Jean-François Martin/Ricore Text
Stephen Frears
Stephen Frears spricht Klartext
Interview: Erkenntnisse eines Arsenal-Fans
Stephen Frears gehört zu den wichtigsten Regisseuren des Neuen Britischen Kinos. Mit "Die Queen" feierte er 2007 seinen bisher größten kommerziellen Leinwanderfolg. Nach "Gefährliche Liebschaften" von 1988 verfilmte er nun mit "Chéri - Eine Komödie der Eitelkeiten" erneut ein Werk der französischen Schriftstellerin Colette. Zudem arbeitete er für sein neues Werk wieder mit Hollywoodschauspielerin Michelle Pfeiffer zusammen. In unserem Gespräch nimmt er Stellung zu den Folgen der globalen Finanzkrise auf die Filmindustrie, gibt Auskunft über sein Bild der ehemaligen britischen Regierungschefin Margaret Thatcher und äußert sich zum Zustand des englischen Vereinsfußballs.
erschienen am 25. 08. 2009
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Stephen Frears
Ricore: Was wissen Sie über die Dekade der Belle Époque und hätten Sie sich vorstellen können in dieser Zeit zu leben?

Stephen Frears: Ich habe mich natürlich im Vorfeld zu "Chéri" über diese Zeit informiert. Wichtig waren für mich speziell die Kostüme und die Ausstattung, dabei habe ich mich vor allem von Fotographien inspirieren lassen. Ich mag diese Zeit, fühle mich allerdings in der Gegenwart sehr wohl.

Ricore: Warum haben Sie "Chéri" gerade jetzt realisiert und nicht schon vor zehn Jahren?

Frears: Vor zehn Jahren gab es das Drehbuch noch nicht, sonst hätte ich es wahrscheinlich schon damals gemacht. Als ich das Drehbuch das erste Mal las, wollte ich es jedenfalls sofort verfilmen.

Ricore: Was mögen Sie an dem Drehbuch?

Frears: Es ist eine gute Umsetzung von Drehbuchautor Christopher Hampton, die mich zum Lachen bringt. Ganz einfach.

Ricore: Was sind die typischen Stephen Frears-Momente in "Chéri"?

Frears: Meine Filme sind generell geprägt von guten literarischen Vorlagen, so ist es auch diesmal. Ich mag gut geschriebene Geschichten. Die Vorgabe von Colette war überzeugend, die Drehbuchumsetzung von Hampton ebenfalls.
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Stephen Frears
Ricore: Haben Sie beim Arbeiten immer ein festes Konzept im Kopf oder bleibt Platz für Improvisation?

Frears: Ich bin kein Konzeptfanatiker. Vieles entwickelt sich bei der Arbeit zu dem Film. Meistens entsteht eine Eigendynamik und man merkt erst später worum es im Grunde geht. Vieles ist im Ungeplanten verborgen. Natürlich sind die Figuren vorgegeben und deren Charakteristik sollte auch weitestgehend beibehalten werden.

Ricore: Wie war die Zusammenarbeit mit Ihren Hauptdarstellern?

Frears: Ich wusste zuvor nichts von Rupert Friend. Er hat jedoch einen exzellenten Job gemacht. Michelle Pfeiffer war ohnehin prädestiniert für die Rolle. Es gibt nicht viele Schauspielerinnen, die für diese Frauenrolle in Frage kommen und darüber hinaus gehört sie zu den schönsten Frauen auf der Welt.

Ricore: War es schwer Michelle Pfeiffer für die Rolle zu gewinnen?

Frears: Nein, überhaupt nicht. Sie las das Drehbuch und war sofort begeistert. Überzeugungsarbeit war nicht nötig.

Ricore: Wie war es mit Michelle Pfeiffer zwanzig Jahren nach "Gefährliche Liebschaften" wieder zusammenzuarbeiten?

Frears: Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Die Zusammenarbeit ist nicht zu vergleichen. Michelle ist nun eine erwachsende Frau und Mutter. Sie ist eine komplett andere Person als noch vor 20 Jahren. Damals stand sie am Anfang ihrer Karriere.
Pathé Films
Chéri - Eine Komödie der Eitelkeiten
Ricore: Nach "Gefährliche Liebschaften" und "Chéri" scheinen Sie mittlerweile ein Experte in der Adaption französischer Klassiker zu sein?

Frears: Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich weiß nicht ob es für mich als Brite mit dem Blick von außen unkomplizierter ist, diese Form von Literatur umzusetzen, als es eventuell einem französischen Regisseur fallen würde. In beiden Werken geht es jedenfalls um Figuren die ihre Gefühle nicht preisgeben, sondern sich lieber hinter Oberflächlichkeit verstecken.

Ricore: Wo sehen Sie Ihre Zukunft als Filmemacher?

Frears: Ich gehe dahin wo man mich braucht. Dieses Projekt führte mich nach Frankreich und Deutschland. Für "Die Queen" habe ich in England gearbeitet. Es richtet sich nach Angebot und Nachfrage. Die Filmwelt hat sich im Zuge der globalen Finanzkrise verändert und ich glaube, dass es im Moment speziell für junge britische Regisseure sehr schwer ist, ihre Ideen umzusetzen.

Ricore: Inwiefern haben sich Ihrer Einstellung zu gesellschaftlichen Werten durch die aktuelle Finanzkrise verändert?

Frears: Ich denke, dass die Normen vor der Krise nicht die Besten waren, von daher wäre es wünschenswert wenn sich diesbezüglich etwas verändert. In England beispielsweise schaut man hoffnungsvoll in die USA, wo Obama die Dinge nun in die Hand nimmt und etwas verändern will. Aber auch in Europa gibt es gute Beispiele. In Deutschland gibt es eine ausgewogenere soziale Balance als in England.

Ricore: Was wünschen Sie sich für England?

Frears: Tony Blair und Gordon Brown haben eine Gesellschaft kreiert, die für die Krise des Landes verantwortlich ist. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die soziale Verantwortung wieder stärker in den Vordergrund gerückt wird, und dass Politiker die Dinge klar ansprechen. Ebenso wie ich das tue.
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Stephen Frears ist etwas unschlüssig
Ricore: Würde es Sie reizen einen Film über Margareth Thatcher oder Tony Blair zu machen?

Frears: Thatcher war eine ehrenvolle Frau, allerdings habe ich mich damit noch nicht beschäftigt, weil es noch kein Angebot gab. Ich wurde jedoch schon gefragt ob ich einen Film über Tony Blair machen will - ich habe aber abgelehnt.

Ricore: Haben Regisseure eine Verantwortung, gesellschaftliche Missstände aufzuzeigen?

Frears: Nein, haben sie nicht. Regisseure haben einfach die Aufgabe, gute Filme zu machen. Das ist alles.

Ricore: Sie tragen ein T-Shirt mit der Aufschrift Hooligan. Was hat es damit auf sich?

Frears: Es beschreibt mich sehr gut (lacht). Ich bin ein Fußballfan, aber kein Hooligan. Ich kämpfe nur gegen die Langeweile. Das T-Shirt ist eher ein Scherz.

Ricore: Was sagen Sie zu den reichen russischen Investoren im britischen Vereinsfußball?

Frears: Viel russisches Investorengeld wurde in der Finanzkrise vernichtet. Irgendwann demnächst wird also beispielsweise auch der FC Chelsea London kollabieren, der von den Millionen eines Milliardärs wie Roman Abramowitsch abhängig ist. Das finde ich als Anhänger des Lokalrivalen FC Arsenal natürlich großartig.

Ricore: Herr Frears, wir danken Ihnen für das Gespräch.
erschienen am 25. August 2009
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