Senator Filmverleih
Sylvester Groth wechselt in "Whisky mit Wodka" die Fronten
Sylvester Groths Angst vor Mikrofonen
Interview: Diktatoren und Opportunisten
Sylvester Groth gehört zu den viel beschäftigten seines Berufstandes. Oft im Hintergrund agierend, ziert sein Gesicht kein Zeitschriftencover. Durch sein Mitwirken in "Stalingrad", "Der Aufenthalt" oder "Inglourious Basterds" gehört er mittlerweile dennoch zu den etablierten deutschen Schauspielern. In "Whisky mit Wodka" von Andreas Dresen übernimmt er die Rolle des fiktiven Regisseurs Martin Telleck. Mit uns spricht Sylvester Groth über seine Erfahrungen diesbezüglich, seine Phobie gegenüber Mikrofonen und den mentalen Löchern nach Drehschluss.
erschienen am 27. 08. 2009
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"Whisky mit Wodka" ertränkt jeden Kummer
Ricore: Sind alle Personen in "Whisky mit Wodka" fiktiv?

Sylvester Groth: Sie sind fiktiv, aber zugleich ein Destillat aus allem was es an Charakteren gibt. Daraus ergibt sich das Komödiantische im Film. Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase hat tolle, lebendige Figuren kreiert. Die Inszenierung driftet nie ins Alberne ab.

Ricore: Können Sie nach dieser Rolle den Beruf des Regisseurs besser nachempfinden?

Groth: Ein bisschen schon. Es war interessant die Rolle zu spielen. Vor allem, dass man als Regisseur mit den Kopfhörern wirklich alles hört was die Schauspieler sprechen. Das war wunderbar. Seitdem bin ich vorsichtiger geworden als Schauspieler. Ich führe keine Gespräche mehr, wenn irgendwo ein Mikrofon rumliegt oder man verkabelt ist. Mund halten lautet dann die Devise. Ich habe in der Rolle versucht mehrere Regisseure wiederzugeben, eben diejenigen die man im Laufe der Zeit kennen gelernt hat. Regisseur ist schon ein harter Beruf, allein weil er jahrelang mit dem Stoff beschäftigt ist. Die Zeit ist Drehens ist dabei noch die Schönste, weil der Stoff lebendig wird, aber danach siehst du das Gefilmte in der Postproduktion jeden Tag nochmal. Das würde mich nicht interessieren.

Ricore: Haben Sie mehr Opportunisten oder mehr Diktatoren als Regisseure kennen gelernt?

Groth: Diktatoren gibt es in dem Metier durchaus. Ich hab mal die Erfahrung bei Dreharbeiten gemacht, dass ich alles nur nach Ansage gemacht habe, einfach um auf der sicheren Seite zu sein. Damals habe ich einzig auf den Regisseur gehört. Das war zwar sehr bequem, aber die Lebendigkeit geht verloren. Ich habe mich wie eine Marionette verhalten. Keine schöne, aber lehrreiche Erfahrung. Opportunistische Regisseure sind oft unorganisiert und das ist auch nicht das Gelbe vom Ei.
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Sylvester Groth gibt Regieanweisungen
Ricore: Fallen Sie wie ihre Rollenfigur nach den Dreharbeiten in ein mentales Loch?

Groth: Ja, weil das Spielzeug weg ist. Während der Dreharbeiten kümmert man sich um einen und man steht ständig im Mittelpunkt. Sobald das vorbei ist muss man wieder zurück in sein eigenes langweiliges Leben. Dieser Umstand ist das Schwierigste an dem Beruf des Schauspielers. Mit der Zeit lernt man jedoch damit umzugehen. Im Idealfall hat man gleich eine neue Rolle.

Ricore: Verspüren Sie generell eine innere Unruhe?

Groth: Ja natürlich, dass ist aber auch immer zugleich mein Antrieb. Wenn man den Beruf des Schauspielers nur des Geldes wegen machen würde, wäre das langweilig. Ein Schauspieler will immer arbeiten, um zeigen zu können was er draufhat.

Ricore: Ist Schauspieler ein einsamer Beruf?

Groth: Finde ich schon, eben weil man immer mit so vielen Leuten am Set zu tun hat, aber im Endeffekt alleine vor der Kamera steht. Mit deiner nackten Seele offenbart sich der Schauspieler einer breiten Masse. Der Bäcker hat es leichter, der stellt etwas her und kann sein Produkt nach getaner Arbeit auch anfassen.
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Am kalten Set von "Whisky mit Wodka"
Ricore: Wie war es mit Wolfgang Kohlhaase, 25 Jahre nach "Der Aufenthalt", wieder zusammenzuarbeiten?

Groth: Es hat mich wirklich sehr gefreut wieder was von ihm zu spielen. Wir hatten uns in der Zwischenzeit kaum gesehen. Nur zufällig getroffen - auf Beerdigungen oder so. Ich schätze Wolfgang sehr und halte ihn für einen der besten Drehbuchautoren im deutschen Sprachraum. Ihm kann man blind vertrauen, auch weil er grandiose Dialoge schreibt.

Ricore: Würden Sie "Der Aufenthalt" als Ihren Durchbruch bezeichnen?

Groth: Das kann man so sagen. Es ist rückblickend zudem eine schöne Erinnerung. Im Laufe der Zeit habe ich leider die Naivität abgelegt die mir als damaligen Anfänger im Schauspielberuf zu Eigen war. Während der Dreharbeiten zu "Der Aufenthalt" wurde ich sozusagen entjungfert. Ich wusste damals gar nicht, wie mir geschah. Eine wunderschöne Erfahrung. Tolles Team, toller Regisseur, sensationelles Drehbuch. Mit der Produktion habe ich wirklich Schwein gehabt.

Ricore: Was unterscheidet die Arbeit fürs Kino von der für eine Fernsehproduktion?

Groth: Der Anspruch fürs Kino ist generell höher, als des Fernsehens. Das ist von vornherein so und das weiß jeder. Es ist ein ganz anderes Arbeiten und unterscheidet sich elementar. Generell macht man als Schauspieler dann auch schon mal einigen Quatsch mit, Dinge weswegen man den Beruf nicht ergriffen hat, aber muss ja auch leben.

Ricore: Herr Groth, wir bedanken uns für das Gespräch.
erschienen am 27. August 2009
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Sylvester Groth wird am 31. März 1958 in Jerichow geboren. Er studiert Schauspiel und Gesang an der Dani Levys "Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler" als Joseph Goebbels zu sehen. In Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" spielt er diesen Charakter 2009 ein zweites Mal. Neben seiner Schauspielkarriere spricht Groth viele Hörbücher ein.
Andreas Dresen, Wolfgang Kohlhaase und Conny Ziesche kehren nach dem gefeierten "Sommer vorm Balkon" mit einer neuen Produktion zurück. "Whisky mit Wodka" erzählt die tragikomische Geschichte eines alternden Filmstars (Henry Hübchen), der seine Einsamkeit mit Alkohol bekämpft. Deshalb vergisst er ab und an schon mal seinen Text und behindert die Dreharbeiten seines neuen Films. Als das Maß voll ist, greift der Produzent zu einem ungewöhnlichen Trick, um sein Paradepferd wieder auf Kurs zu..
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