Walt Disney Studios Motion Pictures
Anne Fletcher auf dem roten Teppich in München 2009
Anne Fletcher tanzt auch komödiantisch
Interview: "Leg dich nicht mit mir an!"
Zunächst kannte man Anne Fletcher als Star-Choreografin, doch diese Zeiten sind vorbei. Spätestens seit ihrer romantischen Komödie "Selbst ist die Braut" mit Sandra Bullock und Ryan Reynolds. Darin reiht sich ein Gag an den anderen. Höhepunkt ist eine Nacktszene zwischen den zwei Hauptdarstellern. So sehr Fletcher betont, dass es dabei vor allem um die Technik gehe, desto weniger wollen wir ihr das glauben. Wir haben nachgefragt und dabei kamen weitere erstaunliche Wahrheiten zu Tage.
erschienen am 30. 07. 2009
Walt Disney Studios Motion Pictures
Anne Fletcher kann herzhaft lachen
Ricore: Bei der Pressekonferenz heute hatten Sie viel Spaß mit Sandra Bullock und Ryan Reynolds...

Anne Fletcher: Es tut mir leid, dass wir die ganze Zeit rumgealbert haben. Aber bei den Dreharbeiten zum Film war es genauso. Wir arbeiten so hart den ganzen Tag, da wollen wir zwischendurch ein bisschen Spaß haben und lachen. So lustig ging es auch bei der Arbeit zu. Außerdem waren Sandy und Ryan schon vorher befreundet. Ich durfte zur Gruppe stoßen. Ich hoffe, wir bleiben ein Leben lang Freunde. Sandra weiß wie sonst keiner (lacht), womit sie mich kriegt. Und Ryan kann mich zum Lachen bringen, wie niemand auf dieser Welt. Wir hatten eine tolle Zeit.

Ricore: Ist es einfach, mit Profis wie Sandra und Ryan zu arbeiten?

Fletcher: Es ist toll, wenn man mit Leuten zusammen arbeiten kann, die Team-Player sind. Das Gute war, dass wir alle denselben Film machen wollten. Wir hatten keine unterschiedlichen Ideen, wie der Film unserer Meinung nach aussehen sollte. Alle hatten die gleiche Vorstellung dieser Komödie im Kopf und das gleiche Ziel verfolgt. Eben weil sie so professionell sind und so hart arbeiten, war meine Arbeit einfach. Wir hatten nämlich nur wenig Zeit, um den Film zu drehen. Also mussten wir uns alle richtig anstrengen. Das ist einfacher, wenn du mit Menschen arbeitest, die du magst.

Ricore: Wenn die Chemie zwischen Schauspielern und Regisseuren nicht stimmt, was macht man dann?

Fletcher: Man muss das Beste aus der Sache herausholen. Das einzige was man machen kann, ist, den Schauspielern einen Arm auszustrecken, an dem sie sich festhalten können. Man muss sie leiten. Wenn das nicht funktioniert, muss man um die Szenen herum schneiden. Hätte bei Sandy und Ryan die Chemie nicht gestimmt, hätte ich nicht so viele Totalen machen können, sondern sie einzeln gefilmt und dann zusammengesetzt. Fehlende Chemie ist immer schade, da man diese dem fertigen Film ansieht. Das ist vergeudete Zeit. Daher macht man meistens Screen Tests, um zu sehen, ob sich die Akteure auf einer Ebene befinden.

Ricore: Waren Sie bei Ryan und Sandy sicher, dass es funktionieren würde?

Fletcher: Nein, absolut nicht. Man kann nie sicher sein. Dass sie Freunde sind, bedeutet gar nichts. Man weiß ja nicht, wie die beiden vor der Kamera agieren.
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Anne Fletcher mit ihren Darstellern Sandra Bullock und Ryan Reynolds
Ricore: Wie oft mussten Sie die Nacktszene zwischen Sandra und Ryan wiederholen?

Fletcher: Ich erinnere mich gar nicht daran. Aber ich denke, dass wir schon einige Takes gemacht haben. Das war aber rein technisch bedingt. Wir haben die Szene vorher auch bekleidet geübt. Sie mussten ja schließlich exakt wissen, wo sie wann stehen, fallen und liegen mussten. Als sie schließlich nackt waren, mussten wir die Kameraeinstellungen ändern, da man dieses und jenes sehen konnte. Das wollten wir nicht. Also technische Fragen, die lang diskutiert wurden. Aber am Ende standen da zwei Freunde und wir wussten, wie schrecklich unangenehm das für sie war, aber sie mussten es tun. Schließlich diente die Szene der Komik und wir wollten dies so lustig wie möglich rüberbringen.

Ricore: Wie stand es um die Tanzszene?

Fletcher: Meinen sie jene mit Sandra oder den Stripper? (lacht) Für die Tanzszene mit Sandra und Betty White hatten wir nur wenig Zeit. Wir planten einen gesamten Tag dafür ein. Betty hatte die wichtigste Aufgabe dabei: Sie musste singen, tanzen und gleichzeitig seitenweise Dialoge aufsagen, in einer uns fremden Sprache. Sie verwendete dafür einen Eingeborenen aus Alaska. Das war ein harter Tag. Ich habe gesagt: Passt auf, hier ist die Bühne, ihr macht das so und so. Den Rest haben die Schauspieler alleine hinbekommen. Sandra hat ein großes Talent fürs Tanzen. Sie ist die geborene Tänzerin. Sie hat diese Szene geliebt.

Ricore: Wo haben Sie das Tanzen gelernt?

Fletcher: Ich bin in Detroit, Michigan, aufgewachsen. Ich habe dort studiert und hatte glücklicherweise großartige Trainer. Später bin ich nach Los Angeles gezogen. Ich wollte eine Schauspielerin werden, die durch ihre starke physische Präsenz auffällt. Als ich dann Sandy getroffen habe, war dies wie ein Traum. Ich bewundere sie für ihren Mut. Sie hat mir gezeigt wie es geht, dass man auf der Bühne oder vor der Kamera physisch präsent und gleichzeitig real ist.

Ricore: Tanzen Sie noch?

Fletcher: Ich nehme nach wie vor Unterricht bei meinem alten Choreografen. Ich möchte das Tanzen nicht aufgeben, da ich neben der Regiearbeit auch noch als Choreografin arbeiten will. Es gibt so viele tolle Regisseure, mit denen ich irgendwann zusammen arbeiten möchte.
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Selbst ist die Braut
Ricore: Stehen Sie als Regisseurin eher Margaret oder Andrew näher?

Fletcher: Ich bin eher wie Andrew. Ich kann offensichtlich nicht ernst sein, obwohl wenn ich es muss, wenn es drauf ankommt. Ich bin aber nicht so stark und definitiv nicht so mies und niederträchtig wie Margaret. Es ist nicht meine Arbeit, die mich definiert, sondern das sind mein Leben und meine Freunde. Andrew ist sarkastisch, hat einen trockenen Humor und arbeitet hart, so wie ich (lacht). Ich bin nicht gut darin, Befehle auszuteilen.

Ricore: Ihre Crew lobt ihren Instinkt in bestimmten Situationen.

Fletcher: Ja, ich verfüge über gute Menschenkenntnis, weiß aber nicht, woher das kommt. Ich kann mich gut in die Gefühle und Gedanken der Menschen versetzen. Vielleicht ist mir das angeboren. Ich kann durch den Raum blicken und weiß instinktiv, mit diesem Crew-Mitglied stimmt etwas nicht. Ich versuche ihm dann zu helfen. Ich fühle mich all meinen Schauspielern sehr nahe und weiß immer genau, was mit ihnen los ist, auch wenn sie es nicht sagen. Ich glaube, das kommt zum Teil aus meiner Tanz-Vergangenheit. Ich sehe und interpretiere Bewegungen und höre zu. Das ist ein ständiges Interagieren, beinahe schon übersinnlich. Manche haben sogar Angst vor mir (lacht).

Ricore: Der Film ist in Amerika gut gestartet. Wie haben Sie das gefeiert?

Fletcher: Wir haben nicht gefeiert. Ich war nur froh und erleichtert und habe Gott gedankt. Denn wir hatten so eine tolle Zeit, angefangen beim Catering bis hin zu mir. Alle haben es verdient, dass der Film gut ankommt. Ich bin auch sehr froh für Sandy und Ryan und unserem Drehbuchautor Pete Chiarelli. Denn "Selbst ist die Braut" ist sein erster Film, der produziert wurde. Jeder gewinnt, und das macht mich glücklich.

Ricore: Haben Sie bereits ein neues Projekt am Start?

Fletcher: Nein, noch nicht. Ich bin dabei, alle Angebote zu sortieren und herauszufinden, was mich wirklich interessiert. Ich möchte allerdings vom Genre "Romantische Komödie" wegkommen, zumindest einige Zeit.
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Anne Fletcher und ihr guter Freund Ryan Reynolds
Ricore: Wenn Sie ein neues Projekt in die Hände bekommen, auf was achten Sie zuerst: die Handlung oder die Charaktere?

Fletcher: Beides. Liest man ein Buch, identifiziert man sich mit der Handlung, den Figuren oder man lässt es. Es könnte aber auch was anderes sein, beispielsweise ein Produzent, der weiß, wie er das Buch richtig umsetzen muss. Ich muss mich aber tatsächlich mit den Charakteren vergleichen können, um mit Herz dabei zu sein. So wie bei diesem Film: Alle Figuren sind extrem geerdet und real. Jeder kann sich mit ihnen identifizieren. Und es hängt natürlich davon ab, wie viel Geld ich bekomme (lacht). Nein, das war bloß ein Scherz!

Ricore: Haben Sie sich schon überlegt, eine Fortsetzung von "Selbst ist die Braut" zu drehen?

Fletcher: Es ist witzig, dass Sie das ansprechen. Wir haben schon einige Male darüber geredet. Meine Antwort darauf lautet: Alles muss passen: Die Umstände, wie unser Film entstanden ist, die Geschichte und alles Drumherum, hat gestimmt. Es kann nicht noch besser werden. Noch mehr Spaß können wir eigentlich nicht haben. Aber es wird interessant, denn die Produzenten haben die Idee noch nicht komplett beiseite gelegt. Ich kann nur soviel dazu sagen: Ich würde liebend gerne noch einen Film mit Ryan Reynolds und Sandra Bullock machen.

Ricore: Wie stark ist der Druck nach einem erfolgreichen Film, einen weiteren erfolgreichen Film zu drehen?

Fletcher: Nun ja, das ist eine persönliche Sache. Ich fühle mich nicht unter Druck gesetzt, sofort einen Schritt nach dem anderen zu tun. Es ist mehr ein Warten auf den richtigen Film. Ich bin noch nicht so lange in diesem Business, will aber noch lange drin bleiben. Ich will nicht so viel Geld so schnell wie möglich machen.

Ricore: Haben Sie Jemanden, der Ihnen hilft, den richtigen Weg zu gehen?

Fletcher: Ich habe natürlich einen Agenten, der gleichzeitig ein enger Freund von mir ist. Ich habe ihn kennen gelernt, noch bevor ich angefangen habe, als Regisseurin zu arbeiten. Er kennt sich super im Filmgeschäft aus und weiß, was gut für mich ist. Ich bin froh, dass ich ihn habe, denn er ist nicht nur sehr intelligent, sondern kennt mich in- und auswendig. Er ist zuletzt auch der Grund, warum ich "Selbst ist die Braut" gemacht habe. Ihm haben wir es zu verdanken, dass wir Sandy und Ryan als Hauptdarsteller gewonnen haben. Er hat lange mit den Produzenten verhandelt.
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Anne Fletcher auf der Pressekonferenz in München 2009
Ricore: Zur Sicherheit sprang Sandra Bullock gleich als Produzentin ein…

Fletcher: Ja, genau.

Ricore: Wie hat sie sich in ihrer Doppelrolle ins Team eingefügt?

Fletcher: Sie war in erster Linie Schauspielerin. Während der Dreharbeiten gab es keinerlei Anzeichen, dass sie auch Produzentin ist. Sandy und ich hatten den gleichen Geschmack, was den Film betrifft. Es war also erst gar nicht notwendig, dass sie sich einmischt, da wir von Haus aus auf einer Linie waren, was den Film betrifft.

Ricore: Der Film wurde in Massachusetts gedreht, nicht in Alaska, warum?

Fletcher: Das war nicht meine Entscheidung, sondern jene der Produzenten. Der Grund ist einfach: es lag am Geld. Ich wollte zumindest nach Vancouver, da die Landschaft dort eher jener von Alaska ähnelt. Doch das Budget gab das nicht her. Mir wurde klar, dass ich diesen Kampf, sollte ich ihn austragen, verlieren würde. Wir gingen dann nach Massachusetts. Am Ende bewies sich das als gute Entscheidung, denn während dieser Zeit hat es in Alaska täglich geregnet. Wir hätten nicht mal eine Szene dort drehen können. Es hat monatelang geregnet. Unglaublich.
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Anne Fletcher liebt es, zu gestikulieren
Ricore: Müssen Sie als weibliche Regisseurin härter arbeiten als Ihre männlichen Kollegen?

Fletcher: Ich hatte noch nie das Gefühl, ich müsste gegen männliche Kollegen ankämpfen. Ich will nicht sagen, dass in Hollywood die Gleichberechtigung herrscht, aber ich hatte mich noch nie benachteiligt gefühlt, weder als Choreografin noch als Schauspielerin oder Regisseurin. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich aus Detroit komme - was soviel bedeutet wie: "Leg dich nicht mit mir an!" (lacht).

Ricore: Anders gefragt: Ist es leichter, wenn man einen erfolgreichen Film hinter sich hat?

Fletcher: Ja, definitiv. Allerdings darf man nicht den Fehler begehen, und sich auf seinen Lorbeeren ausruhen. In jeder Minute könnte dieser Höhenflug schon wieder vorbei sein. Aber so lange er andauert, hat man bestimmte Privilegien. Fordert man Dinge ein, erhält man diese einfacher und schneller. Es ist schön zu gewinnen!

Ricore: Was hat es für Sie bedeutet, von der Tänzerin zur Regisseurin zu werden?

Fletcher: Nun ja, das eine hat dem anderen geholfen. Ich habe ja schon beim Film und Fernsehen gearbeitet, als Choreografin und Tänzerin. Ich kannte das Business also schon. Auch als Tänzerin muss ich gewisse schauspielerische Fähigkeiten haben, da ich eine Geschichte erzähle. Das Tanzen hat mir geholfen, das Regieführen besser zu verstehen. Hinzu kommt die Bühnenerfahrung. Mit all dem bin ich quasi aufgewachsen und natürlich in meine Rolle als Regisseurin hineingewachsen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 30. Juli 2009
Zum Thema
Die ausgebildete Tänzerin und Choreografin Anne Fletcher arbeitete zu Beginn ihrer Karriere für das Theater und wirkte bei zahlreichen Fernsehproduktionen mit. Allmählich erweiterte sie ihren Aktionsradius ins Filmgeschäft. Zuerst wirkte sie in Nebenrollen oder als Statistin mit, vor allem in Tanzfilmen. 2006 erhielt sie schließlich das Angebot, "Step Up" zu drehen. Damit ging für sie ein Traum in Erfüllung: Ihre Leidenschaft, das Tanzen, mit ihrem neuen Beruf zu verbinden. Wenngleich..
Maggie Tate (Sandra Bullock) ist eine erfolgreiche Lektorin. Die Kanadierin ist aber nicht minder zickig und fällt ihren Mitmenschen ziemlich auf die Nerven. Vor allem ihr gutherziger Mitarbeiter Andrew Paxton (Ryan Reynolds) leidet unter der Ungeduld seiner Vorgesetzten. Als Maggies US-Visum ausläuft, steht sie plötzlich unter Zugzwang. Ein Ehemann muss her. In ihrer Verzweiflung zwingt sie den armen Andrew, sich als ihr Verlobter auszugeben. Damit kommen ihre Probleme aber erst richtig in..
2024