Wieder vereint: Ethan Hawke, Julie Delpy
Hawke - Delpy: Gemeinsame Nächte, romantische Ideale
Interview: Luxussteuer auf die Kunst
Mit "Before Sunrise" gelang Ethan Hawke (33) und Julie Delpy (34) vor neun Jahren ein Geniestreich. Die leidenschaftliche Gesprächsromanze zwischen dem Amerikaner Jesse und der Französin Celine begeisterte mit ihren philosophischen Lebensthesen vor allem gebildete Romantiker und avancierte zum Geheimtipp der Kulturszene. In "Before Sunset" führt Regisseur Richard Linklater die Geschichte einem mehr als würdigen Ende zu. Näheres erzählten uns Hawke und Delpy in Berlin.
erschienen am 12. 06. 2004
Wiedersehen in Paris: Julie Delpy)
Ricore: Mrs. Delpy, Mr. Hawke, warum war "Before Sunrise" so erfolgreich?

Ethan Hawke: Es konnten sich einfach viele Leute mit der Situation identifizieren. Man trifft zufällig eine Person, versteht sich auf Anhieb und verbringt eine gemeinsame Nacht: Es ist eine ganz besondere, die Routine des Alltags durchbrechende Erfahrung.

Ricore: Bei der Fortsetzung war diese Voraussetzung aber nicht mehr gegeben.

Hawke: Dafür treffen sich zwei alte Geliebte wieder, lassen ein Stück ihres Lebens Revue passieren und versuchen, sich eine Meinung darüber zu bilden. Ich zumindest habe das auch schon mal erlebt.

Ricore: Trotz Ihrer intensiven gemeinsamen Drehbucharbeit wirken die Dialoge spontan und improvisiert. Wie war das möglich?

Julie Delpy: Man muss seinen Text enorm gut lernen und sich jedes Wort einprägen. Nur dann kann man so sprechen, dass es improvisiert wirkt.

Hawke: Die Dialoge mussten frisch wirken und Spannung erzeugen. Denn die Sprache ist das einzige dramatische Element in "Before Sunset". Also haben wir alles so natürlich wie möglich gehalten und alles in Echtzeit gefilmt.

Ricore: Welche Bedeutung hatte der erste Film für Sie persönlich?

Hawke: Es war eine wundervolle Erfahrung. Ich habe damals wirklich alles gegeben und viele intime Aspekte in die Story eingebracht. Umso schöner war es jetzt, an diese Geschichte anzuknüpfen. Trotzdem war ich nervös: Denn wenn die Story des zweiten Teils gehinkt hätte, wäre dadurch auch der erste Teil in seiner Bedeutung herabgesetzt worden.
Fortsetzung des ersten Dates: Before Sunset
Ricore: Einen Hinweis auf die Weiterführung der Geschichte gab es bereits in Richard Linklaters Film "Waking Life".

Hawke: Richtig, da gab es eine Bettszene mit uns beiden.

Delpy: Ich hatte schon damals das Gefühl, dass die Geschichte noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Ethan sagte gerade, dass unsere Ideen und Gedanken sehr persönlicher Natur waren. Im zweiten Teil wollte ich diese romantische Liebe nun auf einer anderen Ebene weiter führen. Das erzählen, was ich damals nicht erzählen konnte. Dieser Film ist sehr viel erwachsener.

Ricore: Weniger romantisch berichteten die Medien über Ihre Trennung von Uma Thurman. Wie kamen Sie damit klar?

Hawke: Die Boulevardpresse ist eine Luxussteuer auf das Gute und Schöne, das mir bis jetzt widerfahren ist. Denn es ist ein Segen, dass ich mit Kunst meine Erfüllung finde und gleichzeitig mein Geld verdienen kann. All die negativen Aspekte, die daraus resultieren, muss ich dafür in Kauf nehmen. Anders geht es leider nicht.

Ricore: Sind Sie eigentlich Zyniker oder Romantiker?

Hawke: Ich muss wohl eher romantisch veranlagt sein. Sonst könnte ich vermutlich nicht so ein Drehbuch schreiben. Oder was meinst du, Julie?

Delpy: Na, ich bin eher krank und pervers. (lacht) Nein, tief im Herzen bin ich wahrscheinlich schon eine Romantikerin, aber im Laufe der Jahre hat sich - wie im Film auch - meine verklärte Stimmung von früher geändert. Ich würde es aber nicht mit Zynismus umschreiben, wenn diese romantischen Idealvorstellungen plötzlich aufhören. Man wird einfach nur älter und sieht alles realistischer. Das ist auch nicht unbedingt schlecht.

Ricore: Sie haben beide mit hochkarätigen Regisseuren gearbeitet. Was ist das Besondere an Richard Linklater?

Delpy: Er ist mein Lieblingsregisseur! (lacht) Es ist selten, dass mich bei Regisseuren nicht das Gefühl der Unnahbarkeit beschleicht. Aber Richard legte sein Ego beiseite und erschuf mit uns gemeinsam etwas Authentisches. Er ermöglichte uns, unser Bestes zu geben.

Hawke: Das kann ich nur unterstreichen. Wir haben wortwörtlich zusammengearbeitet - und das merkt man dem Film deutlich an.

Ricore: Was sind Ihre weiteren Pläne?

Hawke: Ich schreibe gerade am dritten Teil. (lacht) Nein, ich habe in New York ein Bühnenstück von Shakespeare zu Ende gebracht und bin vollkommen erschöpft. Aber ich möchte bald wieder ein Buch schreiben.
erschienen am 12. Juni 2004
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