?

von Thun: Im Grunde entwickelt sich das fast bei jedem Film. Bei Rollen ab einer gewissen Größenordnung. Man ist zusammen und will gemeinsam etwas entwickeln. Wenn der Film vorbei ist, ist das wieder zu Ende. Das ist nur ein kleines Familiengefühl, es ist nicht ein wirkliches Familiengefühl. Jeder Schauspieler versucht sich in die Situation zu versenken und man ist für eine kurze Zeit eine Familie.
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Friedrich von Thun genießt seine Zigarre
Ricore: Kannten Sie einige von ihren Schauspielkollegen vorher?

von Thun: Nur Sophie von Kessel. Wir haben zusammen in "Die Verbrechen des Professor Capellari" gespielt. Die anderen Kollegen kannte ich nicht.

Ricore: Was macht ein Projekt aus, damit Sie mitspielen?

von Thun: Ich lese das Buch und wenn mich die Geschichte interessiert, mir die Figur gefällt spiele ich mit. Wer Regie macht und wer die Kollegen sind, ist für mich auch wichtig. Auch, wenn sich mir darlegt, wie der Film werden könnte. Man weiß es ja vorher nicht. Die Realität ist immer anders. Das Umfeld, das Buch und die Rolle muss stimmig sein.

Ricore: Arbeiten Sie lieber mit einem Team, das Sie schon kennen?

von Thun: Das kann man so nicht sagen. Es gibt Leute, die ich kenne, mit denen möchte ich nicht wieder zusammenarbeiten (lacht). Ich bin für jeden neuen Regisseur offen. Das finde ich sehr aufregend. Zu viel Freundschaft am Set ist nicht so günstig. Man wird bequem und es wird eher Routine. Es ist schon ganz gut, wenn ein frischer Wind weht.

Ricore: Wie war die Arbeit an der Szene, in der das Gewitter hereinbricht?

von Thun: Das war physisch sehr anstrengend. Es war rutschig, es war eiskalt und dann der Höllenlärm von der Windmaschine. Wir mussten die Szene hinterher synchronisieren. So was ist keine Lieblingsszene. Das ist eher eine physische Leistung.

Ricore: Haben Sie eine Lieblingsszene?

von Thun: Ich hatte sehr schöne Szenen mit meinem Enkelsohn. Und mit meinem Sohn hatte ich ein schönes Gespräch auf der Bank, in dem ich versuche mich zu erklären.
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Friedrich von Thun will sein Dienstmädchen heiraten
Ricore: Geben Sie etwas von Ihrer Erfahrung an die Kinderdarsteller weiter?

von Thun: Das hängt von den jungen Kollegen ab. Ich würde den Teufel tun und mich einmischen. Ich weiß wie sehr so etwas verunsichern kann. Wenn mich jemand fragt oder ich Dinge sehe, die auf der Hand liegen, schlage ich etwas vor. Aber ich mache nicht den großen Schauspiellehrer.

Ricore: Die Familie im Film erfährt eine einschneidende Veränderung. Gab es so eine Veränderung auch in Ihrem Leben?

von Thun: Es gibt in jedem Leben ununterbrochen einschneidende Erlebnisse, die das Leben verändern. Im Rückblick schrumpfen die Ereignisse ein bisschen zusammen. Solche Ereignisse sind immer dafür da, dass man klüger daraus hervorgeht. Wie lange man sich das merkt oder wie lange es nach hält ist wie mit einer Diät. Man lernt regelmäßig zu essen und 50 Mal zu kauen und dann kommt Weihnachten und man isst nur Gebäck. Man hat es zwar gelernt, aber es ist wieder aufgehoben. Irgendwie ist es so auch im Leben.

Ricore: Drehen Sie noch Dokumentarfilme?

von Thun: Das mache ich nicht mehr. Es hat irgendwann aufgehört, weil ich zu viel als Schauspieler zu tun hatte. Im ORF hatte ich eine Reihe, dafür habe ich fast 50 Filme gedreht. Irgendwann war Schluss. Aber ich denke, ich werde das wieder aufnehmen. Es war aber eine ziemlich anstrengende Zeit. Ich habe selbst produziert und Regie geführt. Und bei Dokumentarfilmen ist das Budget nicht so wahnsinnig hoch. Man muss ununterbrochen überlegen und sparen. Es war dennoch eine wunderbare Zeit. Ich habe es sehr genossen, aber jetzt ist erst einmal etwas anderes angesagt.

Ricore: Was machen Sie als Ausgleich zu Ihrem Beruf?

von Thun: Ich mache Musik, spiele Tenorsaxophon. Ich spiele Golf, fahre Ski, spiele Tennis und mache Langlauf. Wie Sie sehen habe ich soviel zu tun, ich komme gar nicht zum Ausgleichen (lacht).
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Friedrich von Thun und Sophie von Kessel als Vater und Tochter
Ricore: Kann man vom Schauspielberuf etwas für das Leben lernen?

von Thun: Ich glaube ja. Das bewusste Umgehen mit seiner eigenen Präsentation, kann eigentlich jedem helfen. In jedem Beruf könnte ein Teil eines Schauspielers stecken. Wenn man weiß wie es geht, ist man vielleicht überzeugender. Wenn mich Menschen fragen, ob man den Beruf des Schauspielers ergreifen soll, sage ich immer ja. Auch wenn man merkt, dass man nicht genug Talent hat oder nicht weiterkommt, wird einem das sicher helfen. Man kann sich einfach bewusster präsentieren.

Ricore: Wie viel Handwerk steckt im Schauspielberuf?

von Thun: Es ist so. man braucht Talent und man muss das Handwerk können. Im Film gibt es bestimmte Dinge, die man einfach wissen und kennen muss. Die sind erlernbar. Das ist kein Geheimnis. Wichtig ist, dass man das Handwerk so benutzt, dass niemand merkt, dass man ein Handwerk benutzt. Das ist die Kunst dieses Handwerks, glaube ich. Die Aufgabe ist, dass ich einen Text, der nicht von mir ist, so formuliere, als ob er von mir wäre. Dass ich eine Situation fühle und die Zuschauer die Situation nachempfinden können.

Ricore: Ist der Schauspielberuf ein Traumberuf?

von Thun: Für mich schon. Das hängt sehr davon ab, wie man den Beruf sieht. Wenn man ihn oberflächlich betrachtet, sollte man lieber die Finger davon lassen. Ich finde es ist ein wunderbarer Beruf. Theoretisch kann man sich mit jedem Film mit anderen Themen, mit anderen Konstellationen und mit anderen Menschen auseinandersetzen. Im Grunde hält dieser Beruf, wenn man ihn richtig definiert, einen sehr in Trab. Es hat nichts mit Glamour zu tun. Jeder der glaubt, der Beruf ist schön, weil man oft fotografiert wird, sollte lieber etwas anderes machen.

Ricore: Arbeiten Sie gerade an neuen Projekten?

von Thun: Ich mache zur Zeit sehr viele Lesungen. Gerade lese ich Franz Werfel "Eine blassblaue Frauenschrift". Dann drehe ich in Wien eine Neuverfilmung von "Sissi". Da spiele ich den Feldmarschall Radetzky. Es gibt immer neue Projekte. Aber die große Herausforderung fehlt gerade. Auf die wartet man. Rollen wie der Karl Mailinger sind für einen Schauspieler ein Geschenk. Der Alltag ist sehr oft anders. Da muss man sehr selektiv sein und darf Dinge, die einem qualitativ nicht gefallen, nicht tun. Außer man verhungert, dann ist alles erlaubt

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 25. Mai 2009
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Friedrich von Thun wird als viertes Kind von Gutsbesitzer Ernst Graf von Thun und Hohenstein und Marie Therese von Wiedersperg geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg flüchtet die Familie nach Österreich, wo Friedrich seine Liebe zum Theater entdeckte. Er studierte in München Germanistik und Theaterwissenschaften und nimmt privaten Schauspielunterricht. Mit der TV-Serie "Das Erbe der Guldenburgs" (1987-1990) startet er seine Fernsehkarriere. Mit der Rolle als sympathischer Arzt in der Serie "Dr...
Um den 70sten Geburtstag ihres Oberhaupts zu feiern, kommt eine Familie auf einer Berghütte zusammen. Zwar ist der wohlhabende Schraubenfabrikant Karl Mailinger (Friedrich von Thun) schon Großvater und seine vier Kinder erwachsen, seine Autorität ist aber ungebrochen. Konflikte werden im Keim erstickt und Komik kommt nicht auf, da die Figuren stereotyp wirken. Der Fernsehfilm von Regisseur Rainer Kaufmann will gleichzeitig Drama und Komödie sein und genau das ist sein Problem.
2024